Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 33 von 107
oder Demokratie hält, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Nichtsdestoweniger sagen wir immer: Der Souverän ist natürlich das Volk, das Volk soll darüber abstimmen. Die österreichische Bevölkerung soll darüber abstimmen, ob man sich im Rahmen dieser Freihandelsabkommen dann dem US-amerikanischen Markt ausliefert.
Deswegen darf ich heute auch zwei Initiativanträge einbringen, denn wir sagen immer, die Bevölkerung ist mündig genug, selbst darüber abzustimmen. Daher darf ich die Anträge einbringen, jeweils eine verpflichtende österreichweite Volksabstimmung bezüglich CETA und TTIP abzuhalten. Ich ersuche auch hier um die sofortige Abstimmung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)
Also kurz zusammengefasst: Wir glauben, dass mit den Personen, die da jetzt noch versuchen, Verbesserungen auszuverhandeln, nichts mehr zu gewinnen sein wird. Darum sagen wir: Lieber jetzt raus aus den Verhandlungen! Stoppen wir TTIP, stoppen wir CETA, und schützen wir unseren heimischen Arbeitsmarkt! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Dipl.-Ing. Al-Rawi. Ich erteile es ihm.
GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi (SPÖ): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Meine lieben Kollegen, Damen und Herren!
Es ist mir wirklich ein Rätsel, warum wir überhaupt ein TTIP oder ein CETA brauchen. Keiner von uns, der hier als Politiker rausgeht, kann jemals erklären, welchen Nutzen wir dadurch erzielen. Wer braucht es? Für wen? Was ist der Grund? Warum? Wozu? Aber es gibt 100 Gründe, warum wir es nicht brauchen! Ich glaube, das haben wir jetzt von sehr vielen Rednerinnen und Rednern gehört und auch durch die Mitteilung der Frau StRin Brauner.
Hand aufs Herz: Kann irgendjemand von uns guten Gewissens dieses Abkommen schließen? Können wir das gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern vertreten? Können wir ihnen erklären, warum wir das machen, und vor allem auch unseren Kindern? Wir würden unseren eigenen Handelsspielraum einschränken, unsere Standards in der Umwelt, in der Gesundheit, in der Lebensmittelsicherheit preisgeben.
Zwei Schlagwörter möchte ich gerne auch unterstreichen. Das eine ist die sogenannte Sperrklinkenklausel. Ich möchte als Kommune nicht meinen öffentlichen Verkehr, die Abfallentsorgung, die Bildung meiner Kinder oder deren Gesundheitsversorgung, deren Trinkwasser, die Energieversorgung liberalisieren. Und wenn es irgendwelche Kommunen auch machen, dann möchte ich nicht, dass es nicht mehr rückgängig zu machen ist, sozusagen in alle Ewigkeit der Liberalisierung zu opfern ist. Laut CETA-Abkommen ist es so: Einmal liberalisiert ist für immer liberalisiert!
Das andere ist die sogenannte Negativliste. Ich möchte auch nicht, dass ich jetzt sagen muss: Was möchte ich für alle Ewigkeit nicht liberalisiert haben? Alles, was ich nicht will, soll ich jetzt deklarieren - und dann? Was weiß ich, was in 20 Jahren sein wird! Ich bin ja nicht bei einer Hochzeit, wo es heißt: Er möge jetzt sprechen und dann für immer schweigen.
Ich will auch nicht, dass ich meine demokratischen Rechte jemand anderem überlasse. Ich will nicht und brauche nicht einen Rat für regulatorische Kooperation, der einen Gesetzesvorschlag auf Handelshemmnisse hin überprüft, bevor dieser dem EU-Parlament oder nationalen Parlamenten vorgelegt wird. Ich brauche aber auch statt des Vorsorgeprinzips kein Nachsorgeprinzip der Amerikaner, die erst nach 15 Jahren draufkommen, dass Europa das verbleite Benzin schon verboten hat, und es dann auch verbieten, weil man ja nicht sicher ist, ob es ungesund ist.
Wenn wir schon bei der Demokratie sind: Wie demokratisch ist es denn, dass wir durch vorläufige Anwendungen vor vollendete Tatsachen gestellt werden? Genmanipulierte Lebensmittel - Herr Blümel, jawohl, auch wenn Sie es nicht glauben! - sind ein Teil davon, auch Gas-Fracking und vieles andere. Nicht zu vergessen ist auch, dass wir für diesen Zeitraum die Investitionsgerichte schon am Hals haben, wie es auch Kollege Margulies dargestellt hat, und zwar drei Jahre lang.
Dann wären wir schon beim nächsten Punkt: Warum und für wen? Welcher Investor hat etwas zu befürchten, meine Damen und Herren, wenn er in demokratischen Rechtsstaaten investiert? Diese Sorge, dass wir Investitionsgerichte brauchen, ist möglich, wenn wir Verträge mit Bananenrepubliken unterschreiben. Aber ich glaube, dass das in einem funktionierenden demokratischen Rechtsstaat, wie auch Europa einer ist, nicht notwendig ist. Wir brauchen uns nicht zu fürchten und uns als eine Bananenrepublik zu deklarieren!
Dürfen wir in Zukunft bei jeder Gesetzesänderung, die die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Umwelt, die Gesundheit betrifft, gleich eine Klage am Hals haben? Riskieren wir auch Steuergeld, um Konzerne mit Milliarden zu entschädigen? Auf 4,7 Milliarden EUR wurde Deutschland zum Beispiel allein wegen des demokratisch beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie verklagt! Was kommt als Nächstes? Dass Pensionsfonds Kanadas und Amerikas, die in Immobilien in Österreich investieren, Österreich verklagen, weil zum Beispiel eine Spekulationssteuer eingeführt wird? Haben wir an diese Möglichkeit einmal gedacht?
Alle diejenigen, die glauben, dass diese kosmetische Änderung bezüglich der Schiedsgerichte - dass es nicht mehr dieses Investor State Dispute Settlement wäre in neuen sogenannten Investitionsgerichten, wie es, glaube ich, Herr Wiederkehr erzählt hat - etwas ändert: Im Gegenteil! Ich lege Ihnen einmal die Studie „The Friends of the Earth“ ans Herz, die sozusagen die europäische Organisation von GLOBAL 2000 erstellt hat. Sie hat sich die Mühe gemacht, die fünf wichtigsten und plakativsten Prozesse aufzulisten, die nach dem Schiedsgerichtssystem geklagt wurden: Philip Morris gegen Uruguay wegen Einführung von strengeren Anti-Rauch-Gesetzen; die Ölindustrie wegen eines nicht stattgegebenen Pipelinebaus, TransCanada gegen die USA; das Fracking-Moratorium, wo Lone Pine gegen Kanada geklagt hat; in
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