Gemeinderat, 38. Sitzung vom 25.06.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 149
Jedes Kind - und das haben wir heute schon öfters gehört -, das in Wien auf die Welt kommt, hat 3.460 EUR an Schulden! Das ist die durchschnittliche Verschuldung pro Kopf, und auch diese ist in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen. Aber wir dürfen nicht jedem Kleinkind einen Schuldenrucksack umhängen, der von Jahr zu Jahr größer wird. Sie machen eine Politik auf Kosten der Kinder, auf Kosten der kommenden Generationen, und das wollen wir nicht! (Beifall bei der ÖVP.)
Rot-Grün erklärt uns ja immer wieder, dass Schulden und Schulden zweierlei seien: Es gibt quasi gute Schulden, es gibt schlechte Schulden, und Wien hätte ja gute Schulden, weil man immer wieder etwas hineininvestiert. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir mit diesem Zugang nichts anfangen können. Schulden sind keine Frage der Wertigkeit, ob gut oder schlecht, Schuldenmachen ist eine Haltungsfrage!
Deswegen sagen wir: Es gibt keine guten und schlechten Schulden, denn irgendwer muss irgendwann diese Schulden wieder zurückzahlen. Ein Bemühen, hier tatsächlich einzulenken, um noch Schlimmeres zu verhindern, sehen wir nicht. Die Wiener „Titanic“ steuert offenen Auges mit knallenden Sektkorken direkt auf den Schuldeneisberg zu und freut sich auch noch, dass die Kollision auf Grund des guten Wellengangs nicht ganz so schlimm ausfallen wird.
Den Vergleich mit anderen Städten haben meine Vorredner auch schon gebracht. Man muss wirklich hinschauen, denn viele Städte haben es geschafft, in den letzten Jahren Schulden abzubauen, und sie werden vor allem bei guter Konjunktur auch weiterhin Schulden abbauen. Das ist genau der Vorwurf, den wir Rot-Grün machen: Wenn wir es nicht einmal schaffen, in Zeiten der Hochkonjunktur Schulden abzubauen, wie soll uns das dann gelingen, wenn sich die konjunkturelle Lage wieder verschlechtert?
Die neue Bundesregierung ist angetreten mit dem Ziel, erstmals in der Zweiten Republik keine neuen Schulden zu machen. Das muss aus meiner Sicht auch der Anspruch einer Wiener Stadtregierung sein. Auch wenn Sie, sehr geehrter Herr Stadtrat, es in Ihrer Rede angedeutet haben: Die Botschaft hör' ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube der Veränderung. Denn wenn Sie „eine maßvolle Neuverschuldung“ sagen, dann schrillen bei mir schon die Alarmglocken, und Sie wollen, wie ich sehe, hier auch einen Fuß in der Tür lassen. Wir wollen keine „guten“ Schulden, sondern wir wollen einen gesunden Haushalt, der effizient, professionell und transparent geführt wird! Dafür steht die ÖVP-Wien. (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Stadtrat! Sie können sich zu Recht darauf berufen, dass Sie erst seit wenigen Wochen im Amt sind. Sie übernehmen ein schweres Erbe: den Schuldenberg der Brauner-Ära. Daher nehmen wir auch Bgm Michael Ludwig in die Ziehung und in die Verantwortung. Er hat sich ja in der Vergangenheit auch immer wieder gerne an Bruno Kreisky gehalten und ihn als sein politisches Vorbild bezeichnet.
Da kennen wir ja alle diesen Satz: „Eine Milliarde Schulden bereitet mir weniger schlaflose Nächte als hunderttausend Arbeitslose.“ In Wien hatten wir 2017 9,4 Milliarden EUR an Schulden, wenn man die ausgelagerten Unternehmen dazunimmt, und mehr als 155.000 Menschen ohne Beschäftigung. Diese Kombination von beiden Dingen bereitet uns schlaflose Nächte, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)
Auf den Punkt gebracht: Schulden schaffen keine Arbeitsplätze, Schulden schaffen keine Jobs, Schulden sind kein Medikament und keine Medizin, sondern Schulden sind Zukunftszerstörer, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zum Abschluss möchte ich zitieren, was Marie Curie einmal gesagt hat: „Ich beschäftige mich nicht mit dem, was getan worden ist. Mich interessiert, was getan werden muss.“ Das ist der Zugang der ÖVP-Wien in den kommenden beiden Tagen und in den nächsten Monaten und Jahren, denn es ist viel zu tun im rot-grünen Wien. Wir sind bereit mitzuarbeiten. Wir stehen für eine notwendige Veränderung, für eine Stadt ohne Schulden, für ein Wien mit schwarzen Zahlen, mit Weitblick für die Zukunft für Wien! Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Kollegin Olischar hat 9 Minuten Redezeit verbraucht. Daher beträgt die selbstgewählte Restredezeit der ÖVP noch 9 Minuten. Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist Herr Dipl.-Ing. Margulies. Selbstgewählte Redezeit sind 12 Minuten, die ich auch einstelle. Sie haben das Wort.
GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE): Ich danke sehr. Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Damen und Herren!
Der Rechnungsabschluss bietet meines Erachtens vor allem eine Möglichkeit: Nämlich darüber zu sprechen, ob es gelingt, dass die Aufgaben, die eine Stadt im Interesse ihrer Menschen erfüllen sollte, gut erfüllt wurden, ja oder nein. Nur um das sollte es meines Erachtens gehen. Und selbstverständlich dann auch, ob die dazu zur Verfügung stehenden Mittel ausgereicht haben, ob man Schulden aufnehmen musste oder ob man sogar etwas zurückzahlen konnte.
Aber Schulden an sich als etwas Verwerfliches darzustellen, ist absurd, würde doch, wenn es tatsächlich so wäre, in der Privatwirtschaft kaum ein Unternehmen sich selbst finanzieren können. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.) Dann wäre es tatsächlich so, dass sich kaum jemand, der sich gern ein Eigenheim oder eine Wohnung kaufen würde, dies leisten könnte, weil die wenigsten Menschen den Kaufpreis einer Wohnung oder eines Eigenheims auf der hohen Kante liegen haben. Also, Schulden sind an sich wertfrei. Es hängt davon ab, was man damit macht.
Aber ein zweiter Punkt, und jetzt greife ich das Beispiel von ÖVP und Freiheitlichen auf, das Beispiel mit dem Rucksack und dem Baby. Wenngleich ich schon sagen muss: Es wäre einmal angenehm, wenn sich die Opposition auf eine Zahl einigen würde. Meine Vorrednerin, Kollegin Olischar, sprach von 3.400 EUR Schulden, der Kollege Nepp sprach von 10.000 EUR Schulden. (VBgm Dominik Nepp, MA: In der Konzernbilanz ...)
Ich beginne jetzt einfach damit: Was hat ein Baby, das in Wien auf die Welt kommt? Vor allem einmal eines:
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