Gemeinderat, 24. Sitzung vom 01.06.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 48 von 96
geht um erschreckende Defizite von politischer und gesellschaftlicher Verantwortung, es geht um mangelnde Transparenz, es geht um mangelnde Bürgernähe und Demokratie. Sie machen natürlich eine andere Rechnung auf: Glaubwürdigkeit gegenüber den Investoren auf der einen Seite, internationale Vertragstreue auf der anderen Seite. Sie wollen künftige Investoren nicht verscheuchen. Aber dieses Argument, meine Damen und Herren, ist sehr schwach. Sie können mir nicht einreden, dass, wenn Herr Tojner nicht zu diesem Projekt kommt, es keine anderen Investoren gibt, die Wien und die Innenstadt so attraktiv finden, dass sie für Wien gerne in die Bresche springen würden, falls es zu diesem Projekt kein Ja geben sollte. (Beifall bei der FPÖ.)
Sie hätten wenigstens den Schein wahren und vielleicht doch noch dem Absetzungsantrag meiner Kollegen zustimmen können, damit man zumindest aus Höflichkeit oder aus internationalem Taktgefühl heraus die Sitzung in Krakau abwartet. Man hätte auch den Petitionsausschuss abwarten müssen, um hier diese Entscheidung zu treffen. Bürgerinitiativen haben wirklich heroisch Zivilcourage bewiesen, über Jahre, über Wochen. Sie wurden totgeschwiegen, sie wurden lächerlich gemacht, als ewiggestrige Nostalgiker dargestellt. Dabei waren hier Kapazitäten vertreten wie zum Beispiel Prof. Hueber, der Ephesos wieder aufgebaut hat in einer unglaublichen Art und Weise, wie Architekturkritiker, die im „Standard“, in der „Wiener Zeitung“ veröffentlicht haben. Das können Sie nicht alles ignorieren! Sie haben es aber ignoriert. Die Petitionen von Bürgern kommen jetzt dran, einen Monat, nachdem hier im Gemeinderat die Würfel für dieses unselige städtebildnerische Unprojekt gefallen sein werden. Das ist Bürgerverhöhnung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist Bürgerverhöhnung! Das trifft die GRÜNEN meiner Ansicht nach ganz besonders ins Herz, weil Sie unter Ihrem Ressort „Partizipation“ stehen haben. Sie haben während dieses ganzen Verfahrens nicht Bürgerbeteiligung betrieben, sondern Bürgervertreibung, meine Damen und Herren (Beifall bei der FPÖ.), und das werden Sie sicherlich auch präsentiert bekommen!
Auch wenn Sie diese Abstimmung jetzt überleben werden und vielleicht nachher die Champagnerkorken knallen (Zwischenruf von GRin Birgit Hebein.), nein, freuen Sie sich nicht zu früh! Die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt können durchschauen, was hier passiert. Sie werden bei der nächstmöglichen Wahl - und ich hoffe auch in Wien, dass sie früher stattfinden wird als vorausgeplant - Ihnen die Stimme verweigern. Das wird nämlich der Erfolg sein. Dann werden wir die Karten neu mischen, dann wird aber dieses Monstrum bereits stehen.
Was Sie vorhaben, ist nachhaltig Wien verschandeln, für Generationen. Das UNESCO-Weltkulturerbe hat nur einen Sinn, und zwar nicht Höhenlimitierung, sondern für künftige Generationen diesen architektonischen bausubstanziellen Wert Wiens, der Inneren Stadt vom Belvedere bis hin zum Stephansdom für künftige Generationen zu bewahren. Gegen diese Bewahrung haben Sie sich versündigt! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: GR Mag. Kasal ist seit 14 Uhr anwesend. Als Nächster ist GR Mag. Schober zu Wort gemeldet.
GR Mag. Marcus Schober (SPÖ): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Werte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste! Dabei möchte ich vor allem die Betroffenen im 3. Bezirk ansprechen, denn wir reden über vieles, aber nicht jene, die das jetzt wirklich während der Bauzeit betreffen wird, und die es auch betreffen wird, dass sich dort örtlich etwas verändert.
Den Kollegen Unger sehe ich gerade, den betrifft das, aber ich weiß nicht, in welche Richtung genau er aus seinem Fenster schauen kann. Ich kann nur sagen, auch ich bin zwei Mal betroffen gewesen: ein Mal von einer Aufstockung und ein Mal hatte ich einen freien Blick auf ein Feld, wo dann aber ein Haus hingestellt wurde. Es ist leider traurige Tatsache, wenn man in einer Stadt lebt, dass sich eine Stadt dementsprechend verändern wird.
Was mich da immer wieder bei diesem berühmten Canaletto-Blick wirklich fertig macht: Frau Stenzel! Ich weiß nicht, wie oft Sie wirklich oben im Belvedere stehen. Ich gehe dort oft hin, um zu laufen, und ich sehe Sie dort nicht stehen. (GR Mag. Manfred Juraczka: Macht euch einmal was aus! - Heiterkeit bei FPÖ und ÖVP.) - Wir machen uns etwas aus, wir werden uns das gemeinsam anschauen. Aber der Canaletto-Blick selbst, und das glaube ich, haben wir hier auch schon diskutiert, der ist ja nicht in einer barocken Sicht gemalt. Die barocke Sichtachse müsste nämlich von oben nach unten gehen, und da würde der Heumarkt perfekt hineinpassen. Wenn ich jetzt aber das Canaletto-Bild hernehme, hat sich dort Wien dazuentwickelt. Es ist also sowieso nicht mehr dieser Blick, und wir müssen einmal darüber reden, wie sich diese Stadt weiterentwickelt.
Ich bin meinem Kollegen Ernst Woller sehr dankbar dafür, dass er gesagt hat, wir haben bei der Definition des Weltkulturerbes wahrscheinlich nicht genau hingeschaut. Und jetzt als Vertreter des 3. Bezirkes - ich mache das jetzt zum zweiten Mal mit, einerseits mit Wien-Mitte und jetzt eben mit dem Heumarkt -: Hätten wir die Definition für die Innenstadt gemacht, hätten wir, glaube ich, kein Problem und könnten weiter diskutieren zu viel wichtigeren Themen. Denn was mich auch immer wieder aufregt: Wenn ich an den Schwedenplatz denke - über den reden wir nicht, aber da hat sich eine Skyline entwickelt, über die wir in dieser ganzen Diskussion nicht geredet haben. (GR Armin Blind: O ja!) Wir reden über den Heumarkt, der viel weiter weg ist als der Schwedenplatz, und da veranstalten wir derzeit eine Diskussion, bei der ich denke, dass wir über viel wichtigere Themen diskutieren könnten. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Was war der Titel der Aktuellen Stunde?)
Meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ! Sie sind ja meistens dagegen, wenn es um Erneuerung geht. Ein Kollege aus dem 3. Bezirk hat mir gesagt, es darf sich ja generell nichts mehr verändern in diesem Weltkulturerbe. Ich finde, es wäre für unsere Generation furchtbar, wenn sich in dieser Stadt nichts mehr verändern würde. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)
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