Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 71
die Bundesregierung die gemeinsame Länderstellungnahme in diesem Bereich vollkommen ignoriert hat. Ich denke: Lassen Sie uns CETA, TTIP und TiSA im Sinne der starken Städte gemeinsam verhindern! (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und FPÖ.)
Ich habe noch drei Minuten, deshalb möchte ich natürlich auch noch ein anderes aktuelles Thema ansprechen, das uns europapolitisch neben der Flüchtlingsfrage derzeit am meisten emotionalisiert, nämlich der Brexit. Zum Brexit sagen wir Grüne eindeutig: Wir wollen kein Europa, in dem der Brexit zum Anlass für das Ende der Freiheit für Bürgerinnen und Bürger wird! Unsere Union braucht BürgerInnen, die selbst wählen können, wo sie leben und wo sie arbeiten.
Ja. Der Austritt Großbritanniens ist äußerst bedauerlich! Europas Stärke ist der Zusammenhalt. Jetzt geht es aber darum, die Brexit-Verhandlungen so schnell wie möglich abzuschließen, damit wir klare Verhältnisse schaffen können, und dabei wird es Dinge geben, die für uns nicht verhandelbar sind.
Die britische Regierung hat schon anklingen lassen, dass sie nach einem Brexit zwar ganz bequem den Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt für Waren, Dienstleistungen und Kapital haben wollen. - No na ned! Das kennen wir schon! Waren, Dienstleistungen und Kapital sollen also auch in Zukunft bequem und grenzenlos ausgetauscht werden können, aber für Menschen, für Europas Bürgerinnen und Bürger, für die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, soll das nicht mehr gelten. Die britische Regierung will ein Ende der Personenfreizügigkeit, und bedauerlicherweise bläst auch der österreichische Außenminister seit Langem in dieses Horn.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns wird es keine Rosinenpickerei für Großbritannien geben! Wer Zugang zum Binnenmarkt haben will, muss auch die Personenfreizügigkeit zulassen! Das ist ein Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Europäischen Union. Gleichzeitig müssen wir aber auch insbesondere gegenüber den jungen BritInnen offen bleiben. Wir müssen die jungen Menschen, die am Erasmus-Programm teilnehmen und in der EU studieren oder arbeiten wollen, weiterhin mit offenen Armen empfangen. Sie sind das Bindeglied der Zukunft zwischen Kontinentaleuropa und Großbritannien.
Schon gar nicht ist die Freiheit unserer 444 Millionen EU-BürgerInnen verhandelbar! Diese wird oberste Priorität gegenüber allen Interessen, insbesondere wirtschaftlichen Interessen haben. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich komme zum Schluss. Schon lange war Europa nicht mehr in einer so brandgefährlichen Situation: Brexit, Festung Europa, Hochziehen neuer Grenzen, Rekordarbeitslosigkeit, wirtschaftliche Stagnation, Aufmarsch rechter Bewegungen, Infragestellen lang erworbener Frauenrechte, Demokratieabbau insbesondere in Polen und Ungarn. - Nichts ist mehr selbstverständlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht die Demokratie, nicht der Friede und nicht die Existenz der Europäischen Union, und es gibt genug Personen, die daran arbeiten, noch mehr Öl in das Feuer zu gießen!
Läuft auf EU-Ebene alles richtig? - Nein, keineswegs! Wollen wir jedoch deshalb zur nationalen Abschottung zurück? - Sicherlich nicht! Wir lassen uns unsere Freiheit, unseren Frieden und die Idee der europäischen Integration nicht zerstören, nicht von den Brexit-Befürwortern, die ein Ende der Personenfreizügigkeit verlangen, nicht von den rechtsnationalen Hetzern, die neue Stacheldrahtzäune in Europa hochziehen wollen, nicht von den Liberalisierungswütigen, die nur die Interessen der Konzerne vertreten und nicht von den Marktgläubigen und Turbokapitalisten, die Europa mit ihrem Spardiktat ersticken!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stärken wir die Städte! Bauen wir ein anderes Europa, und zwar jetzt! Die Lage ist ernst, deshalb braucht es vernünftige Kräfte, die an unserer Zukunft arbeiten. - Ich sage jetzt den Satz, den ich jahrelang an dieser Stelle immer zuletzt gesagt habe: Rot-Grün ist gut für Wien. Rot-Grün ist gut für Europa. - Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Vilimsky: Ich erteile es ihm. - Bitte schön.
EP-Abg. Harald Vilimsky (FPÖ): Vielen Dank für die Erteilung des Wortes.
Was wir jetzt von den vorigen drei Rednern gehört haben - und ich gehe davon aus, dass wir von meiner nachfolgenden Rednerin von den Sozialdemokraten Ähnliches hören werden -, klang in etwa so wie die Worte der letzten Apologeten eines gerade an die Wand fahrenden EU-Anbetungsvereines, dessen Erkenntnis man nicht im geringsten nachvollziehen kann, dass noch mehr Europa und noch mehr Europa und Zentralisierung das allumfassende Heil und die richtige Richtung sein soll.
Es ist nämlich genau das Gegenteil der Fall: Die Zügel müssen wieder gelockert werden, den Mitgliedstaaten muss wieder mehr Möglichkeit gegeben werden, zu entscheiden. Es muss wieder mehr Demokratie auf unserem Kontinent implementiert werden. Das ist der richtige Weg! (Zwischenruf von EP-Abg. Ing. Dr. Paul Rübig.)
Es kann doch nicht der Weg sein, zu ignorieren, was draußen stattfindet, dass immer weniger Menschen genau auf Grund dieser Europapolitik einfach nicht mehr zur Wahl gehen. Es sind, glaube ich, bei der vorangegangenen EU-Wahl 42 Prozent der wahlberechtigten Menschen zur Wahl gegangen. Bei den Slowaken waren es überhaupt nur 13 Prozent. Dort sagen 87 Prozent: Das interessiert uns nicht! - Sie aber sagen: Wir brauchen mehr Europa und noch mehr Europa! Das ist das Richtige.
Dazu sage ich: Mitnichten ist das das Richtige! Das Richtige ist vielmehr der Weg, den ich Ihnen vorgezeigt habe! (Beifall bei der FPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie schon sagen, dass Europa so wichtig ist, dann frage ich: Wo sind denn Ihre Leute? - Ich sehe sie nicht! Die letzte Debatte, die wir über Europapolitik hier führen konnten, liegt eineinhalb Jahre zurück, und da sind die Reihen noch immer licht und geleert!
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