Gemeinderat, 51. Sitzung vom 30.04.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 37 von 115
nämlich in der Frage, wie lange die Menschen hier dauerhaft angesiedelt sein müssen, um mitbestimmen zu können.
Die zweite Möglichkeit, nämlich auch in Richtung Staatsbürgerschaftsgesetz, ist das Zulassen von Doppelstaatsbürgerschaften. Ich weiß, da sind wir quer durch alle Parteien unterschiedlichster Ansicht, aber ich glaube trotzdem, dass es ein sehr spannender Ansatz ist. In den meisten Ländern, darüber habe ich schon öfter gesprochen, in denen Doppelstaatsbürgerschaften zugelassen sind, ist es nicht zu einem Zusammenbruch des politischen Systems gekommen, sondern ganz im Gegenteil: Die Wahlbeteiligung hat sich erhöht und auch die Beteiligung an anderen demokratischen Mechanismen ist höher geworden. Ich verweise nur auf Belgien zum Beispiel.
Ich gehe davon aus, dass es dem Staat Österreich und der Stadt Wien nicht geschadet hat, dass Frauen mitwählen dürfen, obwohl davor sehr viele Männer in ihren Argumenten dagegen gestimmt haben. Sie haben Frauen sowohl intellektuell als auch emotional für nicht fähig gehalten, wählen zu gehen. Mit ähnlichen Argumenten werden jetzt andere Menschen vom Wahlrecht ausgeschlossen. (GR Armin Blind: Das ist eine ungeheuerliche Behauptung! Ungeheuerlich!) Wir halten das für einen demokratiepolitischen Missstand und würden sehr stark dafür plädieren, dass nicht nur in der Frage der Erweiterung der Selbstbestimmung für Frauen und Minderheiten das Wahlrecht demokratisiert wird, und Menschen, die in Wien leben, auch mitbestimmen können. Das ist eine Frage, die für die Zukunft Wiens aus meiner Sicht durchaus wichtig wäre. Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Matiasek. Ich erteile es ihr.
GRin Veronika Matiasek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich hatte es zuerst anders geplant, muss aber jetzt sofort diesen Ball auffangen. Ich kann die Worte meiner Vorrednerin Frau Kollegin Kickert nicht unwidersprochen stehen lassen. Frau Kollegin! Wir haben mit dem allgemeinen Wahlrecht ein Wahlrechtssystem überwunden, das sich Zensuswahlrecht genannt hat, das abhängig war von den Steuerleistungen den Bürger, das abhängig war natürlich von Grundbesitz. Zu diesem Zeitpunkt hatten übrigens einige wenige Frauen auch das Wahlrecht, das ihnen später wieder genommen wurde. Aus unserer Sicht ist diese Überlegung, ein Wahlrecht an eine Steuerleistung zu binden, wirklich etwas absurd. (GRin Dr. Jennifer Kickert: Unrecht!) Sie haben die Steuerleistung und den Wohnsitz ganz voran gestellt. (Beifall bei der FPÖ.) Also da können wir auf keinen Fall mit. (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und GRÜNEN.)
Das Wahlrecht, über das wir heute sprechen, ist natürlich eng verknüpft mit einem zweiten Punkt, den Sie angesprochen haben, nämlich dem Staatsbürgerschaftsrecht, dem Recht auf Staatsbürgerschaft in einem Land. Sehr geehrte Damen und Herren, selbstverständlich stehen wir ganz klar für ein restriktives Staatsbürgerschaftsrecht. Das ist kein Schleuderartikel. Das alles sind hart umkämpfte, wohl erworbene Rechte, und die kann man nicht einfach verschleudern und nach Gutdünken vergeben, sehr geehrte Damen und Herren! Und wenn es um den Zuzug von außen geht und um die Vergabe und Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, so kann und darf diese nur am Ende eines wohlgelungenen Integrationsprozesses stehen, und damit ist dann auch das Wahlrecht verbunden.
Interessanterweise wollen Sie bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft die finanziellen Mittel reduzieren, für das Wählen soll man jedoch, wenn es nach Ihnen geht, gewisse Steuerleistungen erbringen. (Kopfschütteln bei den GRÜNEN.) - Das haben Sie sinngemäß so gesagt. Da können wir auf keinen Fall mit! Ganz im Gegenteil, das sind Rechte, die auf jeden Fall sehr restriktiv gehandhabt werden müssen, denn da ist sowieso in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Österreich wirklich nicht alles positiv gelaufen. (Beifall bei der FPÖ.)
Ich komme jetzt auf ein paar Vorrednerinnen zu sprechen und darf das eine oder andere ergänzen oder meine persönliche Meinung hinzufügen. Es wurde mehrmals gesagt, es braucht mehr Frauen in den politischen Vertretungen. Darüber würde ich mich auch freuen, gar keine Frage. Aber überlegen Sie einmal ganz genau - es wurden der Gemeinderat und die Bezirksvertretung angesprochen -, wie frauenfreundlich wirklich der politische Alltag ist! Es kann kaum sein, dass wir hier einen absoluten Querschnitt der Frauen in allen Lebenslagen einbinden können. Das ist einfach, so wie Politik läuft, nicht möglich. Es ist genau genommen ein Privileg, dass wir hier als Politikerinnen arbeiten können, ohne dass uns der Alltag davonläuft oder beruflich besondere Sorgen oder negative Entwicklungen da einholen. Das muss man schon einmal ganz deutlich sagen.
Man muss sichʼs schon richten können, um die vielen Stunden Zeit zu finden für die Politik. (GRin Martina Ludwig-Faymann: Die Männer können sichʼs richten!) - Ja, aber wenn sie die Frauen ... (Neuerlicher Zwischenruf von GRin Martina Ludwig-Faymann.) - Weil es die Frauen zum Teil auch nicht wollen. Es ist ja Recht jedes Einzelnen, zu entscheiden, ob er diesen Weg geht oder nicht. Aber ich muss es mir richten können, um diese vielen Stunden Zeit zu haben für die Sitzungen. Gerade in den Bezirksvertretungen ist es, wenn man bedenkt, wann diverse Kommissionen oder Ausschüsse tagen, oft ein zerrissener Tag (GRin Martina Ludwig-Faymann: Das nennt man Vereinbarkeit!), und das ist ganz einfach für Frauen oft nicht möglich - auch für viele Männer, das muss man schon dazusagen.
Da muss man schon einer Berufsgruppe angehören, wo man es leicht in seinen Alltag integrieren kann. (GRin Martina Ludwig-Faymann: So gehtʼs der Krankenschwester und den Ärzten auch!) Also da könnten wir uns vielleicht schon noch darüber unterhalten, ob man das eine oder andere teilweise in den 60er Jahren Steckengebliebene an der Politik so ändern könnte, dass eine größere Gruppe an Bürgern leicht eingebunden werden kann, ohne dadurch erhebliche Nachteile zu haben. Damit meine ich nicht nur materielle Nachteile,
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