Gemeinderat, 71. Sitzung vom 29.06.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 33 von 93
etwas kann, oft in diesen Schubladen oder in diesen starren Strukturen sehr, sehr gebunden sind. Wenn es darum geht, jetzt ein bisschen loszulassen und ein bisschen mehr Freiheit anzubieten, laufen die Bürokratie und das Werkel oft sehr langsam. Bestes Beispiel hierfür sind die Schanigärten. Jetzt haben wir alle gesagt, am Beginn der Krise, wir wissen um die Gastronomie, wir haben Gastronomie-Gutscheine, um ihnen jetzt zu helfen. Aber eine schnelle Erleichterung wäre jetzt, hier die Gebühren auszusetzen. Dann hat es ein Interview schon vor zwei Monaten, glaube ich, gegeben, in dem ein Sprecher des Wirtschaftsstadtrates gesagt hat, man kann sich das bis Ende des Jahres vorstellen, und wir alle, also die Opposition hat schon gesagt, großartig, super, wird gemacht, taugt uns.
In der letzten Rede des Stadtrates hat er wieder gesagt, Gebührenaussetzen kann ein Weg sein, und so weiter. Ich frage mich: Wann passiert das konkret? Es gibt noch keinen Beschluss dazu. Deswegen fühle ich mich gezwungen, zum mittlerweile dritten Mal seit der Wirtschaftskrise, heute hier den Antrag einzubringen, die Schanigartengebühren für das heurige Jahr auszusetzen.
Zusätzlich haben wir natürlich hier auch ein sehr breites Entlastungspaket präsentiert, denn es sind ja nicht nur Schanigärten, wir wissen, jedes Handelsunternehmen, das in seiner Auslage Werbung betreibt, muss Luftsteuer zahlen. Das ist an sich eine Steuer, über die man immer diskutieren kann. Da kommt gar nicht so wenig Geld für die Stadt rein, das heißt, im Moment ist die Situation noch die, dass das der Stadt durchaus mehr bringt, und ein öffentlicher Raum kostet natürlich Geld, keine Frage. Ob die Art und Weise, wie man das Geld einnimmt, noch zeitgemäß ist, darüber lässt sich diskutieren. Aber um auch hier dem Handel und vor allem dem kleinen Handel zu helfen, haben wir schon mehrfach gefordert, diese Luftsteuer ebenfalls auszusetzen.
Es wurde heute auch schon oft der Leerstand thematisiert, eine riesige Herausforderung in der Stadt. Jetzt merkt man es noch nicht, aber im September, Oktober, wenn, meiner Meinung nach, diese Wirtschaftskrise so richtig einschlägt, wenn die Bundeshilfen in Wirklichkeit zeigen, dass sie sehr oft nicht oder zu spät angekommen sind oder halt einfach nicht dort ankommen, wo sie ankommen sollten - das passiert ja sehr oft bei Förderungen -, dann haben wir die Situation, dass auch hier sehr viel passieren wird, sehr viele Unternehmen in Insolvenz gehen und wir umso mehr Leerstand haben. Deswegen plädiere ich noch einmal dafür, auch diese Gebrauchsabgabe bis zum Ende des Jahres auszusetzen.
Zu guter Letzt noch zwei Dinge, die technischer Natur sind. Das Erste ist, sehr geehrter Herr Finanzstadtrat, Sie haben uns etwas versprochen. Sie haben uns bei Ihrem Antritt versprochen, als ja die VRV 2015 wirksam geworden ist, dass sie uns, sobald das hier ist, sofort Eröffnungsbilanzen schicken. Das ist bis jetzt nicht passiert. Ich frage sehr, sehr höflich nach, warum nicht. Ich frage auch nach, wann wir damit rechnen können. Das würde uns sehr helfen, unserem Job hier in der Opposition nachzukommen.
Im Rahmen der gesamten Gutscheindiskussion haben wir hier auch ein anderes Thema, das zu tragen kommt, nämlich die Rolle der Wirtschaftskammer in dieser Krise und auch die Zusammenarbeit der Wirtschaftskammer mit der Stadt, bei der ja immer betont wird, dass sie so sensationell gut ist. Wir wissen, bei den meisten Förderungen wird zwar die Stadt Wien zur Kasse gebeten, aber niemals die Wirtschaftskammer, oder nur in einem sehr kleinen Ausmaß oder auch nur im Rahmen von Leistungen. Ich verstehe es nicht. Wir wissen, dass die Wirtschaftskammer Wien auf über 200 Millionen EUR an Rückstellungen sitzt.
Es ist mir unbegreiflich, warum in der größten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik erstens das Geld nicht angegriffen wird, aber zweitens, noch viel schlimmer, der Fonds, der eigentlich für Notfälle von der Wirtschaftskammer gedacht ist, nicht in Anspruch genommen wird. Das wäre ja auch Wirtschaftskammergeld, aber es wird eins zu eins in die Gastro-Gutscheine gesteckt, wo ja noch immer hier im Haus nicht ganz klar ist, ob das jetzt eine Wirtschaftsförderung oder das Schnitzel für den kleinen Mann ist. Sie vermarkten es immer so oder so. Beides ist es nicht, das haben wir leider Gottes im Moment schon rausgefunden.
Ich bringe hier noch einmal den Antrag ein, die Rücklagen der Wirtschaftskammer aufzulösen, und bitte um Zustimmung.
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Der Vorsitzende freut sich über jeden Redner. Zu Wort gemeldet ist GR Mag. Juraczka. Selbstgewählte Redezeit ist zwölf Minuten. Sie haben das Wort.
GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es freut mich, zu sehen, welche Kondition, welche Ausdauer der zuständige Stadtrat heute hier auf dem Berichterstatterpodium zutage legt. Seine Abgeordnetenkollegen in den Sitzreihen sind da nicht ganz so konditionsstark. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass bei ... (Zwischenrufe.) Entschuldigung? Gut, ich bedaure, dass meine Wortmeldung bei Kollegen Oxonitsch nicht auf Wohlgefallen stößt, aber ich mutmaße, damit wird er zurechtkommen müssen, meine Damen und Herren.
Was ist mir heute aufgefallen? Ich möchte nämlich wirklich - als, ich weiß nicht, wie vielter Redner zu dieser Debatte zum Rechnungsabschluss 2019 - vielleicht doch auch einen anderen Spin geben, andere Perspektiven auftun. Was ist mir bei Ihrer Wortmeldung heute aufgefallen, Herr Stadtrat? - Mehrerlei, eines vor allem, dass Sie gleich zu Beginn in Ihre Bankreihen blickend von einer guten sozialdemokratischen Politik gesprochen haben. Das ist legitim, das ist gut. Ich freue mich ja und ich freue mich wirklich von ganzem Herzen, dass Sparsamkeit und nach Möglichkeit ausgeglichen zu budgetieren endlich wieder ein Ziel in dieser Stadt wird. Das ist ja schon etwas Beeindruckendes.
Es ist noch nicht so lange her, dass ihre Vorgängerin hier an dieser Stelle uns 2017 noch beim Rechnungsab
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