Gemeinderat, 71. Sitzung vom 29.06.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 93
wieder betont, dass diese Hilfe vor allem einfach und unbürokratisch sein sollte. Zugegeben, manche der getroffenen Maßnahmen waren in der Tat hilfreich, manche weniger. Eines hatten sie leider alle gemeinsam: Keine einzige dieser Maßnahmen war beziehungsweise ist unbürokratisch und einfach. Ich werde über diesbezügliche Beispiele bei meinen Klienten, die bei mir in der Kanzlei auftraten, noch berichten.
Welche Maßnahmen waren dies nun im Detail? - Da gab es einmal oder gibt es noch immer die berühmte Kurzarbeit. Auf der Seite der Wirtschaftskammer fand ich dazu folgenden Hinweis: „Mit dem AMS wurde die Abwicklung der Kurzarbeitsanträge deutlich vereinfacht und beschleunigt.“ - So die Theorie, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wie sieht es aber tatsächlich aus? - Die Unternehmer müssen einen Antrag und eine Sozialpartnervereinbarung ausfüllen. Der Umfang dieser Vorgaben beträgt über 20 DIN-A4-Seiten. Es muss nicht nur der Dienstgeber unterschreiben, sondern auch die betroffenen Dienstnehmer. Es müssen ein eAMS-Konto angelegt, eine Meldung über die geleisteten monatlichen Stunden erstattet sowie ein Durchführungsbericht erstellt werden. Für eine Verlängerung ist ein Verlängerungsantrag zu stellen und eine neuerliche Sozialpartnervereinbarung mit allen Unterschriften zu erstellen - immerhin wieder 17 bürokratische Seiten. Probleme gab es mehrmals bei den Unterschriften der Dienstnehmer, sodass Anträge mit dem Hinweis „Unterschrift unleserlich“ zur Nachbesserung bürokratisch an den Dienstgeber zurückgewiesen wurden. Meines Erachtens ist das nicht unbürokratisch, sondern eine Schikane.
Bei einem größeren Unternehmen ist der Dienstgeber schon froh, wenn er diese Unterschriften mühsam zusammenbekommt. Zu prüfen, wie weit diese dann auch leserlich sind, ist wirklich Schikane. Der Abrechnungsmodus für die Kurzarbeit wird vom Gesetzgeber leider permanent geändert, und zwar immer rückwirkend, was ein enormer zusätzlicher Arbeitsaufwand ist. Bereits abgerechnete Monate müssen neu berechnet werden. Im Gesetzesjargon heißt das natürlich nicht „geändert werden“, sondern „an die aktuelle Situation angepasst werden“.
Ich habe hier solch ein Beispiel - solche Schreiben flattern bei mir so jede Woche, vielleicht sogar zwei Mal pro Woche in die Kanzlei -: „Information des BMF zur steuerlichen Behandlung der Covid-Kurzarbeit.“ Hier eine Info des BMF vom 12.6. - also mittlerweile wird es sicher schon eine weitere geben -, gültig ab 1.3.2020, also leider rückwirkend.
Eine weitere Maßnahme der Bundesregierung oder des Hilfspaketes sind die sogenannten Überbrückungskredite. Die Überbrückungskredite sind sicher eine im Moment brauchbare Hilfestellung, nur haben Kredite einen enormen Nachteil: Sie müssen zurückbezahlt werden, und zwar innerhalb von vier Jahren ab dem Jahr 2021 in Form von jeweils zwei Halbjahresraten. Meines Erachtens ist das nur sehr schwer umsetzbar, und hier wäre Hilfe von Wien für seine Unternehmen sicher sinnvoll. Vielleicht könnte sich der Herr Stadtrat diesbezüglich verwenden.
Wie sieht hier dieser sogenannte unbürokratische Antrag aus? - Der Antrag umfasst mehr als 40 DIN-A4-Seiten. Die Ausfertigung ist nur elektronisch möglich, was die Ausfertigung erschwert, weil man nicht vor- und zurückblättern kann. Punkte, die vorerst unklar sind, kann man nicht überspringen. Mit etwas Routine, wenn man das öfters gemacht hat, dauert solch eine Bearbeitung drei bis fünf Stunden.
Es wird immer beteuert, dass diese Überbrückungskredite spesen- und zinsenfrei sind. Tatsächlich verrechnen manche Banken Bearbeitungsgebühren in der Höhe von 1.100 EUR. Außerdem verlangen manche Banken Liquiditätspläne für die nächsten 18 Monate. Solche Vorschauberechnungen sind sehr zeitintensiv und kosten den Unternehmen Geld, weil die Unternehmen im Regelfall selbst nicht in der Lage sind, solche Pläne zu erstellen. Dies alles zeigt, die Überbrückungskredite kosten Geld und sind auch nicht unbürokratisch.
Ein weiterer Punkt sind die sogenannten Stundungen. Auf der Seite der Wirtschaftskammer findet sich der Hinweis, dass sowohl beim Finanzamt wie auch bei den Sozialversicherungsträgern rasch und unbürokratisch Stundungen der Steuern und Abgaben erreicht werden können. Als Steuerberater kann ich bestätigen, dass diese Stundungsansuchen tatsächlich unbürokratisch abgewickelt wurden. Nur haben Stundungen nichts mit Covid-19 und dem Hilfspaket der Bundesregierung zu tun. Diese waren schon immer möglich. Abgesehen davon haben Stundungen einen großen Haken, insbesondere bei den Sozialversicherungsträgern. Gestundet werden bereits fällige Beiträge, also Beiträge aus der Vergangenheit. Es wird also lediglich der Zeitpunkt der Zahlung hinausgeschoben, die Schuld bleibt weiter bestehen, und die laufenden Beiträge erhöhen ja den geschuldeten Betrag. Es ist somit kein wirklicher finanzieller Vorteil.
Wie diese Schulden dann nach Ablauf der Stundungsfrist, nämlich im Jänner 2021, auf einmal bezahlt werden sollen, darüber hat sich die Bundesregierung sicher keine Gedanken gemacht. Auch hier, sehr geehrter Herr Stadtrat, wäre vielleicht anzudenken, ob es für Wien Möglichkeiten gibt, zumindest den Wiener Betrieben zu helfen.
Auch die Steuerherabsetzungen wegen verminderter Gewinnerwartung waren schon bisher möglich und haben überhaupt nichts - genauso wenig wie die Stundungen - mit dem Hilfspaket für die Wirtschaft von der Bundesregierung zu tun. Es ist übrigens eine der ganz wenigen Maßnahmen, die derzeit unbürokratisch klappt.
Dann gibt es weiters den Härtefallfonds. Problem beim Härtefallfonds ist, dass es fast täglich Änderungen gibt. Außerdem muss jeden Monat einzeln im Nachhinein beantragt werden. Antragsteller kann nur der Unternehmer sein, dadurch gibt es Probleme bei der Erstellung, weil er auch Daten aus der Buchhaltung vom Steuerberater benötigt. Sein Steuerberater darf solche Anträge nicht einbringen. Wie man sieht, ist das alles andere als unbürokratisch.
Als Nächstes gibt es den Fixkostenzuschuss. Problem dort ist, bis 12.000 EUR Zuschuss kann es nur der
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