«  1  »

 

Gemeinderat, 70. Sitzung vom 24.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 147

 

Den Vergleich einer Religion mit einem Virus, das kennen wir aus einer sehr schlimmen, sehr dunklen Zeit, das ist Nazi-Diktion. Ich erinnere nur an die schrecklichen Wörter wie: Der Jude bleibt ein ewiger Parasit oder ein schlechter Bazillus! - So etwas hat in Wien keinen Platz! Bei der letzten Sitzung haben wir in diesem Haus Antisemitismus verurteilt und wir werden heute Islamfeindlichkeit und antimuslimische Hetze genauso verurteilen. Es ist eine Schande, dass das in Wien passiert - von einem Nationalratspräsidenten und zusätzlich im Beisein eines Vizebürgermeisters! Man braucht sich weder vor dem Koran noch vor den 700.000 muslimischen Menschen in Österreich zu fürchten, vielmehr müssen wir alle sehr wachsam sein, dass Ihre politische Gesinnung sich nicht weiter ausbreitet. Ich sage Ihnen persönlich: Ich habe vor Ihnen keine Angst, aber Sie bereiten mir mit der Zeit wirklich große Sorgen.

 

Der Grund, warum es auch heute wichtig ist, sich dazu zu melden, Herr Kowarik - das ist auch der Unterschied zu dem Antrag, den die ÖVP heute einbringen wird -, ist, dass einerseits in dieser Aussage die Verharmlosung des Virus liegt, die wir einfach nicht hinnehmen können, und auf der anderen Seite hat der Europarat unlängst - das ist ja nicht einmal sehr lange her - die Islamfeindlichkeit in Österreich kritisiert.

 

Da wurden zwei Dinge erwähnt: Die eine Geschichte war das Kopftuchverbot in der Schule, das ich jetzt nicht diskutieren und nicht anreißen will, aber im Europarat zeigt man sich angesichts einer zunehmenden Islam- und Fremdenfeindlichkeit in Österreich generell besorgt, insbesondere, und jetzt kommt es, in Bezug auf Muslime und Flüchtlinge. Politische Reden hätten dazu beigetragen, die Gesellschaft zu spalten, vor allem die FPÖ falle mit rassistischen Bemerkungen auf - so das Gremium. Das sind nicht meine Worte, das sind die Worte des Europarates. Er kritisiert zudem, dass es in Österreich noch keine umfassende systematische Erfassung von Daten zu Hassreden und hassmotivierter Gewalt gebe. Der Grad der nicht erfassten Daten sei ein Problem. Österreich müsse bei der Bekämpfung von Hassreden nachbessern und den zuständigen Stellen finanzielle Unterstützung zukommen lassen, hieß es in dem Bericht. Und es wird appelliert, einen Verhaltenskodex zu verabschieden, der Hassreden verbietet, und das Thema im Fall der österreichischen Behörden auch in engerer Zusammenarbeit zwischen Polizei und Gruppen zu etablieren, die der Gefahr von Hassdelikten ausgesetzt seien, insbesondere Dunkelhäutige und Muslime.

 

Ich erlaube mir heute, einen Beschluss-und Resolutionsantrag einzubringen, in meinem und im Namen der KollegInnen Frau GRin Mag. Nicole Berger-Krotsch, Dr. Kurt Stürzenbecher, Marina Hanke, Petr Baxant, Marcus Schober, Heinz Vettermann, Safak Akcay und von den GRÜNEN Herr Nikolaus Kunrath und Barbara Huemer. Wir weisen darauf hin, dass es heute bereits knapp 700 Menschen sind, die durch das Coronavirus ums Leben gekommen sind. Der Wiener Gemeinderat verurteilt die Aussage des Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer. Er missachtet Grundsätze unserer demokratischen Rechts- und Werteordnung und zeigt sich seines Amtes unwürdig. - Das ist der Text.

 

Zugleich verurteilen wir die Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren, die dadurch auch passiert sind. - In diesem Sinne bitte ich um sofortige Abstimmung und danke vielmals.

 

Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Hungerländer.

 

13.43.11

GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

 

Zur Kollegin Akcay, die jetzt leider nicht mehr da ist, vielleicht kann man es … (Zwischenruf.) - Ja, hier sind Sie. Schauen Sie, es macht schon einen Unterschied, wenn Herr Kollege Haslinger sehr genau differenziert, warum er diesen Verein ablehnt, und wenn ich jetzt auch sage, warum wir die Post 2 ablehnen, nämlich weil die Kinderfreunde involviert sind. Wir hatten das Thema ja schon öfter. Das bedeutet aber nicht, dass man per se gegen Integration ist. Das ist eine Pauschalierung, die einfach nicht zulässig ist. Wir machen uns die Mühe, arbeiten aus, warum wir gegen bestimmte Poststücke sind, und erklären das hier. Dass Sie jetzt herauskommen und sagen, man sei deswegen pauschal gegen Integration, ist einfach eine völlig unzulässige Verkürzung, und das möchte ich absolut ablehnen.

 

Herr Kollege Al-Rawi, ich muss jetzt kurz auf diese Europaratsdebatte zum Thema Islam eingehen: Sie kennen unsere Position. Wir versuchen, sehr genau zwischen dem politischen Islam und der Religion Islam zu differenzieren. Ausgesprochen aufpassen muss man beim Bereich Meinungsfreiheit. Wir beide wissen, dass das, was der Europarat und auch andere Experten zusammenschreiben, teilweise sich nicht mit dem deckt, was man eigentlich unter Meinungsfreiheit verstehen müsste. Natürlich muss es zulässig sein, politische Ausrichtungen - nicht Religion, aber politische Ausrichtungen - von religiös beeinflussten Ideologien zu kritisieren. Das muss möglich sein und darf keinesfalls vermischt werden und keinesfalls unter dem Bereich der Meinungsfreiheit verboten werden. Deswegen sehen wir diesen Bericht des Europarates auch mit relativer Skepsis, weil unserer Meinung nach nicht ausreichend zwischen der politischen Ausrichtung und der Religion differenziert wird.

 

Damit komme ich zu Ihrem Antrag, dem wir inhaltlich zustimmen können, indem wir es als genauso schlecht und schädlich erachten, wenn mit dem Thema Corona nicht in respektvoller Weise und vor allem nicht in verantwortlicher Weise umgegangen wird, sondern das Thema zur Polemisierung, zur politischen Stimmungsmache verwendet wird. Wir lehnen das ganz, ganz klar ab. Ich muss sagen, dieser Vergleich Corona - Koran hat vielleicht eine semantische Nähe, aber viel mehr ist da auch nicht drinnen. Wir halten diesen für verfehlt, und wir distanzieren uns auch davon. Aber - und das ist auch der Grund, warum wir einen eigenen Antrag einbringen - wir sehen uns als Gremium hier nicht als zuständig, die Aussagen einzelner Politiker zu verurteilen. Dies nicht zuletzt deswegen, weil wir dann relativ viel zu tun hätten.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular