Gemeinderat, 48. Sitzung vom 27.02.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 100
(Beginn um 9 Uhr.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen, und darf die 48. Sitzung des Wiener Gemeinderates nun eröffnen.
Folgende Entschuldigungen wurden bekannt gegeben: Für den ganzen Tag entschuldigt sind Frau Amtsf. StRin Gaál, Herr StR DDr. Schock, die Gemeinderäte Al-Rawi, Auer-Stüger, Novak, Strobl und Weber. Außerdem liegen einige zeitlich beschränkte Verhinderungen vor, die ich jetzt nicht vorlese, sie liegen hier auf.
Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen und die Lautstärke entsprechend der Möglichkeit, der Sitzung zu folgen, anzupassen.
Die 1. Anfrage (FSP-163237-2019-KSP/GM) wurde von Herrn GR Vettermann gestellt und ist an die Frau Amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe für Umwelt und Wiener Stadtwerke gerichtet. (Sehr geehrte Frau Stadträtin, so wie Medienberichten kürzlich zu entnehmen war, soll der Block 3 des Atomkraftwerkes Mochovce bereits im Sommer 2019 in Betrieb gehen. Welche Maßnahmen und Schritte wird die Stadt Wien als engagierte und erfolgreiche Kämpferin gegen Atomenergie gegen diese Inbetriebnahme unternehmen?)
Ich bitte Sie um Beantwortung.
Amtsf. StRin Mag. Ulli Sima: Meine sehr geehrten Damen und Herren, einen schönen guten Morgen von meiner Seite!
Die an mich gerichtete Frage beschäftigt sich mit einem sehr, sehr dringenden Thema, nämlich dem Atomkraftwerk Mochovce, wo zur Zeit - und das ist, glaube ich, wirklich keine Übertreibung - Alarmstufe Rot herrscht. Warum? Die Slowakei will den völlig veralteten Reaktor 3 in Mochovce bereits im Sommer in Betrieb nehmen. Genauer gesagt, Betreiber ist Slovenské elektrárne, und die wollen im Juni das erste Mal tatsächlich am Standort Prellelemente laden.
Nur zur Erinnerung: Mochovce liegt nicht einmal 150 km von Wien entfernt und ist nur 100 km von der österreichischen Grenze weg. Seit 34 Jahren wird an diesem Reaktor gebastelt und gearbeitet - da war unser Herr Bundeskanzler noch nicht einmal geboren, als bereits die Arbeiten an diesem Atomkraftwerk begonnen wurden. Und das ist deswegen entscheidend, weil natürlich ein Bau, an dem so lange gewerkt wird, vermutlich keine guten Ergebnisse mehr bringen kann. Die Bauvorhaben begannen schon im Jahr 1981, der Bau wurde dann 1991 aus Geldmangel eingestellt, und 2008 wurden nach 16 Jahren die Arbeiten an den Blöcken 3 und 4 wieder begonnen.
Sie erinnern sich möglicherweise daran, ich war 2009 mit einer Delegation vor Ort. Das Interessante war, dass wir damals dort ein Film- und Fotoverbot bekommen haben, ganz streng, wir sind sogar kontrolliert worden beim Eingang, ob wir nicht irgendwo heimlich ein Handy eingesteckt haben oder irgendeine Kamera eingesteckt haben. Und als wir dann drinnen am Gelände waren, da war dann völlig klar, warum es ein Film- und Fotoverbot gegeben hat: So etwas Vergammeltes wie die Baustelle in Mochovce, die eigentlich noch keine Baustelle war, habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Das war komplett verfallen, das war voller Wasserschäden, halt wie etwas, das man halbfertig baut und dann 16 Jahre einfach den Elementen überlässt. Da war auch teilweise schon technische Einrichtung drinnen, es gab kein Licht, es war alles sehr schlecht beleuchtet, man hätte dort jederzeit irgendeinen Horrorfilm drehen können, oder einen Science-Fiction-Film, mit dem Titel „The day after“.
Wir waren damals alle wirklich sehr schockiert und haben auch schon versucht, den Weiterbau im Verfahren zu stoppen. Wir haben eine große Einspruchsaktion gemacht und haben allein in Wien 200.000 Einwendungen in das Verfahren eingebracht. Leider hat das nicht wirklich zum gewünschten Ergebnis geführt, nämlich, dass es zu keiner Weiterführung dieses Bauwerks kommt.
Es gibt auch aktuelle Berichte der Umweltschutzorganisation Global 2000, die Kontakte zu einem Whistleblower haben, der quasi aus dem Unternehmen, aus diesem Bauprozess kommt und dort sehr dramatische Mängel auch bestätigt hat. Es geht um einen völlig veralten Sowjetreaktortyp, ein Druckwasserreaktor, und ich glaube, es leuchtet jedem ein, dass es erstens sehr problematisch ist, so ein altes Bauwerk zu reaktivieren. Auf der anderen Seite kommt es natürlich auch zu einem sehr gefährlichen Mix an unterschiedlichen Technologien. Da es die Technologien, die ursprünglich eingebaut und angedacht waren, heute nicht mehr gibt, wird da jetzt quasi quer durch den Gemüsegarten in diesem Bereich improvisiert.
Das Wichtigste für uns als Nachbarstaat ist aber, dass dieser Reaktor kein Containment besitzt. Das Containment ist eine Schutzhülle, die eigentlich über einen Reaktor drüber gestülpt wird. Tschernobyl hatte zum Beispiel auch kein Containment. Das heißt, wenn es dort zu einem Zwischenfall kommt, dann ist natürlich die Auswirkung auf benachbarte Länder und Städte - und Wien wäre eindeutig eine solche benachbarte Stadt - viel massiver, als wenn es ein Containment gibt. Das ist an sich heute State of the Art und das ist auch unsere Forderung in diesem Bereich, denn es kann nicht sein, dass ein Reaktor in Betrieb geht, der nicht dem heutigen Stand der Technik entspricht. Die beziehen sich noch auf eine Baugenehmigung aus dem Jahre Schnee, also aus den späten 80er Jahren. Und aus diesem Grund wird das auch auf den Stand und Status der 80er Jahre fertiggebaut. Das ist für uns inakzeptabel.
Es gibt noch sehr viele andere Mängel. Es gibt keinen Schutz gegen Flugzeugabstürze. Die Versorgung mit Kühlwasser ist nicht sichergestellt, da auch dort durch den Klimawandel die Flüsse sehr oft Niederwasser führen und nicht sichergestellt ist, dass immer genug Wasser vorhanden ist, um tatsächlich auch die Kühlung durchzuführen. Die Erdbebensicherheit ist zumindest massiv fraglich. Es ist nicht klar, wo die radioaktiven Abfälle hinkommen - das gilt allerdings für jedes Atomkraftwerk -, und die dort über Jahrzehnte gelagerten alten Komponenten sind auch nie wirklich daraufhin
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