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Gemeinderat, 20. Sitzung vom 02.03.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 105

 

Bildung, Integration, Jugend und Personal gerichtet. (In Österreich fehlen nach wie vor 12.000 Kindergartenplätze für unter-dreijährige Kinder. Wie stellt sich aktuell die Situation bei der Versorgung in Wien dar?)

 

Ich freue mich, das erste Mal in der Fragestunde den Herrn Stadtrat begrüßen zu dürfen. - Bitte schön.

 

Amtsf. StR Mag. Jürgen Czernohorszky: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates!

 

Die in der Frage angesprochene Studie der Arbeiterkammer weist darauf hin, dass in Österreich das sogenannte Barcelona-Ziel immer noch nicht erreicht ist. 21.000 Plätze für Kleinkinder fehlen, um dieses Ziel zu erreichen. Vielleicht nur in einem Satz, was das bedeutet: Das Barcelona-Ziel sieht vor, dass eine Platzversorgung für Kinder von 0 bis 3 Jahren von mindestens 33 Prozent zur Verfügung stehen soll. Aktuell gibt es in Österreich nur 25,5 Prozent, diese Zahl beinhaltet allerdings die Wiener Plätze. Zieht man Wien von dieser Quote ab, dann liegt sie nur noch bei 19,6 Prozent. Ganz nebenbei sei erwähnt, und für ganz schnelle Rechner auch schon auf der Hand liegend: Wien hat das Barcelona-Ziel erreicht, seit vielen Jahren erreicht, mehr als übertroffen und liegt derzeit bei 47,3 Prozent. Rechnet man die Kinder, die jünger als 1 Jahr sind, raus, beträgt die Versorgungsquote bereits 71 Prozent.

 

Das ist eine große Leistung unserer Stadt, unseres Landes und vor allen Dingen auch der vielen Trägerorganisationen, die jeden Tag gute Arbeit leisten, und die Folge starker Investitionen. Dazu ist zu sagen, dass das aber nur der quantitative Vergleich ist. Wenn man zum Beispiel auch noch auf die Vereinbarkeit mit einer Vollbeschäftigung von Eltern hinschaut, dann bietet auch die Arbeiterkammer ein Vergleichskriterium, nämlich den sogenannten VIF-Index, das ist die Vereinbarkeit mit einer Vollbeschäftigung, die letztendlich solche Dinge wie wöchentliche Öffnungszeiten beinhaltet, täglich 9,5 Stunden, mindestens 4 Tage die Woche, Verpflegungsangebot und höchstens 5 Wochen Ferien. Da ist der Grad bei Wiens Kindergartenplätzen 97,6 Prozent, der aller anderen Bundesländer 52,9.

 

Die Stadt Wien betreibt also den Ausbau des Angebots für Unter-Drei-Jährige und Über-Drei-Jährige sehr intensiv und das seit vielen Jahren. Wenn man sich die Zeit von 2009 bis heute anschaut, dann sind rund 13.000 Plätze neu geschaffen worden, nur für Unter-Drei-Jährige. Wir sind derzeit bei 27.000 Plätzen, das entspricht einem Zuwachs von ungefähr 2.000 pro Jahr. Die Quote der Versorgung mit Kindergartenplätzen - wenn man sich das jetzt in Prozent ausrechnet - stieg trotz starker Bevölkerungsentwicklung im selben Zeitraum von 26 auf 47 Prozent.

 

Jetzt noch einmal eine letzte Zahl, bevor ich dann noch ein anderes Thema ansprechen möchte, das damit in direktem Zusammenhang steht. Für Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren, also alle zusammengerechnet, stehen damit in Wien 86.000 bewilligte Plätze zur Verfügung, rund 79.000 Kinder sind eingeschrieben, rund 27.000 davon in städtischen und 52.000 in privaten. Sie sehen also, dass ein großer Teil des Platzangebotes, zirka 60 Prozent in Wien, von privaten Bildungs- und Betreuungseinrichtungen bereitgestellt wird. Die Stadt arbeitet also auch eng, intensiv und gut mit privaten Trägern laufend zusammen, vor allen Dingen mit großen, bewährten Kinderträgerorganisationen.

 

Die MA 10 fördert fast 500 solcher Trägerorganisationen und stellt neben dem Platzangebot durch ein mehrstufiges Prüf- und Kontrollsystem sicher, dass auch der Einsatz von Fördergeldern klar dokumentiert wird. Schwarze Schafe sind aber trotzdem nicht auszuschließen, und es kommt in Einzelfällen auch zu Betrug und Fördermissbrauch. Ich betone Einzelfälle, und ich betone auch eine andere Sache: Was wir nicht ausschließen können, ist, dass jemand die Stadt täuschen will. Was wir auch nicht ausschließen können, ist, dass ein Betreiber in finanzielle Schwierigkeiten kommt. Was wir aber garantieren müssen, ist, dass die Stadt durch ihre Kontrollmechanismen schnell draufkommt und schnell und in einer Härte reagieren kann.

 

Derzeit ist ein Beispiel eines ehemaligen Kindergartenträgers, den die Stadt Wien bereits im Juni des Vorjahres geschlossen hat, in den Medien. Im Zuge der immer noch laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen ist der damals verantwortliche Vereinspräsident nach einer Hausdurchsuchung in U-Haft gekommen, und dort hat sich herausgestellt, dass es einen möglichen Zusammenhang mit einem anderen Kindergartenträgerverein gibt, nämlich die „Oase des Kindes“. An diesen Betreuungsverein wurden im Rahmen des Insolvenzverfahrens von „Alt Wien“ vom Masseverwalter im Sommer 2016 insgesamt zehn ehemalige „Alt Wien“-Standorte ohne Einfluss der Stadt verkauft. Die vertretungsbefugten Organe des Vereins wurden, wie immer bei Standortübernahmen durch noch nicht bekannte Vereine, dem Verfassungsschutz zur Überprüfung gemeldet, und es wurden von dort keine Bedenken rückgemeldet.

 

Somit ist dieser Verein, die „Oase des Kindes“, seit November, also seit vier Monaten gefördert und stand aber bereits von diesem Zeitpunkt an unter enger Beobachtung der MA 10, wurde auch aufgefordert, mit einer Frist bis Anfang März allfällige Unregelmäßigkeiten bei Gehaltszahlungen klarzustellen und vorzulegen. Im Feber, also vor wenigen Tagen, standen zusätzlich nun die wegen der Ermittlungsergebnisse zu Tage getretenen Vorwürfe über angebliche unklare Geldflüsse von dem einen Verein in den „Oase des Kindes“-Verein im Raum. Da haben dann die MA 10 und die MA 11 sofort reagiert, am gleichen Tag des Bekanntgebens den Vereinsobmann zu einer Einvernahme vorgeladen, und es hat an mehreren Standorten eine Überprüfung der Arbeit vor Ort stattgefunden. Auf Grund der festgestellten Verfehlungen des Vereins wurden die Förderungen sofort gestoppt, die Fördervereinbarung gekündigt, und auch die Staatsanwaltschaft informiert.

 

Es sind 280 Kinder von dieser Entwicklung betroffen. In diesem Zusammenhang möchte ich sagen, dass das das Thema ist, das mich am meisten bewegt. Neben der Notwendigkeit, klar und schnell und deutlich zu reagieren, sind es Kinder, die betroffen sind und Eltern, die betroffen sind. Ich möchte als Vater von zwei Kindern

 

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