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Gemeinderat, 51. Sitzung vom 30.04.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 115

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Emmerling. Ich erteile es ihr. - Bitte, Frau Gemeinderätin.

 

10.50.02

GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc (NEOS)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ja, ich glaube, die Klimadebatte ist jetzt schlussendlich auch im Wiener Gemeinderat angekommen, wenn auch in sehr verschiedenen und unterschiedlichsten Ausprägungen - es waren teilweise ganz unqualifizierte Aussagen, die ich hier gehört habe. Ich habe mir in Vorbereitung auf heute auch den Klimastatusbericht 2018 angeschaut. Darin geht es hauptsächlich um die Landwirtschaft, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft und die extreme Dürre, die uns begleitet. Wenn wir uns die Schlagzeilen der letzten Jahre und vor allem des letzten Sommers anschauen - „Rekordschäden durch Hitze und Dürre in Österreich“, „Sommerhitze kostete in Österreich 766 Menschen das Leben“, „Trockenheit für Alpenbauern existenzbedrohend“ -, dann ist das wohl etwas, angesichts dessen wir uns darüber klar sein müssen, dass wir in Wahrheit unsere Lebensgrundlage in Österreich, aber auch auf der ganzen Welt Stück für Stück verlieren. (Beifall bei den NEOS sowie von GRin Birgit Hebein und GR Mag. Rüdiger Maresch.)

 

Die Diskussion über den Klimawandel kommt zu spät in der Politik an, keine Frage, aber ich bin auch froh, dass auch die nächste Generation dieses Thema erkannt hat und junge Menschen mittlerweile auf die Straße gehen. Und während sich die einen überlegen, ob sie einer Greta Thunberg den Friedensnobelpreis dafür geben, kritisieren die anderen subtil das Schuleschwänzen. Ja, ich glaube, da sind wir wieder bei der Ideologie und bei der Frage, worum es in dieser Debatte geht, und ich hoffe auch, dass wir jetzt trotz allem auf Grund dieser Diskussionen zu einem gemeinsamen Handeln kommen. (Beifall bei den NEOS und von GR Mag. Rüdiger Maresch.)

 

Wie schon gesagt, Hitze, Trockenheit, die Dürre, diese Auswirkungen sind laut diesem Klimastatusbericht fatal. Wir haben Schädlinge, die in Österreich wieder vorkommen, sich hier wieder heimisch fühlen, unsere Landwirtschaft bedrohen, die auf Grund der warmen Temperaturen wieder da sind. Wir werden es wahrscheinlich heuer erstmals nicht schaffen, in Österreich die eigene Bevölkerung mit dem eigenen Gemüse zu versorgen. Ich weiß schon, es ist vieles nicht im Kompetenzbereich der Stadt Wien, sondern auf anderen Ebenen auf den Weg zu bringen - auf europäischer Ebene, auf Bundesebene, keine Frage -, aber wir kommen vor allem auf nationaler Ebene in Österreich wenig voran. (Beifall bei den NEOS.)

 

Wenn wir uns die aktuellen Zahlen zu den CO2-Emissionen in Österreich anschauen, dann müssen wir sagen, dass wir hier in die komplett falsche Richtung gehen. In Wahrheit reagieren wir in dieser Frage mit vielen kleinen Maßnahmen vollkommen unqualifiziert und vollkommen rückschrittlich - Stichwort Tempoerhöhung auf Autobahnen, Stichwort Zersiedelung. Darauf möchte ich auch noch eingehen, denn wenn wir von der Landwirtschaft sprechen, dann sind die Zersiedelung und die Versiegelung unserer Böden ganz aktuelle Themen. In Österreich wurden in den letzten 2 Jahren und werden noch immer tagtäglich 12,9 Hektar versiegelt. Das sind 20 Fußballfelder pro Tag! Wir bauen noch immer Einkaufszentren auf die grüne Wiese, Einfamilienhaussiedlungen auf die grüne Wiese, müssen diese natürlich mit hochrangigen Verkehrsflächen erschließen, das bringt weitere Zersiedelung, das bringt Staus, das bringt Umweltkosten, Klimakosten für die Bevölkerung, und in Summe ist das eine Entwicklung, die unseren Klimazielen vollkommen entgegenläuft. (Beifall bei den NEOS.)

 

Und wir versiegeln ja nicht deshalb so viel, weil wir ein so hohes Bevölkerungswachstum haben, denn wenn wir uns das anschauen, dann sehen wir, dass diese zwei Bereiche vollkommen entkoppelt sind. Im Zeitraum 2001 bis 2017 ist die Bevölkerung um 10 Prozent gewachsen, aber die versiegelte Fläche hat um 25 Prozent zugenommen! Und dieser Bodenfraß in Österreich geht unaufhaltsam weiter.

 

Schuld daran ist eine vollkommen unvernünftige Raumordnungspolitik, die wir in Österreich haben. Da braucht es dringend ein neues Bewusstsein dafür, wie wir mit unserem Grund und Boden in Österreich, aber natürlich auch in Wien umgehen, denn Wien kann natürlich einiges machen. Ich begrüße jegliche Maßnahmen, vor allem im Bereich der Klimawandelanpassung - denn das ist der Kompetenzbereich der Stadt Wien -, keine Frage, aber in Wahrheit ist es auch ein Tropfen auf dem heißen Asphalt, wie man so schön sagen kann. Die Wanderbäume, die Sie aufstellen, sind gut, und ich finde es okay, das zu tun, aber die Dürre werden wir damit nicht aufhalten können. Sie können sich vielleicht an die Satellitenbilder letztes Jahr erinnern, wie Europa von oben ausgeschaut hat: Eine braune Steppe, die wir da gesehen haben. Und das wird weiter so gehen. Das wird nächstes Jahr so sein, das wird übernächstes Jahr so sein, die Dürre wird schlimmer werden.

 

Wenn wir jetzt 50 Prozent Grünland haben, dann heißt das nicht, dass das so bleiben wird - denn es wird nicht so bleiben: Es geht der Grundwasserspiegel zurück, der Prater trocknet aus, und ich bezweifle, dass auch hier in Wien das Notwendigste gemacht wird, um dem entgegenzuwirken. Wenn wir uns Stadtentwicklungsgebiete anschauen, wo auch im großen Stil versiegelt wird, wo zu wenig Grünraum erhalten bleibt, wo wir landwirtschaftliche Produktionsflächen - Stichwort: Simmeringer Gärtner - zurückdrängen, wo wir landwirtschaftliche Flächen wie zum Beispiel in Inzersdorf in Betriebsgebiete umwidmen, dann ist es auch im Bereich der Kompetenz der Stadt Wien, hier mehr zu tun. Ein bisschen Fassadenbegrünungen, ein bisschen Rasengleise, das wird einfach nicht reichen. (Beifall bei den NEOS.)

 

Wenn wir unsere Lebensgrundlage in Österreich und in Wien erhalten wollen, dann brauchen wir die großen Würfe, dann müssen wir größere Brötchen backen als diese kleinen Maßnahmen, die wir natürlich auch begrüßen, aber dafür braucht es die großen Würfe in der Klimapolitik. Ein Klimabudget für Wien wäre ein Anfang.

 

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