Gemeinderat, 20. Sitzung vom 02.03.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 72 von 105
GRin Birgit Hebein (GRÜNE): Werter Herr Vorsitzender! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen!
Ich finde tatsächlich, dass die bisherige Diskussion relativ sachlich verlaufen ist, das kann ich nur bestätigen, spiegelt aber nicht wirklich den Antrag der FPÖ wider. Der Kollege Ornig hat es eh schon gesagt, im Grunde steht in dem Antrag, so interpretiere ich es, ein Thema zur Abwehr von obdachlosen Menschen als Störfaktoren. Sie haben hier eine Sprache gewählt, die uns schon lange bekannt ist. Auch wenn Sie hier versuchen, sachlich zu argumentieren, gemessen an anderen Diskussionen, wird immer wieder klar, dass Sie sich einzelne Menschengruppen herauspicken, seien es Flüchtlinge oder Obdachlose oder Suchtkranke oder Alkoholkranke, um sehr wohl eine Stimmung zu machen: Wie kann man sie vertreiben, durch welche Verbote? Und das lehnen wir oder ich prinzipiell ab, weil es meinem Menschenbild widerspricht.
Das ist einmal Punkt 1, aber ich gehe gerne konkret auf den Praterstern ein. Gestern gab es wieder einen Runden Tisch. Herr Haslinger, ein bisschen vorsichtiger sein mit den Zahlen, mit denen Sie da operieren. Es bringt ja nichts, wenn man permanent übertreibt und alles dramatisiert, das löst ja nur Ängste aus. Es gab einen Runden Tisch, der jetzt regelmäßig stattfindet, wo die Polizei ist, ÖBB, Wiener Linien, die Sucht- und Drogenkoordination, StreetworkerInnen, die treffen sich regelmäßig, um zu schauen, wie es am Praterstern geht, wie die Maßnahmen wirken, wie es weitergeht. Zur Zeit sind - und das sind aktuelle Zahlen - täglich zwischen 20 und 80 Menschen am Praterstern. (GR Mag. Wolfgang Jung: Da sind wir eh schon fast bei 100!) - Herr Jung, melden Sie sich, jetzt rede ich. 20 bis 80 Personen, und es stimmt tatsächlich, dass es sehr unterschiedliche sind, das sagen wir schon immer. Einerseits gibt es obdachlose Menschen vor Ort, es gibt Suchtkranke, es gibt obdachlose Menschen, die Alkohol trinken, so ist es einfach, es sind einige Armutsbetroffene, vor allem Pendler, die pendeln tatsächlich immer wieder am Wochenende. Es gibt auch in einem sehr geringeren Ausmaß, sagt die Polizei, sie können das handlen, auch Suchtmittelhandel vor Ort, und da tun sie sich ein bisschen schwer, immer wieder auseinanderzuhalten, wo Handel und wo der Konsum ist, das ist tatsächlich jetzt aktuell so ein Punkt, aber die Polizei sagt, sie haben es im Griff. Sie können gut damit umgehen, das ist ihre Aufgabe, und Sie sagen selber, es ist besser geworden.
Wir haben auch die StreetworkerInnen vor Ort, die wirklich Tag für Tag, auch wie die Polizisten und Polizistinnen, dort enorm wichtige Arbeit machen, und ich möchte, dass wir alle diese Arbeit auch respektieren. Das ist nämlich eine enorme Leistung, die sie hier tagtäglich machen, letztendlich für unseren sozialen Zusammenhalt, der mir enorm wichtig ist. Diese StreetworkerInnen haben den Auftrag, tatsächlich zu unterstützen. Es gibt obdachlose Menschen, die bekommen all die Begleitung, die Unterstützung, medizinische Versorgung, Notquartiere, alles, was sie brauchen. Es gibt auch junge Menschen, die sich dort aufhalten, das ist auch tatsächlich so, und da bitte ich Sie, dass wir den Wienerinnen und Wienern nichts vormachen und sie auch nicht zum Narren halten. Wir sind in einer Großstadt, und es wird immer so sein, dass sich an den öffentlichen Orten marginalisierte Gruppen treffen werden. Das ist so in einer Großstadt, und die StreetworkerInnen sagen auch, und es war immer schon so: Es gibt Suchtkranke oder Obdachlose, die jedes Angebot ablehnen werden, weil sie einfach die öffentlichen Orte, wie auch den Praterstern, dazu nützen, sich mit anderen zu treffen, sich mit Gleichgesinnten an relativ anonymen Orten zu begegnen, und das wird immer so sein. Ich möchte nicht hergehen und den Wienern und Wienerinnen etwas vormachen oder die heile Welt vorgaukeln, denn diese Menschen gibt es, sie sind einfach da.
Sie sagen selbst, dass es jetzt besser geworden ist, es gibt die Polizei, die für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zuständig ist, bei sozialen Problemen gibt es die StreetworkerInnen, die Straßensozialarbeit, da gibt es soziale Unterstützung. (GR Dr. Wolfgang Ulm: Jetzt kommt der Sommer!) Jetzt reden wir - noch einmal - von 20 bis 80 Personen, die sich dort aufhalten. Meine Antwort darauf ist, damit sich die Menschen immer wohler fühlen, und dass wir das mit der Sozialverträglichkeit zusammenbekommen, die intensive Kooperation zwischen Polizei und Sozialarbeit, die werden wir nicht abstellen können, nicht an öffentlichen Orten. Wir müssen im Gegenteil hergehen und sagen: Danke für die gute Arbeit.
Wir werden jetzt nicht hergehen, vor Ort Alkoholverbote machen, Verbotszonen, Verordnungen, weil wir die Menschen nur an andere Orte vertreiben. Wenn wir die durch die ganze Stadt jagen, das macht ja keinen Sinn. Was ist in Dornbirn passiert? Sie haben Dornbirn erwähnt. Was ist dort konkret passiert? Warum sagen Sie es nicht? Man hat eine Verbotszone gemacht, und, Überraschung: Verdrängung weiter weg. Was hat man dann gemacht? Die nächste Verbotszone, zweite Verbotszone. Überraschung, was ist dann passiert? Wieder eine Verdrängung ein Stück weiter. Wir sind jetzt bei der dritten Verbotszone in Dornbirn. Es klappt nicht, man kann die Menschen nicht verdrängen, verschieben, vertreiben, es ist so sinnlos. (GR Mag. Wolfgang Jung: Nicht für die Anrainer!) Sinnlos für die Betroffenen und sinnlos für alle, das macht doch keinen Sinn. Wie wollen Sie denn hergehen und Alkoholverbote vollziehen? Sie sagen, die Polizei sagt, das bekommt man hin. Ich weiß nicht, mit wem Sie von der Polizei gesprochen haben, ich habe direkt mit PolizistInnen am Praterstern gesprochen, und ich bin drei Mal in der Woche am Westbahnhof, die sagen: Wie sollen wir das in der Praxis umsetzen? (GR Gerhard Haslinger hält einen Zettel hoch.) Zeigen Sie mir kein blödes Papierl, denn ich spreche mit den Leuten. Wie soll man das vollziehen? Wie soll man vollziehen, wenn das Oktoberfest stattfindet? Was machen wir dann mit den alkoholisierten Menschen am Praterstern? (Unruhe bei der FPÖ.) Wo ist die Grenze? Warum diskutiert man immer wieder Verbote, vor allem Alkohol. Alkohol, da sind Sie ja ganz weit entfernt davon, dass man manchmal Alkohol trinkt oder Veranstaltungen macht oder Alkohol als Genussmittel sieht. Nein, wir nehmen
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