Gemeinderat, 53. Sitzung vom 25.06.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 103
deutschen Städten beim Thema Wohnen nach Wien schaut, also das Wiener Modell. Ich kann mich erinnern, ich war sogar bei den deutschen GRÜNEN bei einem Grundsatzkonvent, wo das Parteiprogramm neu erarbeitet wurde, eingeladen, um über das Wiener Modell zu berichten, weil das dort sogar in die Parteiprogramme Einzug findet. Wenn man sich jetzt überlegt: Was sind die zwei großen Punkte, die dieses Wiener Modell überhaupt fliegend machen, dass es so gut funktioniert? Dann ist das zum einen, und das ist mir jetzt an dieser Stelle nach meinem Vorredner wichtig zu betonen, dass Wien diesen großen, großen historischen Fehler nie gemacht hat, gemeindeeigene Wohnungen abzuverkaufen! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Und wenn jetzt dann, dieser Sidestep sei mir erlaubt, der Kollege von der ÖVP hier steht und darüber spricht, wie wichtig denn, also es ist ja ein bissel paradox, zum einen sagt, ja, Gemeindewohnungen und wie wichtig und der Zugang, dann soll man sich schon überlegen, wer denn die Parteien sind, die noch vor einigen Jahren gefordert haben oder es selber in der Bundesregierung gemacht haben, dass Wohnungen in der öffentlichen Hand einfach verkauft werden! Das soll man sich schon einmal wieder in Erinnerung rufen. Und dann soll man sich auch in Erinnerung rufen, welche Anträge man jetzt gerade hier einbringt. Ob man eine Politik verfolgen will, die sagt, nein, wir wollen nicht die Privatisierung von Wohnungen, sondern wir wollen Wohnungspolitik als das begreifen, was sie aus meiner Sicht ist, nämlich dass Wohnen nicht ein handelbares Gut ist wie jedes andere, sondern dass Wohnen ein Grundbedürfnis ist, das man einfach nicht nach den Regeln des komplett freien unregulierten Marktes managen kann, sondern wo es eine starke öffentliche Hand braucht, die dafür sorgt, dass allen, unabhängig von ihrem Einkommen, dieses Grundbedürfnis auch befriedigt wird. Das ist die zweite Stärke aus meiner Sicht dieses Wiener Modells, wenn man so will, dass wir den Fuß in der Türe haben. Ich kann mich erinnern, ich bin vor zwei Monaten mit einigen Stadtpolitikern in München bei der Architektenkammer eingeladen gewesen, und es war tatsächlich dort die Aussage, sie hätten gerne diese Regelungsinstrumentarien, die wir in Wien haben, egal, ob Wohnfonds oder die neue Flächenwidmungskategorie „Geförderter Wohnbau“, die Wohnbauförderung, die es so in Deutschland gar nicht gibt. All diese Reglementarien führen dazu, dass der Staat, wenn man so will, die öffentliche Hand einen sehr großen Hebel hat. Und wenn ich jetzt höre, verstärkt Eigentum fördern, dann kann man sich natürlich überlegen, gut, Eigentumswohnung wird gefördert, das ist jetzt vielleicht in dem ersten Fall, wo jemand eine Eigentumswohnung hat, sei es ihm gegönnt, sei es ihr gegönnt, gar nicht so der Unterschied. Die Frage, die sich aber dann schon stellt, ist: Was passiert dann mit dieser Eigentumswohnung irgendwann später, wenn sie vermietet wird? Wenn dann irgendwann einmal das Mietrechtsgesetz greifend wird? Das macht mir schon große Sorgen auch in Wien in diesem Bereich, wo eben der geförderte Wohnbau, und so weiter nicht gilt, sondern wo Wohnungen auf Grund des Mietrechtsgesetzes vermietet werden, die nicht in den Bereich der Mietzinsgrenzen sozusagen fallen. Mir macht das Sorgen, dass dann Wohnungen zu Preisen, vollkommen astronomisch, von 15, 17, 20 EUR am Quadratmeter vermietet werden.
Das kann doch nicht das Ziel sein, dass man die Mittel für den geförderten Wohnbau verstärkt dafür einsetzt, dass Eigentumswohnungen entstehen, die danach in weiterer Folge in dieser Stadt zu vollkommen astronomischen Mieten irgendwie vermietet werden. Das kann überhaupt nicht das Ziel sein. Das Ziel muss sein, und das hat die Frau Stadträtin auch richtig gemacht, gerade den geförderten Wohnbau zu stärken, die Smart-Wohnungen, wo die Nachfrage da ist, auszubauen und dafür zu sorgen, dass jeder in dieser Stadt den Zugang zu leistbaren, bezahlbaren Wohnungen hat, egal, ob das Geldbörsel dick oder nicht dick ist. Das ist ja die Stärke von Wien, dass man an der Adresse der Mieterinnen und der Mieter, der Wohnungsbesitzerinnen und der Wohnungsbesitzer einfach nicht erkennt: Ist das jetzt ein geförderter Wohnbau? Ist das ein freifinanzierter Wohnbau? Weil man in dieser Stadt einfach leben und wohnen kann, gut wohnen kann, unabhängig davon, ob man jetzt von reichen Eltern stammt, ob man etwas geerbt hat oder nicht. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Ich möchte jetzt noch einmal auf die wichtige Bauordnungsnovelle zu sprechen kommen, die letztes Jahr auf den Weg geschickt wurde und über den Jahreswechsel dann zum Beschluss gekommen ist, weil ich wirklich glaube, dass das der logische nächste und wichtige Schritt war. Wenn wir uns anschauen, was sozusagen die Grundthematik ist, im wahrsten Sinne des Wortes Grundthematik, dann ist das natürlich die Entwicklung von Grund und Boden, die alle europäischen Städte beschäftigt. Grund und Boden ist ein begrenzt verfügbares Gut. Vor allem im urbanen Kontext, im städtischen Kontext ist Grund und Boden nicht beliebig vermehrbar. Wenn man jetzt glaubt, irgendwie freie Marktmechanismen würden das regeln, dann landen wir dort, was wir auch schon in Wien gesehen haben, dass natürlich Grundstückskosten in die Höhe schnellen, dass sie explodieren, und dass irgendwann einmal, und da komme ich zu dem Punkt Wohnbaumittel abrufbar, ja oder nein. Wenn es die Grundstückskosten schon alleine nicht mehr darstellbar machen, dass ich geförderten Wohnbau realisiere, dann sind wir irgendwann einmal bei diesem Punkt, dass natürlich die Wohnbauförderung nicht mehr abgeholt werden kann. Umso mehr müssen wir eigentlich alle dafür kämpfen, dass wir Regeln finden wie jene in der neuen Bauordnung, die sagt: Ziel ist zu zwei Drittel geförderter Wohnbau und damit verbunden auch eine Deckelung der Grundkosten. Das heißt, das hören Sie dann wahrscheinlich nicht so gerne, Herr Ulm, dass wir zu zwei Drittel diesen Teil dem freien und spekulativen Markt entziehen. Und dass wir sagen, Grund und Boden ist nicht ein Gut, das wir handeln und der Preis kann dann in die Höhe gehen und der, der halt Glück und viel Geld hat, kann dann kaufen, sondern nein, es gibt Regeln, die einzuhalten sind, unter denen auch geförderter Wohnbau realisierbar ist. Also ja, das ist ein Herausnehmen aus einer vollkommen unregulierten, freien, wild
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular