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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 25.06.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 90 von 103

 

GR Jörg Neumayer, MA (SPÖ)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Herr Vorsitzender!

 

Auch oder gerade in der Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft sieht man unsere intensive Arbeit an der Digitalisierungshauptstadt Europas. Wir investieren in das größte digitale Archiv des Landes, und wir liefern auch die richtigen Werte dazu, nämlich den digitalen Humanismus. Und weil wir am Ende des Tages auch noch Menschen sind, wollen wir uns natürlich in echt, im realen Leben auch mit Geschichte, Kunst und Kultur auseinandersetzen, konfrontieren, und darum werde ich auch noch kurz auf das stolze Wien Museum eingehen.

 

Wir erhalten Geschichte der Stadt, und wir machen sie allen Wienerinnen und Wienern zugänglich, und das im digitalen Raum. Das ist eine Grundlagenarbeit, von der wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zehren werden. Aber heute schon wird dieses Angebot genutzt. Die Wienbibliothek im Rathaus umfasst mittlerweile über 1,4 Millionen Bücher, Materialien, Verwaltungsliteratur, Plakate, Flyer im Digitalen, über 100 Unikate, wertvolle Bücher, unter anderem auch Handschriften, etwa Originalhandschriften von Nestroy, Korrespondenzen bekannter Persönlichkeiten wie von Johann Strauß Sohn oder Franz Schubert. Die 1,400.000 Exemplare wurden im Jahr 2018 - wo wir den Rechnungsabschluss heute diskutieren - von 300.000 BesucherInnen aufgerufen und rezipiert. 300.000 BesucherInnen, das entspricht zirka der Stadt Graz, also der zweitgrößten Stadt unseres Landes. Überzeugen sie sich selbst, besuchen Sie die Website „www.digital.wienbibliothek.at“ und nutzen Sie die Angebote!

 

Eine andere Erfolgsgeschichte im digitalen Raum ist das Wien Geschichte Wiki. In nur 4 Jahren sind bereits 40.000 Beiträge entstanden, über 10.000 Bilder wurden mittlerweile gesammelt. Im Jahr 2018 gab es 3,9 Millionen Besucherinnen und Besucher. Ein Special dabei war 100 Jahre Republik.

 

Um solche nunmehr digitale Bestände aufzubauen, zu pflegen und historische Quellen zu erwerben, braucht es auch ein bisschen mehr, nämlich das Erfassen, das Digitalisieren an sich und auch die IKT-Infrastruktur. Im Jahr 2018 ist unserer Stadt oder vor allem den Kolleginnen und Kollegen der MA 7 noch etwas gelungen: Im Rahmen der europäischen DSGVO, also der Datenschutz-Grundverordnung, gab es etwas Bahnbrechendes, nämlich das Recht auf Vergessenwerden. Großartig, ich habe mich gefreut, und großartig, ich unterstütze es bis heute. Aber um archivieren zu können, um bewahren zu können, hat unsere Stadt sich intensiv dafür eingesetzt, auch das Recht auf Erinnerung einzubringen.

 

Das Recht auf Erinnerung ist mittlerweile im Wiener Archivgesetz niedergeschrieben und passt. Es passt soweit, dass wir die Informationen bewahren können, die wir brauchen, die Informationen, die die Wienerinnen und Wiener mittel- und langfristig interessieren. Kleinigkeiten um ein paar Tausend Euro oder um zig Tausende Euro wurden dann auch noch angeschafft, nämlich so etwas wie Großformatscanner. Warum erwähne ich das jetzt? Gerade wenn es um Archivierung geht, kann sich meistens niemand vorstellen, was man wirklich dafür braucht. Um große Planbestände zu archivieren, nämlich zu digitalisieren, braucht es auch große Gerätschaften.

 

Auch das Filmarchiv der media wien hat im letzten Jahr, nämlich 2018, einen großen Bestand an Videomaterial digitalisiert, nämlich 100 Jahre Videomaterial, das sind 700 historische Filmdokumente. Für diese massiven Anstrengungen, die über mehrere Magistratsabteilungen, nämlich MA 7, MA 8 und MA 9, gelaufen sind, haben wir rund 400.000 EUR investiert, investiert in die Zukunft. Dieses größte digitale Archiv des Landes wächst nun geordnet weiter, dient interessierten Wienerinnen und Wienern und dient vor allem auch der Wissenschaft und der Forschung, heute, aber auch morgen.

 

Ich habe vorhin gesagt, Wien hat auch die richtigen Werte dabei. Wir arbeiten intensiv an der Digitalisierungshauptstadt, und wir meinen, dass es dafür humanistische Werte braucht. In Wien haben wir für den digitalen Humanismus bereits den Grundstein gelegt, sodass in allen unseren Bemühungen und Entscheidungen der Mensch im Mittelpunkt zu stehen hat, und dass alle technologischen Lösungen den Menschen dienen und sich am Menschen orientieren müssen. Warum sage ich das so explizit? Wir haben auf der einen Seite im Westen die USA, wo die persönliche Gewinnmaximierung immer wieder im Fokus der Digitalisierung steht. Auf der anderen Seite haben wir im Osten, primär in China, sehr häufig die kollektive Kontrolle im Fokus der Digitalisierung. Wien beziehungsweise Europa muss sich da klar distanzieren und muss den Weg beschreiten, Verantwortung zu übernehmen in einer Digitalisierung, in einem freien und solidarischen Europa. Genau dann wird der Weg der Digitalisierung fortschrittlich sein und dann wird er den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt und unserem Kontinent dienen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ich glaube sogar, dass die Rolle Wiens hier eine ganz besondere sein wird. Ich glaube sogar, dass die Rolle Wiens, so wie wir derzeit unterwegs sind, in der Frage des digitalen Humanismus die Rolle eines Leuchtturms für einen ganzen Kontinent sein kann. Das heißt aber auch, dass wir unsere Anstrengungen, die Computerwissenschaften, die Geisteswissenschaften, die Sozial- und Kulturwissenschaften noch mehr verzahnen, noch mehr interdisziplinär arbeiten lassen und uns noch mehr europaweit vernetzen müssen.

 

Dieser Werterahmen, der einem kulturellen und wissenschaftlichen Diskurs entspringt, ist letzten Endes auch Grundlage für die brennenden Fragen unserer Zeit. Und auf einmal wird Wissenschaft greifbar. Wie sehen faire Geschäftsmodelle in einer digitalen Welt aus? Wie sieht das Lernen der Zukunft aus? Welche neuen Arbeitsplätze können geschaffen werden? Welche Arbeitsplätze verlieren wir? Und wie helfen wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern genau bei dieser Entwicklung? Wie steht es um die Bürgerrechte und Datenschutz, Privacy, Safety und Security? Was machen wir mit dem Urheber- und Verwertungsrecht? Wo entscheidet der Mensch und wo entscheidet die Maschine?

 

Unser Bürgermeister, unsere Stadträtin und auch der Wirtschafts- und Digitalisierungsstadtrat haben hier einen

 

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