Gemeinderat, 12. Sitzung vom 29.09.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 98
Das Problem dieser Zahlen, Daten und Fakten zieht sich ja durch, und das ist mein Kritikpunkt immer wieder auch an den Quartalsberichten des Wiener Krankenanstaltenverbundes: Ich halte es für total wichtig, dass wir endlich eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik machen, eine Politik, die auf ganz konkreten Zahlen basiert, und diese Zahlenbasis soll in den Vereinbarungen auch von vornherein klargelegt werden. Und wenn ich jetzt von der neuen Vereinbarung spreche, die zwischen dem Wiener Krankenanstaltenverbund und der Ärztekammer auf dem Tisch liegt, wenn wir hier von den Mindestpräsenzzeiten sprechen, dann muss ich sagen: Auf welcher Basis? Haben wir denn die genauen Zahlen, dass wir wissen, welche Art von Dienstleistungen, Services tatsächlich gemacht werden? Die haben wir nicht. Wir haben diese Zahlen nicht auf Abteilungsebene. Diese sind nicht vorhanden. Das heißt, wir können gar nicht sagen, was diese Mindestpräsenzzeit ist. Das heißt, hier haben wir dieselbe Situation wie bei der ersten Vereinbarung, dass wir einfach keine konkreten Zahlen, Daten und Fakten haben. Und solange man Vereinbarungen schließt, die nicht auf Zahlen und Fakten basieren, die für alle Vertragspartner akkordiert sind, werden diese Vereinbarungen nicht funktionieren.
Das ist letztendlich auch der Grund dafür, dass die Ärzte gestreikt haben. Man hat gedacht, die Solidarität wäre nicht so groß, aber Fakt ist, sie ist deutlich größer, als Sie glauben. Ich denke, das wird sich in Zukunft auch noch weiter abspielen, wenn man nicht endlich anerkennt, dass eine solche dramatische Reform - und sie ist notwendig - gemeinsam mit den Menschen, MitarbeiterInnen an der Basis des Wiener Krankenanstaltenverbundes zu erfolgen hat und es nicht geht, dass man einfach nur über deren Köpfe hinweg entscheidet. Das halten wir für wichtig. Gesundheitspolitik muss evidenzbasiert sein.
Und der zweite wichtige Punkt ist: Die Parteipolitik muss endlich raus aus dem Gesundheitswesen! - Danke. (Beifall bei NEOS und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als Nächster ist Herr StR Mag. Blümel zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich freue mich, wieder zurück zu sein - nach der Sommerpause. Für uns war es keine, denn die Stadtregierung hat uns viel zu tun gegeben im Sommer, egal, ob das „Alt Wien“ war, die Gebührenerhöhung, die angekündigt worden ist, oder die vielfältigen Probleme im Gesundheitssystem. Dass in der Regierung von Rot-Grün einiges schiefläuft, ist offensichtlich. Und vieles von dem, was schiefläuft, hat einen konkreten Namen, nämlich Ihren, Frau StRin Sonja Wehsely, was auch der Grund für den Titel dieser Aktuellen Stunde war.
Das Wiener Gesundheitssystem ist leider Gottes krank. Viele Wienerinnen und Wiener ärgern sich zu Recht darüber. Die Liste der Versäumnisse im Gesundheitsbereich ist leider Gottes lang, egal, ob es um das Versäumnis von öffentlichen notwendigen Reformen geht oder darum, dass sie zu spät oder auf eine ja nicht sehr konsensuelle oder konstruktive Art und Weise angegangen werden. Wie gesagt, die Arbeitszeitrichtlinie ist seit 2004 da. Und weil die NEOS gesagt haben, es sei der Bund, der das so lange verabsäumt hat (Amtsf. StRin Mag. Sonja Wehsely: Bartenstein ist der Name!), bitte, kleiner Seitenhieb: Die NEOS brauchen allein über die Entscheidung der Anfechtung einer Wahl eine Diskussion und eine Abstimmung. Also wenn die NEOS über so etwas entscheiden müssten, würde es wahrscheinlich noch länger dauern. (Beifall bei der ÖVP.)
Ein weiterer Grund für das Versagen ist das Großprojekt Krankenhaus Nord. Das Krankenhaus Nord ist überhaupt ein Sinnbild dafür, wie Rot-Grün mit Großprojekten auch im Gesundheitsbereich umgeht: Eklatantes Missmanagement und die Ankündigung, dass das Ganze ungefähr 600 Millionen EUR kosten wird und mittlerweile zu einem Milliardengrab geworden ist. Ganz zu schweigen davon, dass der Fertigstellungstermin 2014 bei Weitem nicht mehr in den Mund genommen wird.
Auch die Spitalslastigkeit ist angesprochen worden. Das Motto, ich gehe ins AKH, wenn der Fuß weh tut, kann man den Wienerinnen und Wienern nicht mal übel nehmen, denn das ist einfach eingelernt worden, weil im niedergelassenen Bereich so viele Probleme herrschen. Und zu guter Letzt zu wenig Anreize in der Vorsorge beziehungsweise in der Prävention: Das ist auch ein gesundheitspolitischer Aspekt, Stichwort Reparaturmedizin, das muss man Ihnen leider auch anlasten.
Frau Stadträtin! Ich habe aufmerksam ihre Interviews im „Kurier“ vom Wochenende gelesen. Ich muss Ihnen widersprechen, wenn Sie da zusammengefasst werden mit den Worten: „Bei einem Mann würde man sagen, der ist cool.“ Es tut mir leid, mit dieser Bilanz wird Sie niemand auf der Welt cool finden, egal, welches selbst- oder fremdzugesprochene Geschlecht sie sich selbst attestieren. Das ist einfach eine Bilanz des Versagens. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)
Es gäbe aber wohl eine Möglichkeit, wie vielleicht manche in diesem Raum, auch ich, Sie wieder cool finden würden, nämlich wenn Sie sich einsetzen würden für den Acht-Punkte-Plan, den wir als ÖVP zur Rettung des Gesundheitssystems in Wien vorgelegt haben. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Beispielsweise eine Stärkung des Wahlarztsystems, indem wir endlich eine volle Refundierung des Kassentarifs umsetzen: Ich würde Sie bitten, sich dafür einzusetzen. Immerhin ist die Zahl der Wahlärzte ja gestiegen, nämlich von 3.000 im Jahr 2010 auf 3.400 im Jahr 2016. Wenn die SPÖ meint, man müsse dieses System reduzieren, dann frage ich mich, wie dann die ärztliche Versorgung im niedergelassenen Bereich aufrechterhalten werden soll. (Beifall bei der ÖVP.)
Die Aufstockung der Kassenverträge ist ebenfalls eine Notwendigkeit im niedergelassenen Bereich. Wir fordern 300 zusätzliche Kassenplanstellen für die niedergelassenen Ärzte sowie auch eine Überarbeitung des Honorarsystems und natürlich eine professionelle Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie. - Ja, das können sie ruhig posten. (Zwischenruf von Amtsf. StRin Mag. Sonja Wehsely.) Viertens: Eine rasche Etablierung des Zentralen Notaufnahmesystems in KAV-Spitälern. Im Spitals
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