Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 121
heute vier Bereiche erläutern, wo wir anpacken und etwas weiterbringen wollen.
Erstes Thema ist das Thema Jobs. Wir brauchen mehr Arbeit für alle, wir brauchen dringende Impulse zur Belebung des Arbeitsmarktes. Mein Vorredner hat kurz gesagt, Unternehmer schaffen keine Arbeitsplätze, Unternehmer arbeiten nur gewinnorientiert. Ja, das tut mir ein bisserl weh. Ich glaube, Sie haben es anders gemeint, oder ich habe es anders verstanden. (Zwischenruf von GR Peter Florianschütz.) Ich glaube, wir sind uns schon einig, dass das beides ein sehr wichtiges Zusammenspiel ist. Danke sehr.
Die Arbeitslosenzahlen sprechen aber im Moment für sich. Wir haben heute in Wien eine Arbeitslosenquote von 13,5 Prozent, Tendenz leider stark steigend, und der rot-grünen Stadtregierung gelingt es bisher nicht, diese erforderlichen Arbeitsplätze zu schaffen und die hohe Arbeitslosigkeit zu senken. Wien hat ein massives Problem in diesem Bereich. Sie, liebe Stadtregierung, sprechen gerne von Krisen und wie wenig Sie in diesem Bereich tun können, denn schließlich sei die Krise schuld. Da bräuchte es Maßnahmen auf EU-Ebene oder auf Bundesebene, Wien könne da leider nichts oder sehr wenig tun.
Ich finde, das stimmt so aber nicht. Vergleicht man die Daten, dann kommt man zu einem anderen Schluss. In deutschen Großstädten wie zum Beispiel München - es ist heute schon kritisiert worden, dass wir München nennen, aber es ist ein sehr gutes Beispiel -, die in einer mit Wien vergleichbaren Situation sind, wächst die Wirtschaft, und die Arbeitslosenzahlen sinken. Die Krise als Ausrede zählt also längst nicht mehr.
Aber man muss gar nicht über die Grenzen schauen, da reicht es, wenn man den Blick auf Österreich wirft. Wien hat mit Abstand die höchste Arbeitslosenquote im österreichischen Bundesländervergleich, und es ist auch bei den Steigerungsraten ganz weit vorne dabei. Von 2014 auf 2015 haben wir ein Plus von 1,9 Prozent, die Bilanz ist ernüchternd. Während die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse unselbstständiger Beschäftigter zum Beispiel in Niederösterreich von 2000 bis 2014 um 11,7 Prozent zugenommen hat, sind es in Wien nur 3,3 Prozent. Wien ist damit mit Abstand am letzten Platz. Auch in absoluten Zahlen hat Niederösterreich das dreifache Wachstum und Niederösterreich ist eigentlich auch nur Drittletzter in Österreich.
Wien ist im Moment auch nicht gerade interessant für Unternehmer und Unternehmerinnen, die Arbeitsplätze schaffen wollen: Vorschriften, Gebühren, überbordende Bürokratie, wo man hinschaut. Fazit: Betriebe wandern eher aus Wien ab, als sich anzusiedeln, auch wenn die Frau Brauner vorhin wieder einmal etwas anderes behauptet hat.
Zweitens: Man muss die Pflichtschulbildung ernster nehmen und sicherstellen, dass junge Menschen nicht nur Zeit in der Schule absitzen, sondern dass diese Jugendlichen die notwendigen Kompetenzen auch tatsächlich erreichen. Nur so haben sie eine Chance am Arbeitsmarkt, und nur so kann man die unglaubliche Anzahl junger MindestsicherungsbezieherInnen senken. Stattdessen ist man stolz auf ein Pflichtschulsystem, das junge Menschen ins Leben entlässt, ohne dass sehr viele von Ihnen ausreichend lesen und schreiben können. Das ist Zukunftsraub, meine Damen und Herren, anders kann ich es leider nicht nennen. (Beifall bei den NEOS.)
Junge Menschen haben ein Recht darauf, Schulbildung in einem Maße zu erhalten, damit Sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben führen können und nicht direttissima von der Schule ins Sozialhilfesystem weitergeleitet werden. Dass in besonderen Lebensnotlagen der Staat einspringen soll, darüber brauchen wir nicht zu reden, das ist klar. Es geht mir hier darum, die strukturellen Rahmenbedingungen aufzuzeigen, die geändert werden müssen, und hier gibt es einige offene Fragen: Wie viele junge Menschen sind in Wien auf die Mindestsicherung angewiesen, obwohl sie erwerbsfähig sind? Wie viele werden vom Schulsystem entlassen, ohne die notwendige Qualifikation zu haben? Dazu gibt es ja leider keine aktuellen Zahlen. Deswegen haben wir eine Anfrage dazu eingebracht, um hier endlich Klarheit zu schaffen, und ich bin gespannt, was die Zahlen zeigen werden. Es wird auch nicht helfen, wenn man die Menschen im derzeitigen gescheiterten System verwahrt, bis sie 18 sind. Wenn Sie in dieser Zeit nicht die notwendigen Kompetenzen erlernen, bringt das gar nichts. Und somit geht auch die von Ihnen hochgelobte Ausbildungspflicht bis 18 meiner Meinung nach in eine derzeit nicht ideale Richtung.
Zur dritten Maßnahme, der tatsächlichen Reform der Mindestsicherung. Wir müssen Erwerbsanreize schaffen und Erwerbsanreize stärken. Mit einheitlicher Bundeskompetenz, mehr Sachleistungen und einer verbesserten Datenerhebung können wir das schaffen. Das sind unsere Reformvorschläge neben den bereits genannten Veränderungen der Rahmenbedingungen, die automatisch zu einer Abnahme der MindestsicherungsbezieherInnen führen würden. Es muss sich auszahlen, wenn man arbeiten geht, hier braucht es mehr Anreize. (Beifall bei den NEOS.)
Wir NEOS haben unser Modell ja bereits vorgestellt. Es braucht eine Umstellung von Geldleistungen auf mehr Sachleistungen, damit das Geld auch dafür verwendet wird, wofür es gedacht wird, zum Beispiel für Ausbildung, für Kinderbetreuung oder für Wohnraum. Hier braucht es eine Einigung auf Bundesebene, wobei ich dazu schon noch eines sagen möchte: Niemand hindert Wien daran, bessere Daten zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel in Bereichen, die immer wieder angefragt werden, zum Beispiel Aufstockungsleistungen. Was sind die Leistungen, zu denen aufgestockt wird? Welche Kinder sind noch schulpflichtig und leben in einem Haushalt, der bereits Mindestsicherung bezieht? Welche sind beeinträchtigt oder aus anderen Gründen nicht erwerbsfähig und beziehen deshalb Mindestsicherung? Welche jungen Menschen sind hingegen erwerbsfähig und beziehen ebenfalls Mindestsicherung? Gerade Wien kann hier Vorbild sein und bessere Daten liefern, weil nun einmal
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