Gemeinderat, 20. Sitzung vom 02.03.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 105
GR Peter Kraus, BSc (GRÜNE): Vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Da ist es wieder, das mantraartige Wiederholen der Opposition, was denn in Wien nicht alles so schlimm wäre. (GR Mag. Wolfgang Jung: Brauchst nicht wiederholen, sag was Neues!) Ich habe das Gefühl, jede Aktuelle Stunde der ÖVP hat genau dieses Thema, auch wenn eines heute anders war: Der Herr Juraczka hat es wirklich geschafft, zum Titel „Standort Wien in Gefahr“ in den zehn Minuten kein einziges Mal das Wort Wirtschaft zu verwenden. Das finde ich doch wirklich beeindruckend. (GR Dominik Nepp: Das hat mich auch überrascht!)
Ich möchte jetzt nur eine Bildkorrektur, nennen wir es so, durchführen und probiere es einmal interaktiv dieses Mal. In Wien leben 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Wie viel Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung wird in Wien erbracht? (Amtsf. StRin Mag. Renate Brauner: Darf ich mitspielen?) - Ja, Renate darf auch. (GR Heinz Vettermann: Unfair!) - Nicht? Gut. Es sind 26 Prozent. Das heißt, 20 Prozent der österreichischen Bevölkerung in Wien erbringen 26 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung. Das heißt, Wien ist im Vergleich zu allen anderen Bundesländern überdurchschnittlich produktiv.
Eine zweite Bildkorrektur: Kollegin Meinl-Reisinger hat vorher davon gesprochen, dass internationale Betriebsansiedlungen in Wien angeblich weniger werden und die Zentralen nicht mehr nach Wien kommen. Wir haben, glaube ich, das vierte Jahr in Folge, wenn ich mich richtig erinnere, einen Rekord bei den internationalen Betriebsansiedlungen in Wien. (Amtsf. StRin Mag. Renate Brauner, in Richtung GRin Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES deutend: Wiederholen Sie das bitte für die Kollegin!) Ich werde es Ihr dann persönlich auch noch einmal sagen und mit Daten belegen, sie hört gerade nicht zu. Wir haben seit vier Jahren einen Rekord bei den internationalen Betriebsansiedlungen und auch steigende Auslandsinvestitionen. Woher das jetzt kommt, kann ich daher nicht ganz nachvollziehen.
Das Bild, das die Opposition hier zeichnet, ist also vollkommen falsch. Man kann jetzt entweder davon ausgehen, dass es Unwissen ist - glaube ich eher nicht -, man kann aber auch davon ausgehen, dass einfach eine politische Agenda dahintersteckt. Wenn es nach der Opposition geht, darf Wien nämlich einfach nicht erfolgreich sein, und da ist es auch egal, wie viel Engagement und wie viel Leidenschaft die Unternehmerinnen und Unternehmer in dieser Stadt jeden Tag investieren, wie viel Engagement die Angestellten jeden Tag investieren, das ist vollkommen egal; Wien muss schlechtgeredet werden, weil es einfach den parteipolitischen Absichten von ÖVP und von FPÖ entspricht. (GR Mag. Manfred Juraczka: Alles super, weiß ich eh, Mercer!)
Es klingt ja immer wieder durch. Wir haben beim Herrn Juraczka gesehen, worum es wirklich geht: Es geht darum, dass man kürzt, es geht darum, dass man Sozialausgaben streicht, es geht darum, dass man Unternehmen privatisiert und so Stück für Stück staatliche Leistungen zurückdrängt. Ich will das nicht. Ich glaube, es nicht nur sozial unintelligent, das zu machen, es ist auch wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Schauen wir uns nur einmal die Sozialausgaben an, weil Sie sie erwähnt haben. Zwei Beispiele, das erste Beispiel: Kinderbetreuung. Wir wissen, das haben das WIFO und die Arbeitskammer mehrfach errechnet: Jeder Cent, jeder Euro, den die öffentliche Hand in Kinderbetreuung investiert, ist innerhalb von vier Jahren über Multiplikatoreffekte wieder im Budget herinnen. Es gibt also eigentlich keine effizientere Investition einer öffentlichen Hand, als auch Geld aufzunehmen, um Kinderbetreuung und Bildungsangebote auszubauen.
Das zweite ist die Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Wer glaubt, bei der Mindestsicherung zu kürzen, wäre irgendwie förderlich für die Wirtschaft, der irrt komplett. Das ist natürlich eine Kürzung eins zu eins beim Konsum. (StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Konsum auf Schulden!) Abgesehen davon, dass es eine unmenschliche Kürzung ist, bei den Ärmsten der Armen zu sparen, ist es natürlich auch wirtschaftlich und ökologisch vollkommen sinnlos und kontraproduktiv, wenn man damit eins zu eins beim Konsum der lokalen Bevölkerung spart. Also, die Kürzungen und der Einsparungswahn bei den Ärmsten in unserer Stadt, den Sie hier an den Tag legen, sind nicht nur unmenschlich, sondern er ist auch wirtschaftlich fatal.
Ich stehe für eine ganz, ganz andere Stadt als die, die Sie hier vertreten, wo immer nur alles schlechtgeredet wird. Ich stehe für eine Stadt, wo wir die Probleme mit den Menschen in dieser Stadt gemeinsam lösen, wo wir sie ermutigen, dass wir die Probleme gemeinsam lösen, wo wir Unternehmertum so verstehen, dass sie einen Beitrag leisten, um gesellschaftliche um soziale Probleme zu lösen. Die Wirtschaftsagentur hat gestern erst einen neuen Call gestartet: „Social Business“. Ich glaube, dass wir wirklich auch UnternehmerInnen als PartnerInnen verstehen müssen, um soziale Herausforderungen der Zukunft zu lösen. Ich will in einer Stadt leben, die den Menschen nicht sagt, was alles schlimm ist und was alles nicht geht, sondern in einer Stadt, die die Menschen ermutigt, mit Hoffnung und mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken. - Vielen Dank. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als Nächster hat sich Herr GR Nepp zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
GR Dominik Nepp (FPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin auch einigermaßen überrascht, einerseits über den Titel der heutigen Aktuellen Stunde nämlich „Standort Wien in Gefahr“. Ich dachte, jetzt kommt eine Brandrede für die Wirtschaft, eine Brandrede für die Unternehmer; bisher wurde aber über etwas gesprochen, das ich als Oppositionspartei - obwohl ich den Wirtschaftsstandort Wien auch in Gefahr sehe - eigentlich auch viel wichtiger finde, heute zu diskutieren, nämlich über das Fiasko im Kindergarten, das Chaos im Gesundheitswesen oder auch die Vernetzung von Islamisten, bis tief hinein in die SPÖ, so wie es ja in den letzten Tagen hochgepoppt ist.
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