Gemeinderat, 3. Sitzung vom 16.12.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 101
vielleicht bei Gericht, bei allen anderen Behörden gibt es sie nicht. Das heißt: Ihre Aussage, dass das etwas ganz Normales ist, was es bei allen Behörden gibt, ist schlichtweg falsch.
Außerdem haben Sie dann auch noch gesagt, dass Sie erstaunt darüber waren, dass die FPÖ jetzt bei diesem Tagesordnungspunkt über Migranten spricht. - Es geht nun einmal um aggressives Verhalten von KundInnen - wahrscheinlich sind es diesfalls in den meisten Fällen Kunden, da müsste man überhaupt nicht gendern - und um Distanzverletzungen sowie heftige Wutausbrüche. - Ja. Bei der MA 35, wo es um das Staatsbürgerschaftswesen geht, sind nun einmal Migrantinnen und Migranten - unter Anführungszeichen - Kunden. Daher brauchen Sie nicht überrascht zu sein, sondern das ist Tatsache. Und es ist, wie gesagt, eine Ausnahme, dass es diesfalls bei Behörden einen Sicherheitsdienst geben soll. Deswegen sollten Sie hier nicht falsche Dinge verbreiten, sondern sich an die Tatsachen halten.
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Aslan, und ich erteile es ihr. Bitte, Frau Gemeinderätin.
GRin Mag. Aygül Berivan Aslan (GRÜNE): Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bevor ich mit dem eigentlichen Thema beginne, möchte auch ich zu den Sicherheitsvorkehrungen bei der MA 35 etwas sagen: Es ist genau so gekommen, wie wir befürchtet haben, nämlich dass dieser Antrag leider von rechten Kreisen massiv missbraucht werden wird, um auch populistische Diskussionen zu führen. Wie wir auch aus der Berichtigung gehört haben, wird einfach eine Gruppe von Menschen als aggressiv und als gefährlich dargestellt. Die FPÖ hat anscheinend die Begründung der Grünen nicht verstanden, daher probiere ich, das Ganze nochmals in drei Punkten zusammenzufassen.
Ja. Wir stimmen dem Antrag erstens nicht zu, denn wir wollen nicht, dass in der Außenwirkung eine Gruppe von Kundschaft als aggressiv und gefährlich dargestellt wird. Wenn Sie das Ganze damit begründen, dass ja auch in Bankfilialen Sicherheitspersonal vorhanden ist, dann sage ich: Da muss man differenzieren. Die Bankkundschaft wird nämlich nicht wie Menschen mit Migrationsbiographie diskriminiert, sie unterliegt keiner Diskriminierung in diesem Sinne. Insofern meine ich, dieser Vergleich ist ein bisschen unglücklich formuliert.
Zweitens kann es nicht sein, dass man auf Grund eines Falles, und zwar auf Grund des tragischen Falles in Dornbirn, mit einem derartigen Antrag die gesamte Kundschaft einer Einbürgerungsbehörde kriminalisiert.
Drittens: Natürlich ist es wichtig, auch die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beachten. Wenn man jedoch Geld in diesen Bereich investieren will, dann würden wir es im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für viel sinnvoller erachten, wenn man dieses Geld in Deeskalationsschulungen beziehungsweise Workshops investieren würde.
So. Jetzt beginne ich mit meiner ursprünglichen Thematik: Wir sollten in einer Demokratie eine Migrations- und Integrationspolitik ablehnen, die soziale und politische Rechte danach vergibt, ob Menschen für das Kapital als nützlich oder als unnütz gelten. Vielmehr soll es unser Ziel sein, die soziale und politische Teilhabe für alle in Wien lebenden Menschen zu erreichen. Für dieses Ziel ... (Zwischenruf.) Zuhören ist eine schwierige Kultur, Herr Kollege! Für dieses Ziel brauchen wir ein ausreichendes Förderbudget, denn wenn kein Geld fließt, kann logischerweise auch keine effiziente Arbeit im Bereich der Integrations- und Migrationspolitik geleistet werden. Ausreichendes Förderbudget bedeutet gleichzeitig auch mehr Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt, mehr Teilhabe an der Bildung und mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Gerade in Zeiten der Pandemie brauchen Menschen mit Migrations- und Fluchtbiographie mehr denn je Unterstützung. Die OECD warnt sogar vor einer Integrationskrise, weil gerade Menschen mit Migrationsbiographie von der Pandemie besonders stark betroffen sind. Laut OECD-Experten ist das Infektionsrisiko zwei bis drei Mal so hoch wie bei im Inland Geborenen. Das liegt daran, dass Menschen mit Migrationsbiographie häufiger in engen Wohnverhältnissen und in stärker bewohnten Gegenden leben, mehr Öffis benutzen, weniger Zugang zu Telearbeit haben und auch häufiger in systemrelevanten Berufen arbeiten.
Auch auf dem Arbeitsmarkt haben diese Menschen es sehr schwierig. Die Gründe sind vielen von Ihnen bekannt, von instabilen Arbeitsverhältnissen bis hin zur kürzeren Betriebszugehörigkeit. Die Arbeitslosigkeit ist ein massives Problem für diese Menschen. In wirtschaftlichen Krisenzeiten nimmt nämlich auch die Diskriminierung stärker zu. Das bedeutet auch, dass das Finden eines Jobs schwieriger wird, weil die Netzwerke nicht vorhanden sind, und dann ist es noch schwieriger, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Gerade in einer solchen Zeit hätte man ein ausreichendes Budget zur Verfügung stellen sollen, damit diese Menschen mit Migrationsbiographien und auch Fluchtbiographien nicht noch mehr an den Rand der Gesellschaft gedrückt werden. Es kann nicht sein, dass man sich auf der einen Seite über Integrationsprobleme beschwert, auf der anderen Seite aber wenig im Integrationsbereich und Migrationsbereich investiert. Wie soll das funktionieren? Da passt einfach die Rechnung nicht! Für mich ist das kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt.
Auf der anderen Seite finde ich es enorm wichtig - wie auch die Kollegin von den NEOS gesagt hat -, dass Einrichtungen wie ZARA ausreichend gefördert werden, weil rassistische Angriffe in der Arbeit, auf der Straße oder in der Nachbarschaft leider immer mehr zunehmen, und zwar dank einer ausgrenzenden Politik, die andere als Sündenböcke darstellt. Die Kollegen von der FPÖ fühlen sich gleich angesprochen, wenn ich von Rassismus rede. Wissen Sie, warum wir Einrichtungen wie ZARA brauchen? - Weil auf Grund Ihrer Hetze und Spaltpolitik die Zahl der rassistischen Fälle in den letzten Jahren zugenommen hat.
Sie verbringen unermüdlich jede Sekunde damit, gegen Geflüchtete und Menschen mit Migrationsbiographie zu hetzen, und diese rechte Hetze verlagert sich auf die
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