Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 121
Das Defizit können Sie damit redlicherweise nicht erklären! - Nur so viel dazu. (Beifall bei der ÖVP.)
Dann kommt auch: Wir investieren in einen Spitalsbau. - Ja. Das ist auch notwendig und wichtig! Zur Gesundheit wird es heute noch einiges zu sagen geben. Aber wenn wir uns die Kosten pro Bett in vielen anderen Spitalsneubauten in Österreich und auch in ganz Europa anschauen und dann die Kosten pro Bett beim Krankenhaus Nord, und zwar in der Hoffnung, dass die budgetierte Milliarde jetzt wenigstens halten möge, dann muss man sich auch fragen, wie effizient hier vorgegangen wird, meine Damen und Herren!
Zur Ihrer These, Frau Stadträtin: „Wir investieren uns aus der Krise.“ - Ich habe mir einen ganz wesentlichen Bereich vorgenommen, wo man schon in Anbetracht der derzeitigen Migrationsströme investieren muss, wo wir aber auch eine sehr hohe Arbeitslosigkeit haben, nämlich das Baugewerbe. Und was sehe ich da? - 2007 gab es im Budget Bauinvestition von 1,788 Millionen, 2013 von 1,943 Millionen und 2015 von 1,883 Millionen, das ist also - sagen wir einmal - plus/minus linear beziehungsweise gleich bleibend. Die große Wohnbauoffensive, die uns die Stadtregierung permanent einreden möchte, geht aber aus diesen Zahlen jedenfalls nicht hervor! (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Dennoch ist dieser Rechnungsabschluss 2015 kein Spiel wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“, wie ich erstmalig zu sagen geneigt bin, und zwar aus drei Gründen:
Diesmal haben Sie es, Frau Stadträtin, nicht einmal geschafft, den Budgetentwurf einzuhalten. 221 Millionen waren budgetiert, das wurde schon angesprochen, und 528 Millionen waren es tatsächlich, es ist also in weiterer Folge um einiges mehr als das Doppelte geworden! Dafür nennen Sie uns hier und auch über die Medien eigentlich nur zwei Gründe, nämlich die Kosten für die Flüchtlingsbetreuung und die Kredite in Schweizer Franken.
Sehr geehrte Frau Stadträtin! Dass Sie die Kredite, die diese Stadt in der fremden Währung, nämlich in Schweizer Franken, aufgenommen hat, mit einem Tageskurs angeben müssen und nicht einfach wie bisher sagen können, dass keine Verluste entstanden sind und Sie einfach weiter roulieren, das ist, glaube ich, Handwerkszeug einer seriösen Buchhaltung. Das sollte man nicht beklagen. Ganz im Gegenteil! Das hätte man schon frühzeitig, zumindest schon im Dezember 2014, für das Budget 2015 einplanen sollen (Beifall bei der ÖVP.)
Oder schauen wir uns die Kosten für das Sozialsystem an! Auch hier wird immer davon gesprochen, dass alles in Ordnung ist. Kollege Ellensohn sagt uns, wie wichtig und toll das Sozialsystem denn sei. - Um nicht missverstanden zu werden: Sozialsysteme sind großartig! Aber der Sinn jedes Sozialsystems sollte sein, sich selbst überflüssig zu machen.
Was aber haben wir? - Wir haben österreichweit Ausgaben von 869 Millionen für die Mindestsicherung. Wien-weit sind es 544 Millionen, also satte 63 Prozent aller Kosten, die für die Mindestsicherung in diesem Land anstehen.
Ich halte es mit Kollegen Oxonitsch. Auch ich bin kein großer Freund von Taferln, aber ich zeige Ihnen jetzt trotzdem den Bundesländervergleich im Zusammenhang mit den Kosten für die Mindestsicherung. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sie schauen nicht hin! Sie kennen das wahrscheinlich schon!
Aber wenn man sich das anschaut, dann muss man auch darüber nachdenken, ob man damit nicht gewisse Effekte befeuert. So hat beispielsweise Kollege Schellhorn erzählt, dass es Leute gibt, die in den Bundesländern arbeiten wollen und gearbeitet haben, dann aber sehen, dass in Wien anscheinend ein Sozialsystem herrscht, wo Milch und Honig fließen, dass dieses aber - und das ist das große Problem - auf Dauer nicht finanzierbar sein wird. (Beifall bei der ÖVP.)
Schauen wir uns auch die Kosten für die Grundversorgung an, meine Damen und Herren! Auch da haben wir große Lasten zu tragen. Das ist ja auch okay so. Aber das zeigt, wie absurd es ist, einerseits - wie Kollegin Frauenberger erst vor wenigen Tagen in einem Interview - zu sagen, wir schultern locker doppelt so viele Asylwerber in dieser Stadt. Es wäre andererseits aber auch zynisch zu sagen, unsere Obergrenze ist null.
Nein! Helfen sollen wir, helfen müssen wir, und das ist gut so! Wir müssen es aber in einem Ausmaß tun, in dem es dieses Land und diese Stadt vertragen und das wir schultern können.
Ich komme schon zum Schluss, etwas ist mir aber noch ganz, ganz wichtig.
Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger (unterbrechend): Entschuldigung, Herr Klubobmann! Sie können lange reden, Ihre Fraktion hat noch 11 Minuten Zeit.
GR Mag. Manfred Juraczka (fortsetzend): Vielen Dank für die Entwarnung vom Vorsitz! Dann muss ich mich weniger beeilen, werde aber trotzdem meine Gedanken fertigbringen.
Der dritte Punkt, warum dieser Rechnungsabschluss anders ist als viele vorhergehende, ist die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Diese hat sich von Jahr zu Jahr verschärft, und wir haben über Jahre hinweg auch immer wieder darauf hingewiesen. Mittlerweile stehen wir aber bei einer Arbeitslosigkeit über das ganze Jahr 2015 von 13,5 Prozent. Wir stehen bei der Jugendarbeitslosigkeit von 15 Prozent. Innerhalb der Periode von Rot-Grün haben sich diese Zahlen um 70 Prozent erhöht.
Meine Damen und Herren! Da können Sie sich nicht auf die internationale Krise ausreden! Nein! Schauen Sie sich doch einmal die Arbeitsmarktzahlen Deutschlands an! Schauen Sie auch auf die Neuschaffung von Jobs in anderen Bundesländern! Da sind hier durchaus Eigenfehler passiert!
Zwei weitere Zahlen: 39,1 Prozent, also fast 40 Prozent der Arbeitslosen in Wien sind mittlerweile Langzeitarbeitslose, das heißt, sie haben seit mehr als einem Jahr keine Beschäftigung. Und ich gehe mit der Zahl, die ich jetzt nennen werde, sehr sorgfältig um, damit jetzt nicht wieder Zynikvorwürfe von den GRÜNEN kommen. Aber wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, wenn wir davon ausgehen, dass man Integration in dieser Stadt von allen hier im Gemeinderat vertretenen
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