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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 10.12.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 106

 

Jetzt ist die Priorität, alles dafür zu tun, dass der soziale Zusammenhalt in dieser Stadt auch weiterhin gewährleistet sein kann: durch die Investition in die Wiener Betriebe, in die Wiener Wirtschaft, durch die Sicherung von Arbeitsplätzen, auch durch die Sicherung unseres sehr hohen Bildungsniveaus und die Investition in die Zukunft und vor allem dadurch, als Politik mit einem Solidaritätsbudget 2021 ein solidarisches Handeln zu ermöglichen. Danke schön.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Dipl.-Ing. Margulies. Selbstgewählte Redezeit acht Minuten, jene der Fraktion wären neun Minuten. Ich stelle die neun Minuten ein.

 

12.22.02

GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Von einem Nulldefizit auf 1,8 Milliarden EUR Defizit Gebarungsabgang ist nicht nichts, aber der Situation geschuldet. Insofern sage ich gleich dazu: Kollege Ornig, die Frage, die Sie gestellt haben - Ist es zu viel oder zu wenig? -, ist eine irrsinnig intelligente Frage. Ich kann sie nur beim besten Willen in der jetzigen Situation nicht beantworten, denn niemand weiß, wie sich die Situation in den kommenden Monaten tatsächlich entwickeln wird.

 

Was man aber machen kann, ist, das Regierungsprogramm mit dem Budget abzugleichen und die Aussagen des Herrn Finanzstadtrates und auch sonstige Aussagen bisheriger DiskussionsteilnehmerInnen etwas zu überprüfen. Was merkt man da bei einem angeblichen Fortschrittsbudget, Zukunftsbudget, wo die 1,8 Milliarden EUR Abgang im Großen und Ganzen daraus resultieren, dass 1 Milliarde EUR an Einnahmen fehlt, aber 800 Millionen EUR mehr ausgegeben werden?

 

Man kann sich schon ein bisschen anschauen, wie die Schwerpunktsetzung ist. Selbstverständlich, es ist eine Schwerpunktsetzung in Richtung Gesundheitsarbeitsplätze, et cetera, alles wichtig, aber ein paar Sachen sollte man nicht vergessen. Da gibt es zum Beispiel einmal den Bereich Frauenpolitik. Ein Fortschrittsbudget, wo 800 Millionen EUR mehr ausgegeben werden und das Frauenbudget wird gekürzt: Sorry, liebe neue Koalition, das ist armselig. Das ist wirklich armselig und das ist bedauerlich.

 

Der Herr Finanzstadtrat stellt sich hin und lobt das höchste Kulturbudget aller Zeiten, das nicht einmal eine Inflationsabgeltung erhält. Wir wissen, der Kulturbereich ist einer der gebeuteltsten der gesamten Krise, und im Regierungsprogramm stehen Fair Pay und ein neues ZOOM und ein neuer Dschungel, und, und, und. Wie soll denn das finanziert werden, wenn es nicht im Budget steht, nicht einmal annähernd im Budget steht? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, das ist sehr traurig.

 

Und dann stellt sich der Herr Finanzstadtrat hin und sagt: Wir haben aber so ein super Advisory Board, den Vienna Economic Council. Da sitzen momentan 18 Personen drinnen, Altersdurchschnitt über 50. 18 Personen - wie hoch ist der Anteil an Frauen? Ist er 50 Prozent, wie man erwarten könnte, wenn SPÖ und NEOS das aufstellen? (Zwischenrufe.) Ja, das war unser Kritikpunkt daran, das weißt du ganz genau. Ist er 40 Prozent? - Nein. Ist er 30 Prozent? - Nein. Ist er 20 Prozent? Der Frauenanteil im Vienna Economic Council, das war immer ein Kritikpunkt - du weißt das, lieber Joe Taucher -, beträgt 11 Prozent. 11 Prozent Frauenanteil und Durchschnittsalter über 50. Sorry, es tut mir leid, das ist nicht das wirtschaftliche Beratungsgremium in einer Zusammensetzung, das ich mir wünsche, wenn es um die Zukunft Wiens geht.

 

Ich würde aber gerne auch noch einen Punkt aufgreifen, den meine Vorrednerin, Kollegin Novak, erwähnt hat - Mindestsicherung -, weil sich auch hier zeigt, wie unterschiedlich Prioritäten manchmal wahrgenommen werden. Ja, ich lese auch gegenüber dem Voranschlag 2020 eine Erhöhung um 40 Millionen auf 700 Millionen EUR im Bereich der Mindestsicherung. Ich bin überzeugt davon, das wird nicht ausreichen.

 

Ich glaube auch, dass wenn man sich österreichweit, nicht nur in Wien, die Corona-Hilfen ansieht, dass man denjenigen Menschen, die in Armut leben, etwas mehr geben muss und nicht auf dem Stand der Dinge verharrt. Und weil dann immer kommt, es gäbe nichts: Werte KollegInnen hier im Saal - das ist jetzt nicht nur Wien, sondern das betrifft die Ausgaben während der Corona-Krise österreichweit -: Wir haben zum Schutz von Arbeitsplätzen bis hin zur Rettung von Vermögen auch der reichsten Österreicherinnen und Österreicher, in den letzten Monaten österreichweit mehr Geld ausgegeben als im Bereich der Sozialhilfe und der Mindestsicherung seit dem Zweiten Weltkrieg.

 

Am Geld kann es also nicht liegen, wenn es darum geht, den ärmsten Mitbürgerinnen und Mitbürgern in dieser Stadt und in diesem Land unter die Arme zu greifen. Da würde ich mir tatsächlich eine andere Schwerpunktsetzung wünschen, von allen Parteien außer den GRÜNEN, denn für uns steht die Armutsbekämpfung tatsächlich immer im Mittelpunkt und im Zentrum unserer Politik.

 

Ich erlaube mir, in den letzten drei Minuten aber noch zu einer globaleren Frage zurückzukommen, weil das auch angesprochen wurde und weil ich bis jetzt, ich gestehe - auf Bundesebene, aber auch in Wien -, nicht den Weg erkenne, wie es denn nach der Pandemie eigentlich weitergeht. StRin Pühringer hat diese Frage schon aufgeworfen.

 

Wir werden am Ende der Pandemie, wenn ich mir den mittelfristigen Finanzplan anschaue, bei einem Schuldenstand von 12, 13, 14 Milliarden EUR liegen. Wir werden auf Bundesebene einen Schuldenstand von 300 Milliarden EUR haben. Ich habe das Gefühl, vor allem die ÖVP, die auch Anträge diesbezüglich einbringt, will sogar die Einnahmen des Staates noch reduzieren, übrigens genau jene Einnahmen, die jetzt verwendet werden, um die Menschen in der Krise bestmöglich zu unterstützen und zu retten.

 

Wohin aber soll es denn überhaupt gehen? Können Sie sich wirklich vorstellen, dass es ein Zurück gibt, ein Zurück immer wieder zu Vorkrisenzeiten, wo Sie doch selbst in Ihrer eigenen Erinnerung wissen müssten: Nach jeder Krise in den letzten Jahrzehnten blieb die Sockel

 

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