Gemeinderat, 24. Sitzung vom 01.06.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 47 von 96
lichen Rahmenbedingungen von der Objektplanung, also dem eigentlichen Gebäude - und ich zitiere wörtlich von damals: „eine Warnung, die überhört wurde“.
Unserer Ansicht nach hätten die politischen Verantwortlichen vor Auslobung des Wettbewerbs die Pflicht gehabt, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Wettbewerbs Klarheit darüber zu verschaffen, in welchem Rahmen sie gewillt sind, ein Ergebnis mitzutragen. Die Entscheidung zur grundsätzlichen Dimension und Proportionalität und zum Umgang mit bestehenden Verträgen ist hingegen politisch vorab klarzustellen. Und diese Vorabklarstellung, meine Damen und Herren von Rot-Grün, haben Sie bewusst verabsäumt. Das ist der grundsätzliche Fehler und durch nichts zu korrigieren und durch nichts wettzumachen.
Die negativen Auswirkungen sind ebenfalls in diesem Konvolut, dieser Stellungnahme zu den 600 Stellungnahmen, die von Bürgern und Interessierten, und so weiter eingelangt sind, klar und deutlich herauszulesen. Die „eher negativen Auswirkungen“, heißt es hier - bitte, was heißt, eher negativ? - wurden in dem Umweltbericht erwähnt. Das hat aber die rot-grüne Regierungskoalition offenbar nicht davon abgehalten, dem Investor und Projektbetreiber jegliche Unterstützung weiterhin zuzusichern und das Projekt munter voranzutreiben und dessen Realisierung mit Ihrer knappen Mehrheit heute höchstwahrscheinlich unumkehrbar zu machen. Es gab nämlich, wie der Investor selbst sagte, ein Commitment der Stadtregierung ihm gegenüber, und alle Verfahren, das gesamte Procedere wurde diesem Commitment, dieser Verpflichtung gegenüber dem Projektentwickler unterordnet, Welterbe hin, UNESCO-Vertrag her. Das ist der grundlegende Fehler, den Sie von Anfang an begangen haben, und das ist Ihr politischer Sündenfall, den Ihnen niemand verzeihen wird. (Beifall bei der FPÖ.)
Mit dem heute zu erwartenden Beschluss des Flächenwidmungsplans nehmen Sie bewusst den Verlust des Weltkulturerbe-Prädikats für das historische Zentrum in Kauf. Das ganze Verfahren war ja darauf angelegt, die UNSECO zu provozieren, den Vertrag zu ignorieren und den Kulturbeirat ICOMOS an die Wand zu fahren beziehungsweise unter der demokratischen Legitimität, und so weiter lächerlich zu machen, also für entbehrlich zu halten. Das ist Ihnen jedenfalls gelungen. Wie Gabriele Esching, die Generalsekretärin der österreichischen UNESCO-Kommission mitteilte, wird bereits morgen von der UNESCO eine sogenannte „draft decision“ veröffentlicht werden, die die Empfehlung, Wien auf die Rote Liste zu setzen, beinhaltet. Das ist eine Empfehlung, die von der Erfahrung dieser Welterbe-Tagungen für gewöhnlich eingehalten wird.
Auch wenn es Ihnen lästig ist oder Sie glauben, schon alles gehört zu haben, ich möchte Sie trotz allem noch einmal an den Appell von ICOMOS-Präsident Prof. Wilfried Lipp erinnern, den er vor allem an das neue Führungsduo der GRÜNEN, Frau Lunacek und Frau Felipe sowie an die grünen Mandatare der Wiener Fraktion gerichtet hat. Sie können ja heute frei entscheiden, das wäre die Entscheidung, um aus diesem Dilemma herauszukommen: Tu ich das, was die Basis will, oder tu ich das, was die Koalition mit meinem roten Partner rettet? In diesem Schreiben an „Sehr geehrte Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger“ verweist Prof. Wilfried Lipp am 29. Mai, also vor ein paar Tagen, nochmals darauf, dass ICOMOS und die UNESCO von Anfang an die Rahmenbedingungen der Welterbe-Verträglichkeit dieses Vorhabens klar definiert und eingemahnt haben. Und wörtlich: „Die politischen Entscheidungsträger haben bis jetzt aber anders gehandelt. Bewusst, vorsätzlich und in voller Konsequenz und in voller Kenntnis der Konsequenzen wird der Bruch mit dem Staatsvertrag zwischen der UNESCO und der Republik Österreich kalkuliert - ein Vorgehen, das in geltender Rechtspraxis in aller Regel mit dem Makel Schuld belastet ist.“
Es geht indes nicht bloß um das Weltkulturerbe. Abgesehen von dem vorsätzlichen Affront gegenüber der Welterbe-Gemeinschaft, die durch die UNESCO repräsentiert wird, setzen Sie ja auch politisch ein völlig falsches Signal. Laut Statistik Austria hat sich das Wohnen - heute war es ja auch Gegenstand der Debatte - in Wien dramatisch verteuert, und zwar selbst bei den Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen um 11,5 Prozent, bei den privaten um 15,7 Prozent. Da leistbarer Wohnraum dank Ihrer Politik von Rot-Grün Mangelware ist, schmücken Sie sich nun mit einem Luxuswohnturm - unten ein Casino und diverse Restaurants -, dessen nicht unbeträchtlicher Gewinn nur einigen wenigen privaten Anteilseignern und selbstverständlich dem Hauptinvestor zukommen wird. Damit es also nicht ganz so ausschaut in Zeiten, in denen die Armutsschere immer weiter auseinanderklafft, die sich durch Ihre unverantwortliche Migrationspolitik noch weiter verschärft, täuschen Sie also einen sozialen und kulturpolitischen Mehrwert vor, der nichts anderes ist als ein Alibi für ein höchst lukratives privates Spekulationsobjekt.
Wenn Sie den politischen Willen dazu gehabt hätten, hätten Sie dieses Areal nämlich schon längst einer urbanen und ästhetischen Sanierung zuführen können. Der von Ihnen verächtlich gemachte Prof. Lipp spricht wörtlich von einer „verfehlten Interpretation des behaupteten ‚Mehrwerts‘. Im Gegenteil: der drohende Verlust des Welterbes, der damit verbundene Reputationsverlust der Republik, die Vernachlässigung der sozialen Aspekte und Partizipationsmöglichkeiten der Allgemeinheit am Kulturerbe ‚Stadtdenkmal‘“ - da geht es nicht um Höhe - „bedeuten eine eklatante Wertminderung“.
Dass die Pawlatschen um den Wiener Eislaufverein kein städtebaulicher Gewinn war, ist logisch und unbestritten. Aber dies als Rechtfertigung zu nehmen für ein Projekt, das die architektonischen Sünden der 1960er Jahre fortschreibt, und sich an den Höhen des Raiffeisen-Towers und des Hilton zu orientieren, anstatt auf der Höhe des Konzerthauses und der gewachsenen, trotz Bombardements erhaltenen Bausubstanz der Ringstraßen-Architektur, das, meine Damen und Herren, ist eine eklatante Fehlentscheidung! (Beifall bei der FPÖ.)
Ich zitiere noch einmal aus diesem letzten dramatischen Icomos-Appell: Es geht um den Verlust kultureller und politischer Reputation der Republik Österreich, es
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