Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 107
sowohl in Europa als auch in den USA die wirtschaftlich stärkeren großen internationalen multinationalen Konzerne versuchen, sich eine Rechtsordnung zu schaffen, die es für sie selbst leichter macht und sicherstellt, dass sie auch in Zukunft, wenn es in anderen Bereichen möglicherweise gar nicht mehr so einfach ist, einen Profit zu erwirtschaften, ihre Gewinne maximieren können. (GRin Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: Das ist nicht so!)
Wer zahlt drauf? Das erkennen wir schon jetzt überall dort, wo öffentliche Dienstleistungen liberalisiert sind. Das sind breite Teile der Bevölkerung. Ich merke doch, wir streiten oft über die Gebühren in Wien. Die Freiheitlichen und auch Sie sagen, wir sind Gebührenhauptstadt. Wir sagen im Großen und Ganzen, schauen wir uns ganz Österreich an. Eigentlich haben wir in Summe die niedrigsten Gebühren von allen. Zeigen Sie mir eine größere Stadt. Was uns aber eint, ist, und da sind wir, glaube ich, alle einer Meinung, so lange in Wien die öffentlichen Dienstleistungen, Wasser, Müll, Abwasser in öffentlicher Hand sind und bleiben, sind sie zumindest deutlich günstiger, als überall dort, wo sie privatisiert sind. (StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Sie haben das Kanalnetz privatisiert!) Das wollen wir tatsächlich für unsere Bürger und Bürgerinnen erhalten. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Ein nächster Punkt: Weil Sie das Chlorhuhn ins Spiel bringen mit einer Niveaulosigkeit, der ich mich nicht anschließen will, würde ich tatsächlich über einen anderen ganz wesentlichen Punkt reden, wo genau Ihrem Vorsitzenden Mitterlehner auch als Handelsminister und Wirtschaftsminister wesentliche Bedeutung zukommt, nämlich in der Frage der vorläufigen Anwendung.
„Vorläufige Anwendung“, das klingt so harmlos: Ein nicht ratifizierter Vertrag wird vorläufig angewendet. Da könnte man sich im Großen und Ganzen denken, na ja, und wenn man ihn dann nicht ratifiziert oder irgendetwas, dann ist er einfach weg. Nein! Was bedeutet vorläufige Anwendung? Vorläufige Anwendung bedeutet: Obwohl nicht ratifiziert vom Parlament, de facto eine dreijährige Gültigkeit, wo basierend auf dem, was eigentlich das Parlament nicht annimmt oder möglicherweise nicht annimmt, trotzdem Klagerechte für Investoren zugestanden werden, trotzdem all das, was in diesem Vertrag drinsteht, geregelt ist, und jeder kann dagegen klagen.
Wissen Sie - und das ist das Perfide bei der vorläufigen Anwendung -, wann endet denn die vorläufige Anwendung? Wissen Sie das? Nein? (GR Dominik Nepp: Mit der Ratifizierung!) Ja, mit der Ratifizierung, das ist die eine Variante. Aber stellen wir uns vor, er wird nicht ratifiziert: Wann endet die vorläufige Anwendung? Als Nationalstaat kann man die vorläufige Anwendung überhaupt nicht mehr beenden! Sondern nur dann, wenn die Europäische Union selbst das Abkommen verwirft, wird die vorläufige Anwendung von solchen Verträgen wie CETA, TTIP, et cetera beendet.
Unter diesen Rahmenbedingungen - und ich komme damit zum Schluss - einen Vertrag abzuschließen, der auf der einen Seite Tür und Tor öffnet und die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, ihre demokratischen Rechte, ihre ArbeitnehmerInnenrechte und auch den Schutz für eine intakte Umwelt in Frage stellt, einen Vertrag, der Tür und Tor öffnet, um öffentliche Dienstleistungen zu privatisieren, so etwas darf man, glaube ich, aus Sicht einer verantwortungsvollen Kommune nicht zustimmen! Ich danke sehr. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Nepp. Ich erteile es ihm.
GR Dominik Nepp (FPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es geschehen anscheinend noch Wunder, nämlich, wenn ich sagen kann: Ich kann die Rede von Herrn Margulies auf Punkt und Beistrich unterschreiben. Ja, Wunder geschehen. (Beifall bei der FPÖ.)
Denn von Herrn Blümel, was war das, diese rot-grün-blaue (StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Koalition der Angst!) Koalition der Angst - ich meine, das ist keine Frage der Angst. Das ist einfach eine Frage der Vernunft! Aber die hat anscheinend woanders schon ausgesetzt. (Beifall bei der FPÖ.)
Aber okay, es ist ja wirklich erfreulich, dass wir erstens heute dieses Thema, TTIP und CETA, hier debattieren, vor allem CETA als Blaupause von TTIP. Herr Margulies hat es auch schon erwähnt: Es ist ja eigentlich bereits fix und fertig ausverhandelt, man wartet nur noch auf die Umsetzung. Das ist nur noch eine Frage der Zeit. Natürlich ist auch TTIP medial ein großes Problem, es wird ja auch medial rauf und runter gespielt, aber CETA ist eben auf Grund der Dringlichkeit und als Vorbote von TTIP, vor allem auch als Türöffnerfunktion, brisanter und gefährlicher.
Ich kann auch im Namen unserer Fraktion, der Freiheitlichen Fraktion, nur sagen: In dieser Form, so wie es bis jetzt ausverhandelt wurde oder wie nun der Verhandlungsstand ist, egal, ob TTIP oder CETA, lehnen wir das ab, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Aber es gibt ja dennoch immer wieder politisch Verantwortliche, die nicht müde werden zu erwähnen, welche Vorzüge solche Handelsabkommen wie CETA oder TTIP haben. Für uns ist es mehr oder weniger eine Mogelpackung, die schon auch eine gewisse Gefahr für die heimische Wirtschaft darstellt. Es wird immer behauptet, es gibt ein enormes Wirtschaftswachstum, wenn man so etwas abschließt. Es werden Arbeitsplätze geschaffen - und zwar ist das ständig das Hauptargument - durch die Angleichung der Gesetze und Regeln zwischen den beiden Vertragspartnern und Wirtschaftsregionen und vor allem durch die Stärkung der Investorenrechte.
Aber wenn man sich das eben auch rückblickend anschaut - Herr Margulies hat das ja auch schon richtig gesagt -, ist es eigentlich ein massiver Angriff auf alles, was wir uns hart erarbeitet oder hart erkämpft haben: ein Angriff auf die soziale Sicherheit, ein Angriff auf die Arbeiterrechte und Arbeitsrechte, ein Angriff auf den Umweltschutz und auf die nachhaltige Landwirtschaft, ein Angriff auch auf öffentliche Dienstleistungen und öffentliche Daseinsvorsorge und schlussendlich dann auch ein Angriff auf die Demokratie.
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