Gemeinderat, 3. Sitzung vom 16.12.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 90 von 101
Kontrollsystem, IKS, im Schulden- und Veranlagungsmanagement der Stadt Wien. Ich habe ganz bewusst diesen Bericht gewählt, weil er - manche von Ihnen werden sich vielleicht noch an meine Rede anlässlich der Budgetdebatte letzte Woche erinnern - genau das widerspiegelt, was ich damals gemeint habe. Ich habe damals Herrn StR Hanke vorgeworfen, dass es auf Grund von finanzpolitischen Verfehlungen in den früheren Jahren keinen Spielraum gibt, um heute so durch die Krise zu kommen, wie es die Wienerinnen und Wiener sich verdient hätten.
In diesem Rechnungshofbericht, der eben im Juni 2020 in den Finanzausschuss kam, ging es um etwas, das eigentlich so etwas wie ein Evergreen in der Debatte um die Finanzpolitik der Stadt war, nämlich die berühmten Schweizer Fremdwährungskredite. Wir alle erinnern uns, vor allem federführend unter der Vorgängerin des StR Hanke, unter Renate Brauner, wurden damals Fremdwährungskredite aufgenommen. Ich habe immer ganz offen gesagt, das allein wäre noch nicht das Thema, absurd war aber damals schon, dass lange nach Beginn der Finanzkrise 2008, lange nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers, Wien wahrscheinlich als einzige Kommune auf der ganzen Welt noch immer zwei ganze Jahre lang in Fremdwährungskredite investiert hat. Als die Opposition dann aufgeschrien und gemeint hat, Achtung, da laufen Dinge aus dem Ruder, passierte etwas, was nach wie vor als das Wiener Paradoxon in die Geschichte dieser Stadtpolitik eingeht, nämlich dass die Aufnahme von Milliardenkrediten in Schweizer Franken, wo die Höhe der Rückzahlung von der Kursentwicklung abhängt, in den Augen der Wiener Sozialdemokratie natürlich alles war, alles, nur nicht Spekulation, meine Damen und Herren.
Nun, der Rechnungshof hat in seinem Rechnungshofbericht jedenfalls von Oktober 2018 bis Jänner 2019 das Interne Kontrollsystem im Schulden- und Veranlagungsmanagement der Stadt Wien kontrolliert. Ziel war die Überprüfung, die Beurteilung der Vorgaben in diesem Kontrollsystem, die Ausgestaltung, die Beurteilung des Umgangs mit den Risken, die Berücksichtigung der Kontrollsystemprinzipien bei den internen Vorgaben und Prozessen und vieles mehr. Was war der Endeffekt dieses Rechnungshofberichtes? - Ganz kurz gesagt: Der Bericht bestätigte vollinhaltlich die Kritik der Opposition, gerade im Hinblick auf die Fremdwährungskredite, und es zeigte sich, dass der aktuelle Finanzstadtrat auch hinsichtlich der aktuellen Entwicklung in seiner Stellungnahme relativ wenig Kritikfähigkeit gezeigt hat. Man sicherte aber lapidar zu, die Empfehlungen größtenteils einmal zu evaluieren, unter dem Motto „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Ich möchte Sie jetzt nicht über Gebühr mit diesem Thema noch einmal konfrontieren, aber einige Kritikpunkte, die auch im Detail so in dem Rechnungshofbericht drinnenstehen, möchte ich Ihnen doch noch einmal vor Augen führen, weil - ich erinnere an meine Budgetrede - hier fehlende Spielräume vertan wurden, mutwillig vertan wurden, und das werde ich Ihnen jetzt gleich vor Augen führen.
So heißt es beispielsweise: „Die Stadt Wien erarbeitete in regelmäßigen Finanzmanagementsitzungen kurzfristig strategische Vorgaben für das Schulden- und Veranlagungsmanagement, eine mittel- oder langfristige Strategie lag jedoch zu keiner Zeit vor.“ - Das muss man sickern lassen. Oder: „Trotz des hohen Finanzierungsvolumens unter teilweise komplexer Vertragsgestaltung war vor dem Abschluss von Finanzgeschäften keine juristische Vertragsprüfung vorgesehen.“
Meine Damen und Herren, da werden Milliarden in Fremdwährungskrediten aufgenommen und - ich sage es jetzt ein bisschen lapidar - kein Jurist schaut drüber? Ist das wirklich das Finanzmanagement, mit dem wir in dieser Stadt konfrontiert sind? - Ganz offensichtlich!
Noch so ein Schmankerl aus dem Rechnungshofbericht - und ich zitiere wörtlich -: „Die MA 5 konnte bei den vom Rechnungshof überprüften Geschäftsfällen nicht mehr belegen, welche Personen zum Zeitpunkt der Durchführung und Freigabe von Zahlungen über Zahlungsberechtigungen verfügten und welche Personen die einzelnen Zahlungen freigegeben hatten.“ - Damit war es dem Rechnungshof nicht möglich, die Umsetzung des Vier-Augen-Prinzips bei den Zahlungen und die Übereinstimmung mit den jeweils gegebenen Zahlungsberechtigungen zu überprüfen. Auch etwas, das man wirklich einmal sickern lassen muss, wenn man weiß, um welche Beträge es sich da gehandelt hat.
Oder, um noch ein letztes Beispiel zu nennen: „Die Stadt Wien setzte zudem keine Maßnahmen zur Risikoreduktion und konkretisierte ihre Fremdwährungsstrategie erst“ - Sie erinnern sich, die Krise begann 2008 - „im Jahr 2013.“, meine Damen und Herren.
Ein wörtliches Zitat aus dem Bericht, weil es so schön ist, weil es so beispielgebend ist, sei mir noch erlaubt: „Akten konnten auf Grund von Renovierungsarbeiten im Archiv dem Rechnungshof nicht zur Verfügung gestellt werden.“ - Das ist Wien! Meine Damen und Herren, da braucht es wirklich eine schleunige Änderung in der Politik, in der Finanzpolitik dieser Stadt.
Ich weiß, wir haben über diese Schweizer-Franken-Kredite schon sehr oft gesprochen. Wir haben sie jetzt Gott sei Dank aktuell nicht mehr in der Problemlade drinnen. Lassen Sie mich aber noch ein Thema ansprechen, das mich schon sehr irritiert:
Renate Brauner hat zu ihren aktiven Zeiten immer davon gesprochen, dass die Stadt Wien aus Zinseffekten in dem Zeitraum von 1984 bis 2012, als es eben Fremdwährungskredite gab, eine Ersparnis, wie sie es nannte, von etwas mehr als 700 Millionen EUR erzielen konnte. 700 Millionen EUR - Aussage der damaligen Finanzstadträtin Renate Brauner. Nach Beendigung der Schweizer-Franken-Kredite errechnete die Stadt Wien einen Nettovorteil in der Höhe von 308 Millionen EUR, also nicht einmal mehr die Hälfte. Aber es kommt noch besser: Da die Stadt Wien dem Rechnungshof die Berechnungen zur Inflationsbereinigung nicht darlegte und auch keine Auskünfte über die bisher insgesamt realisierten Kursverluste und -gewinne aus bereits erfolgten Schweizer-Franken-Tilgungen erteilte, konnte der Rechnungshof in seinem gegenständlichen Bericht keine
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