Gemeinderat, 71. Sitzung vom 29.06.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 93
schluss erklärt hat, sie investiert uns aus der Krise 2008, und es ist noch nicht lange her, dass ein Stadtoberhaupt an dieser Stelle davon gesprochen hat: Ja, wenn wir jetzt Geld aufnehmen, kriegt man das ja geschenkt, unter dem Motto, weil Niedrigzinsen einen Kredit quasi zum Geschenk machen würden und eine Rückzahlung eigentlich eh nicht in Betracht kommt. Insofern freue ich mich darüber.
Es ist in mehreren Redebeiträgen natürlich auch angesprochen worden - diesen Vorwurf kennen Sie ja selbst auch, Herr Stadtrat, und er wird sie wenig überraschen -, dass halt sehr viele Einmaleffekte drinnen sind, dass sehr viel Bilanzschönung getan würde - aber immerhin.
Gerade jetzt zeigt die Situation mit Covid-19 ja, wie wichtig es ist, auch einen finanziellen Spielraum zu haben, um nach Möglichkeit die wirtschaftspolitischen Herausforderungen meistern zu können. Wir haben eine Situation, dass wir leider Gottes hier in Wien jetzt einmal und mit ziemlicher Sicherheit auch nur einmalig ein ausgeglichenes Budget haben, nämlich 2019, und dass wir jetzt in weitere Folge, der Krisenbekämpfung geschuldet, diesen Effekt in den nächsten Jahren wohl nicht mehr haben werden. Ich hoffe aber, es wird hier wirklich für die Krisenbewältigung gekämpft und nicht nur Kosmetik betrieben.
Was meine ich damit? - Wir diskutieren in breitester Art und Weise vor allem zwei Gutscheine, den Taxi-Gutschein und den Gastro-Gutschein. Ich weiß schon, es gibt noch andere Vehikel und andere Unterstützungen, wir haben ja sehr lange im Vorfeld beispielsweise die „Stolz auf Wien“ Beteiligungs GmbH und einiges andere mehr mitsammen besprochen und auch ein bisschen verhandelt. Sie haben es ja heute in Ihrer Rede auch aufgezählt. Nur, ich muss schon ganz ehrlich sagen, wenn ich mir die Volumina hier und die Volumina auf Bundesebene ansehe, dann könnte man - und ich hoffe, dass ich mich irre - Sorge haben, dass die Stadt Wien sich zurücklehnt und sagt: Na, das ist Aufgabe des Bundes, und wir machen nur ein bisschen Spiele für die Galerie, Brot und Spiele. Wir verzieren alle Medien - das kann ja so wenige Monate vor einem wichtigen Wahlgang nie schaden - mit einer schönen Schnitzelpanier, aber das war es auch schon.
Die 38 Millionen EUR, die da ausgegeben werden - prinzipiell eigentlich ein vernünftiges und gutes und rasch mögliches Unterstützungspaket -, werden zur Inszenierung, aber bei den 50 Milliarden EUR auf Bundesebene wird immer Kritik über Bürokratie und schwierig und zu langsam geübt.
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, was es für Probleme auch bei den Gutscheinen der Stadt Wien gab, beim Taxi-Gutschein das Ablaufdatum, beim Gastro-Gutschein einige andere Themen. Ich glaube, wir sollten jetzt in uns gehen, wenn wir schon einen Stadtrat haben, der sich zumindest Sparsamkeit auf die Fahnen geschrieben hat, wenn wir einen Stadtrat haben, der zumindest, ich sage einmal, Wirtschaft nicht nur aus Lehrbüchern, sondern auch aus seinem früheren beruflichen Werdegang kennt, und sollten diese Konstellation zum Anlass nehmen, gemeinsam zu überlegen, was wir gegen Horden von Arbeitslosen in dieser Stadt tun, gegen sehr, sehr viele Menschen in dieser Stadt, die noch in der Kurzarbeit weilen, und wo es jetzt ganz wichtig sein wird, wo sie dann nach dem einen Behaltemonat hingehen, zu dem sich der Unternehmer verpflichtet. Wo gehen sie dann hin? Wieder ganz normal in ihre Beschäftigung oder kommen sie vielleicht auch in die Arbeitslosigkeit und kommen auf den Arbeitsmarkt?
Ich glaube, wir haben sehr viel zu tun, und wenn heute schon von einigen Vorrednern darauf hingewiesen wurde, nur die öffentliche Hand kann es richten: Ja, das ist schon richtig, dass in Zeiten wie diesen - spare in der Not, dann hast du in der Zeit - die öffentliche Hand auch einwirken darf. Aber wenn ich mir beispielsweise das wirtschaftspolitische Modell der Kollegin Hanke anschaue, na, da unterscheiden uns wirklich Welten. Ich bin mir nicht sicher, ob man mit einem nostalgischen linken Kurs, der ja doch relativ weit links steht, auch was die wirtschaftspolitische Ausrichtung betrifft, die Herausforderungen dieser Zeit wird schultern können.
Meine Damen und Herren, ich bin heute so wenig wie möglich unmittelbar auf einzelne Zahlen eingegangen, weil ich glaube, jetzt gilt es, über den Tellerrand zu blicken und zu schauen: Was tun wir in weiterer Folge? Was passiert 2020? Was passiert 2021? Es heißt immer, ein Budget ist in Zahlen gegossene Politik. Jetzt, Herr Stadtrat, nehmen Sie eine strategisch so wichtige Rolle ein - für den Arbeitsmarkt, für die Unternehmen in dieser Stadt -, dass ich nur sagen kann: Erliegen Sie nicht der Versuchung, von allen in Ihrer Fraktion aus sozialistischer Romantik geliebt werden zu wollen! Versuchen Sie auch, etwas in Ihre Politik eindringen zu lassen, was sinnvoll ist, nämlich Wettbewerb und die Kenntnis von Wirtschaft in dieser Stadt! Wien braucht es jedenfalls. - Danke.
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr GR Margulies. Selbstgewählte Redezeit - wenn ich es zusammenbringe, das einzustellen - sind sieben Minuten. Sie haben das Wort.
GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Damen und Herren!
Der Rechnungsabschluss liefert jedes Jahr andere Zahlen, die Diskussion ist jedes Jahr gleich. Es ist wirklich faszinierend, wie komplett faktenunabhängig im Großen und Ganzen die Rollen zwischen Opposition und Regierung verteilt sind. Auch wenn es für 2019 - und ja, da war eine gute Konjunktur - das erste Mal gelungen ist, ausgeglichen zu budgetieren, hat das an der Diskussion nichts geändert. Und in Wirklichkeit wäre es im Normalfall auch nicht so relevant, in der jetzigen Situation hingegen glaube ich sehr wohl, dass wir die Rechnungsabschlussdebatte zum Anlass nehmen sollten, um über ein paar Sachen nachzudenken.
Das Wichtigste ist tatsächlich die Zukunft. Einige Redner und Rednerinnen haben es ja schon angesprochen. Und während ich vor zwei Monaten noch sehr hoffnungsvoll in der Einschätzung war, dass vielleicht die
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