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Gemeinderat, 39. Sitzung vom 27.06.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 65 von 85

 

Die Frau Schwarz hat den Antragstext ja schon so wunderbar formuliert, ich formuliere ihn noch einmal - darf ich um ein bisschen Ruhe bitten, das ist so irritierend, danke -: „Der Wiener Gemeinderat fordert die österreichische Bundesregierung auf, für die Ausbildungssicherheit für asylwerbende Lehrlinge in Mangelberufen sowie für auszubildende Unternehmen zu sorgen und eine Lösung nach Vorbild der deutschen 3+2-Regelung zu verwirklichen und die Fachkräftezukunft des Wirtschaftsstandortes in Österreich zu sichern.“ Ja, es geht um die Fachkräfte in diesem Land. (VBgm Dominik Nepp, MA: Die Fachkräfte, genau!) - Ja, genau, nichts anderes meint auch dieser Antrag. (VBgm Dominik Nepp, MA: Ja eh!) Stimmen Sie sowohl dem Antrag als auch der Förderung der Subvention an das Jugendcollege zu (VBgm Dominik Nepp, MA: Da kommen die echten Fachkräfte!), im Sinne der Menschlichkeit, im Sinne der Wirtschaftlichkeit, im Sinne der Vernunft, und sorgen Sie wirklich für eine sinnvolle Integrationspolitik statt Ihrer ideologischen, fremdenfeindlichen, desintegrierenden Politik! (GR Mag. Wolfgang Jung: Sie haben uns doch erzählt, da kommen nur Fachkräfte!)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Bekomme ich den Antrag auch? (Allgemeine Heiterkeit. - GRin Mag. Barbara Huemer überreicht dem Vorsitzenden den Antrag.) - Danke. Das ist nicht das erste Mal, dass jemand darauf vergisst. Es sind schon alle Fraktionen betroffen gewesen.

 

Als Nächster ist Herr GR Margulies zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

15.53.06

GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE)|: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

 

Nach knapp zweieinhalb Tagen kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo man bei manchen Reden entweder die Ohren auf Durchzug schaltet, sich furchtbar aufregt oder sich denkt, nein, ich steige in die Diskussion ein. Kollege Aigner, ich steige in die Diskussion ein (Ruf bei der FPÖ: Besser nicht!), weil ich tatsächlich glaube, dass Sie in Ihrer Rede einige Sachen verwechseln. Ob bewusst oder nicht, weiß ich nicht, aber Sie verwechseln vor allem, was ein Unterrichtsprinzip ist und was ein Lehrinhalt ist. Sie reden zum Beispiel vom Prinzip und vom Konzept der Postkolonialität. Dabei stelle ich vorweg ganz grundsätzlich folgende Fragen stelle: Erstens: Was ist daran ideologisch? Und zweitens: An wen richtet sich das? Es richtet sich doch an die Lehrer und Lehrerinnen. Es geht darum, wie sie unterrichten sollen, was sie bei ihrem Unterricht beachten sollen.

 

Mit welchen Schülerinnen und Schülern haben diese Menschen im Jugendcollege zu tun? Die Jugendlichen stammen - ich glaube, es wurde von meiner Kollegin Faika El-Nagashi schon gesagt - hauptsächlich aus Afghanistan, Syrien, Somalia, dem Irak und auch vielen anderen Ländern, wo teilweise bis vor einem halben Jahrhundert Kolonien waren, und zwar meist europäische Kolonien. (GR Mag. Wolfgang Jung: Wann war Afghanistan Kolonie?) Ich habe nicht gesagt, dass alle Länder Kolonien waren. Somalia war Kolonie von, was weiß ich, Frankreich, Großbritannien und Italien. Afghanistan ist zumindest zerrieben worden zwischen den Briten und den Russen. Selbst in der letzten Zeit war Afghanistan zwar keine Kolonie, aber noch vor den Taliban zwischen Russen und Amerikanern nicht Kolonie, aber Sie wissen, was ich meine. (GR Mag. Wolfgang Jung: Das ist ein Unterschied!) Aber der Irak war eine Kolonie und in den afrikanischen Ländern gab es jede Menge Kolonien. Viele Flüchtende stammen aus Ländern, die teilweise noch bis vor 50 Jahren Kolonien waren.

 

Sich damit auseinanderzusetzen, was das bedeutet, welche Ursachen es da gibt und was das in einzelnen Menschen bewirkt, macht gerade im Umgang mit Menschen, die geflüchtet sind, unglaublich viel Sinn und ist nicht etwas, das verwerflich ist. Es ist weder konservativ noch marxistisch, sondern es macht einfach Sinn, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. (Beifall bei den GRÜNEN. - Zwischenruf von StRin Ursula Schweiger-Stenzel.)

 

Nehmen wir das nächste Beispiel: emanzipatorisch. Sie haben selbst darauf aufmerksam gemacht, wie die Situation der Frauen in Saudi-Arabien bis vor Kurzem gewesen ist und wie die Situation von Frauen in manchen muslimischen Ländern ist. (Zwischenruf von VBgm Dominik Nepp, MA.) Na, selbstverständlich sollen genau die Mädchen und die Frauen, die ins Jugendcollege gehen, sich mit Rechten, Möglichkeiten und Perspektiven von Frauen auseinandersetzen! Wenn sie das tun, dann erkennen sie doch viel eher, aus welcher Gesellschaft sie gekommen sind und was für Perspektiven und Möglichkeiten in freien Demokratien gegeben sind! (GR Anton Mahdalik: In Favoriten zum Beispiel!) Was ist daran emanzipatorisch-marxistisch? Was ist daran emanzipatorisch-konservativ? Nichts. Es geht um die Selbstermächtigung von Menschen, die aus einer Gesellschaft der Unterdrückung kommen. Das versuchen wir, im Jugendcollege den Schülerinnen und Schülern mitzugeben, und das sollte Unterrichtsprinzip sein für die Lehrenden, über das Sie sich lustig machen.

 

Ich nehme den dritten und letzten Begriff, den Sie genannt haben: gesellschaftskritisch. Wo ist gestanden gesellschaftskritisch in Bezug auf unsere Situation hier? Gesellschaftskritik als Unterrichtsprinzip bedeutet die kritische Auseinandersetzung mit der Herkunftsgesellschaft, mindestens genauso wie mit unserer Gesellschaft! Das ist doch das, was Sie wollen. Sie wollen doch, dass sich die Menschen kritisch mit ihrer Herkunftsgesellschaft auseinandersetzen. Sie wollen doch in Wirklichkeit auch, dass überall dort, wo eine frauenfeindliche Gesellschaft ist, die sich ändert, überall dort, wo Unterdrückung und nicht Demokratie herrscht, sich das ändert. Genau diese drei Unterrichtsprinzipien sind eigentlich nicht nur für Geflüchtete sinnvoll, sondern gelten selbstverständlich auch als Unterrichtsprinzipien an österreichischen Schulen und werden da auch unterrichtet, das wissen Sie doch genauso gut wie ich. Wir alle miteinander sollten schauen, dass wir unsere Schüler und Schülerinnen zu kritischen Bürgern erziehen und nicht zu Ja-Sagern, die alles abnicken. Wir sollten unsere Schülerinnen und Schüler zur Gleichberechtigung

 

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