«  1  »

 

Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 37 von 71

 

Ich glaube, wir können sagen, dass Österreich in sehr hohem Ausmaß vom vereinten Europa, vom Freihandel und auch von der Erweiterung der Europäischen Union profitiert hat. Wo wären wir denn wirklich - das frage ich Sie jetzt ganz ernsthaft - als ein kleines Land ohne diesen gemeinsamen Binnenmarkt, aber auch ohne die Personenfreizügigkeit, die Sie natürlich in Frage stellen, und ohne Freihandelsabkommen mit der gesamten Welt, das heißt, dieser gemeinsamen EU-Außenhandelspolitik? - Wir wären definitiv nicht da, wo wir jetzt stehen!

 

Ich möchte noch einen anderen Bereich herausgreifen, der mir sehr wichtig ist, weil er die Zukunft betrifft, nämlich die Thematik Forschung, Innovation und Bildung: Wien ist eine Universitätsstadt, und Wien konnte Zehntausende, wir schätzen, zirka 30.000 Studierende aus dem EU-Ausland anziehen. Diese leben hier, sie beteiligen sich am kulturellen und sozialen Leben. Sie arbeiten hier. Sie geben Geld aus. Und sie tragen auch zu etwas bei, was Ihnen offensichtlich nicht so wichtig ist, nämlich zu dem Phänomen, dass Forschung, Entwicklung und Innovationen heutzutage nicht nur in nationalen Labors stattfinden, sondern europaweit, dass europaweit die besten Köpfe daran arbeiten, letztlich Know-how und Innovationen auch für den zukünftigen Produktionsstandort Europa und Wien zu schaffen. (GR Mag. Wolfgang Jung: Sie kosten auch einiges!)

 

Um Ihnen nun noch ein Beispiel zu nennen: 650 Millionen EUR für Wissenschaft und Forschung flossen aus dem 7. EU-Forschungsrahmenprogramm im Zeitraum 2007 bis 2013 nach Österreich. (GR Mag. Wolfgang Jung: Die haben wir doch selbst bezahlt! Wir sind doch Nettozahler!) Darin sind über 1.600 geförderte Projekte enthalten. Damit liegt die Rückflussquote bei 130 Prozent. Das heißt, wir profitieren aus diesem Programm! Wir profitieren auch in diesem Bereich.

 

Das, sehr geehrte Damen und Herren, sind die Jobs der Zukunft! Wenn Sie das, nämlich EU-weit übergreifende Forschung, Entwicklung und Innovation, in Frage stellen, dann gefährden Sie nicht nur die Zukunft meiner Kinder, sondern dann gefährden Sie die Zukunft der gesamten nächsten Generation auf diesem Kontinent und gerade in Wien, denn wir brauchen Produktion, wir brauchen Know-how, wir brauchen Hightech-Patente und Patente, und wir brauchen hier Hochqualifizierte. Das sind die Arbeitsplätze der Zukunft, aber das sehen Sie ja nicht! Das ist Ihre Wirtschaftskompetenz! (Beifall bei den NEOS.)

 

Sie meckern nur die ganze Zeit, bringen aber keine Vorschläge. Wo sollen denn bitte die Jobs sonst herkommen? (Beifall bei den NEOS.)

 

Für unsere Jugend - und da schließe ich mich großzügig noch mit ein - war der Beitritt zweifelsohne ein Gewinn. Allein mit dem Erasmus-Programm konnten ungefähr 80 000 österreichische Studierende im EU-Ausland studieren. Es konnten aber auch - das möchte ich an dieser Stelle betonen, das diesbezüglich Angebot gehört nämlich meiner Meinung nach noch forciert - Lehrlinge im EU-Ausland tätig werden und Europa so kennen lernen.

 

In dem Punkt unterstütze ich Sie, Herr Vilimsky, ganz eindeutig, wenn Sie sagen, wir brauchen so etwas wie eine europäische Identität. - Keine Frage! Mit diesen Programmen, Erasmus, aber auch betreffend den Austausch von Lehrlingen, schaffen wir eine europäische Identität, schaffen wir ein Gefühl dafür, was es heißt, in diesem gemeinsamen Raum zu leben, der natürlich eine gemeinsame kulturelle Basis hat. Aber Sie spielen damit, Sie stellen das in Wahrheit in Frage, und das mache ich Ihnen zum Vorwurf! Bei der Suche nach einer europäischen Identität wären wir Partner, und ich bitte Sie, sehr wohl die Chancen zu sehen, die gerade in diesen Jugendprogrammen liegen! (Beifall bei den NEOS.)

 

Ich weiß, dass das oft diskutiert wird, und daher möchte ich hier auch noch erwähnen, dass es hier wirklich um die Chancen der Jungen geht. Daher hat es mich bei der Brexit-Abstimmung auch sehr gestört, dass es gerade die Jungen - ich glaube, zu über 70 Prozent die 18- bis 24-Jährigen - waren, die für einen Verbleib gestimmt haben und die jetzt erleben müssen, wie ihnen sozusagen durch eine Entscheidung der Über-65-Jährigen diese Chancen im Hinblick auf eine Zukunft in diesem vereinten Europa geraubt wurden. (GR Dr. Wolfgang Aigner: Dann lassen wir eben die Über-65-Jährigen nicht mehr wählen gehen!)

 

Ich weiß, dass immer davon gesprochen wird, dass die Beteiligung nicht so hoch gewesen sei. - Das stimmt aber nicht! Das stimmt nicht! Die Wahlbeteiligung bei der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen lag bei 64 Prozent. Das ist eine sehr hohe Wahlbeteiligung. Es stimmt aber auch, dass es bei den Über-65-Jährigen eine 90-prozentige Wahlbeteiligung gab, und diese haben gegen den Verbleib gestimmt. Diese haben den Jungen die Chancen genommen, und das ist für einen jungen Mensch tatsächlich … (GR Dr. Wolfgang Aigner: Wie gesagt: Dann lassen wir eben die Über-65-Jährigen nicht mehr wählen gehen!) Das sage ich nicht! Unterstellen Sie mir keine antidemokratische Haltung! Das würde ich jedenfalls schärfstens zurückweisen! Was ich sage, ist, dass hier Menschen über die Zukunft des Landes und über die Zukunft einer Generation abgestimmt haben, die es nicht mehr betreffend wird, und das halte ich für eine fatale Entwicklung! (Beifall bei den NEOS.)

 

Die Aufgabe der Sicherung der Chancen für die Jungen, für die nächste Generation, muss unser aller Auftrag sein, und zwar sowohl auf europäischer Ebene als auch auf nationaler und kommunale Ebene, und ich bin sehr froh darüber, dass diese Ebenen übergreifend zusammenarbeiten.

 

Jetzt komme ich zu einem Punkt, der mich heute sehr stört, und ich möchte jetzt meinen Blick zu den GRÜNEN hinüber wenden und sie fragen, ob sie das eigentlich nicht stört. - Ich glaube, ich habe es zum ersten Mal erlebt, seitdem ich hier im Wiener Gemeinderat bin, dass bei einem Thema die FPÖ und die Grünen aus vollem Herzen klatschen, und zwar nur diese beiden, vereinzelt war das auch hier zu hören. (GR Armin Blind: Das passt halt in Ihre kleine Welt nicht hinein, Frau Kollegin.)

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular