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Gemeinderat, 51. Sitzung vom 30.04.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 3 von 115

 

(Beginn um 9.02 Uhr.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren, recht herzlich willkommen zur 51. Sitzung des Wiener Gemeinderates!

 

Die Sitzung des Gemeinderates ist eröffnet.

 

09.03.00Entschuldigt sind GR Mag. Hobek, GR Hursky, beide sind erkrankt, GR Kubik, GR Unger, beide sind dienstlich verhindert. Temporär entschuldigt sind GR Dr. Aigner von 14 bis 17.30 Uhr, GRin Mag. Emmerling von 17.45 bis 21 Uhr, GR Kohlbauer ab 16 Uhr, GR Ornig von 18 bis 21 Uhr, GR Mag. Dr. Wansch bis 14.30 Uhr, GR Wiederkehr von 12 bis 14 Uhr.

 

09.03.44Wir kommen nun zur Fragestunde.

 

9.04.00†Bgm Dr. Michael Ludwig - Frage|

Die 1. Anfrage (FSP-358617-2019-KVP/GM) wurde von Frau GRin Dipl.-Ing. Olischar gestellt und ist an den Herrn Bürgermeister gerichtet. Bei dieser Anfrage geht es um die Kunstinstallation am Rathausturm und 100 Jahre Rotes Wien. (Die Kunstinstallation am Rathausturm, welche u.a. mit dem Jubiläum 100 Jahre Rotes Wien beworben wurde, Gratisführungen in städtischen Gebäuden und eine Homepage der Stadt Wien unter dem Motto „Wunderbar noch 100 Jahr!“: Welche weiteren Aktionen rund um die SPÖ-100-Jahre-Rotes-Wien-Feiern werden noch vom Wiener Steuerzahler bezahlt?)

 

Bitte schön, Herr Bürgermeister.

 

Bgm Dr. Michael Ludwig: Guten Morgen! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Hoher Gemeinderat! Sehr geschätzte Frau Klubvorsitzende Dipl.-Ing. Olischar!

 

Ihre Anfrage gibt mir die Möglichkeit, zu der doch sehr berühmten Zeitepoche des Roten Wien Stellung zu nehmen und sie auch im historischen Zusammenhang entsprechend darzustellen. Der Begriff Rotes Wien behandelt den zeitlichen Abschnitt der urbanen Veränderung im Großraum Wien nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und bezieht sich auf die historische Epoche ab 1919. Der genaue Zeitpunkt ist die erste allgemeine und freie Wahl, die für Männer und erstmals auch für Frauen am 4. Mai 1919 stattgefunden hat und bis zur Beendigung der Demokratie im März 1933 beziehungsweise im Februar 1934 eine sehr umfassende Reformpolitik eingeleitet und durchgeführt hat. Ziel war, eine Kulturalisierung und Hygienisierung der urbanen Bevölkerung zu betreiben und insbesondere die Lebensbedingungen der Wienerinnen und Wiener zu verbessern beziehungsweise alle Lebensbereiche zu demokratisieren.

 

Die finanzielle Basis für diese Reformpolitik hat Finanzstadtrat Hugo Breitner mit einer ganz gezielten Luxussteuer geschaffen, um auch eine gewisse Umverteilung durch Steuerpolitik zu betreiben, und es ist ihm im Jahr 1928 gelungen, die aus den Kriegsjahren übernommenen Schulden abzubauen, Wien schuldenfrei zu machen und damit auch die überlebensnotwendigen Investitionen zu sichern. Man darf nicht vergessen, dass es nach dem Ersten Weltkrieg in Wien verheerende Lebensbedingungen der städtischen Bevölkerung gegeben hat, beispielsweise eine sehr starke Unterversorgung mit Lebensmitteln, eine sehr hohe Säuglings- und Kindersterblichkeitsrate, die Gesundheitsstadtrat Julius Tandler in wenigen Jahren halbiert hat. Er hat insbesondere die damals kursierenden, man kann sagen, großen Seuchen Rachitis und Tuberkulose sehr stark bekämpft. Julius Tandler hat ab 1921 das Wohlfahrtsamt gegründet und auch geleitet und sehr viele auch sozialpolitische Leistungen geschaffen.

 

Im öffentlichen Raum sicher am stärksten präsent ist die Wohnbaupolitik, die ab dem 1. September 1923 mit einem sehr umfassenden Wohnbauprogramm gestartet worden ist und mit mehr als 400 Gemeindebauten und rund 64.000 Wohnungen in etwa 11 Prozent der Wiener Bevölkerung mit hochqualitativen und trotzdem leistbaren Gemeindewohnungen versorgt hat. Das Besondere an der damaligen Wohnbaupolitik war - das ist auch international bis heute anerkannt - nicht nur die Schaffung von individuellem Wohnraum, sondern auch damit verbunden sehr großzügige Grün- und Freiraumanlagen, auch für gemeinsames Begehen der Freizeit.

 

Ich möchte noch einen dritten Reformer ansprechen, nämlich Otto Glöckel, der mit der Pädagogik vom Kinde aus sehr viele Reformschritte in einer modernen Schule gesetzt hat, die den Arbeitsunterricht, den Gesamtunterricht, aber auch die Bodenständigkeit der Ausbildung unterstützt hat, und zwar in der Schule, aber auch im Zuge des lebensbegleitenden Lernens in den verschiedensten Einrichtungen der Erwachsenenbildung.

 

Um jetzt Ihre Frage, welche Aktivitäten vorgesehen sind, noch etwas umfassender zu beantworten, darf ich darauf verweisen, dass das Wiener Stadt- und Landesarchiv einen Schwerpunkt gesetzt und im Zuge der Wiener Stadtgeschichte Aspekte erarbeitet hat, die auch unter dieser Überschrift zu subsumieren sind. Diese finden Sie auch im „Wien Geschichte Wiki“, der historischen Wissensplattform der Stadt Wien. Da sind auch Originalquellen aufbereitet und digitalisiert und damit auch der Wiener Bevölkerung zugänglich gemacht worden.

 

Zusätzlich zu diesem Themenschwerpunkt im „Wien Geschichte Wiki“ präsentiert das Wiener Stadt- und Landesarchiv seit 4. März des heurigen Jahres bis zum 3. September Originalquellen zum Roten Wien im Foyer des Archivs. Zu den besonders bedeutenden Archivalien gehören die Fotos von Martin Gerlach, dem Fotografen dieser Epoche.

 

Das Rote Wien ist bekanntlich auch eine internationale Marke, die mit wissenschaftlichen, kulturellen und insbesondere mit sozialen Errungenschaften assoziiert wird. Aus diesem Grund gibt es eine Ausstellung „100 Jahre Rotes Wien“ im Museum MUSA, das gestern eröffnet worden ist. Es gibt weiters eine Ausstellung von Victor Theodor Slama mit dem Titel „Plakate, Ausstellungen, Masseninszenierungen“ in der Wienbibliothek, die am 25. April eröffnet wurde, sowie die Ausstellung von Bauten und Büchern, das Rote Wien und seine Architekturpublizistik, ebenfalls in der Wienbibliothek. Diese Ausstellung wird am 14. November eröffnet. Überdies wird Ende September 2019 im Rathaus eine thematisch sehr weitreichende wissenschaftliche Retrospektive unter dem Titel „Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nichtwissen“ stattfinden.

 

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