Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 107
auch ein Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren - ISDS wird es in den vielen Untersuchungen genannt - vorsieht. Was heißt das? Das heißt, dass Investoren im Zusammenhang mit behaupteten Verletzungen von Investitionsschutzstandards hohe staatliche Entschädigungszahlungen einklagen können, und diese, sehr geehrte Damen und Herren, nicht vor normalen Gerichten, sondern vor eigens dafür zu schaffenden privaten Sondergerichtsbarkeiten. Das, denke ich, ist demokratiepolitisch ganz problematisch.
Was heißt das in der Praxis? Es gibt schon viele Beispiele. Ich darf Ihnen eines nennen, den Fall Moorburg. Im Jahr 2004 hat der staatliche schwedische Energiekonzern Vattenfall die Hamburger Elektrizitätswerke gekauft und hat das große Kohlekraftwerk Moorburg für die Stromversorgung der Stadt errichtet. 2008 hat die Stadtregierung Hamburg die Genehmigung erteilt, was ihre Aufgabe ist, hat aber hohe Umweltauflagen damit verbunden, etwas, was wohl so sein soll, was auch bei uns ohne Weiteres passiert und was wir auch machen. 2009 hat Vattenfall die Stadt Hamburg auf 1,4 Milliarden EUR geklagt, weil er sagt, diese Umweltauflagen machen das Kraftwerk unrentabel. Deswegen klagt er gegen diese, und zwar bei einem internationalen Schiedsgericht in Washington D.C. Diese Schiedsgerichte sind deswegen möglich, weil es eine Energie-Charta gibt, die Deutschland und Schweden unterzeichnet haben, also so, wie es hier auch bei CETA und TTIP vorgesehen ist. 2010 wurde vor diesem Schiedsgericht ein Kompromiss geschlossen. Leider hat Hamburg nach Einwirken der Bundesregierung eine Sondergenehmigung erteilt, die Umweltauflagen gesenkt und trägt die Prozesskosten. 2015 wurde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland von der Kommission eröffnet, weil die Sondergenehmigung gegen die Naturschutzrichtlinie verstößt und weil die Einigung vor dem Schiedsgericht EU-rechtswidrig ist. Das heißt, Deutschland ist jetzt in der Situation, dass es entweder an Brüssel oder an Vattenfall Strafe zahlen muss, eine völlig absurde und demokratiepolitisch, umweltpolitisch, von der internationalen Gestaltungskraft eines Staates unter Selbstbestimmung einer Stadt extrem skurrile, absurde und abzulehnende Situation. Trotzdem, obwohl sich die EU hier sozusagen selbst widerspricht, will die Kommission Investitionsschutz in TTIP und CETA. Dieser konkrete Fall ist, glaube ich, ein sehr gutes Beispiel dafür, was mit diesen Freihandelsabkommen passieren kann und warum wir uns ganz stark dagegen verwehren. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Das Beispiel zeigt Auswirkungen auf ganz alltäglich Dinge, die auch hier unsere Alltagsarbeit sind, Umweltauflagen zu erteilen, Schutzbestimmungen festzulegen, dafür zu sorgen, dass unsere Bürger und Bürgerinnen eine gute Daseinsvorsorgeleistung bekommen, welche Auswirkungen diese Freihandelsabkommen auf unsere ganz konkrete Arbeit haben. Es droht eine Liberalisierung und Aushöhlung von Schutzbestimmungen durch die Hintertür. Wir brauchen einen echten Schutz für unsere Daseinsvorsorge und keine Mogelpackung. Das ist unsere klare Wiener Position, die wir auch schon entsprechend öffentlich präsentiert haben. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Denn, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, CETA und TTIP beschäftigen uns schon längere Zeit. Ich darf sagen, dass seitens der Stadt Wien schon sehr viel zu dem Thema passiert ist.
Schon im Dezember 2013 gab es einen entsprechenden Workshop der MA 27, gemeinsam mit der Arbeiterkammer, zum Thema Freihandelsabkommen. Viele Workshops der MA 27 sind dem gefolgt.
Wien war auch federführend bei der einheitlichen Länderstellungnahme gemäß Art. 23 B-VG im Mai 2014, im Juni 2015, indem wir viele Forderungen schon formuliert haben.
Es gab dann im November auch eine Veranstaltung des VÖWG. Sie wissen vielleicht, dass ich dessen Präsidentin bin und wir uns auch hier gemeinsam mit dem Städtebund zu TTIP sehr engagieren. Auch da haben wir auf Risken von TTIP und CETA hingewiesen.
Im März 2014 gab es auch einen Beschlussantrag der GemeinderätInnen der SPÖ und der GRÜNEN, der mehrheitlich angenommen wurde.
2014 habe ich mich direkt an Herrn Vizekanzler Mitterlehner gewandt und habe ihn aufgefordert, aus inhaltlichen und demokratiepolitischen Gründen, ich erwähnte ISDS-Regeln, Negativliste, mangelnde Transparenz, sich gegen die Annahme des CETA-Abkommens auf europäischer Ebene auszusprechen.
Auch unser Herr Bürgermeister hat sich dankenswerterweise sogar dieses Jahr im Februar an den Herrn Bundesminister Mitterlehner gewandt und hat diese, unsere Position noch einmal deutlich formuliert und auch die Kraft seines Amtes dahintergestellt.
Also, es gibt hier viele Aktivitäten. Wir geben auch nicht auf. Auch mir persönlich ist es ein großes Anliegen, weil ich mich hier eben nicht nur als Finanz- und Wirtschaftsstadträtin, sondern auch als Präsidentin des VÖWG verantwortlich fühle. Deswegen haben wir auch eine Studie angeregt, die gemeinsam mit Arbeiterkammer und Städtebund jetzt präsentiert wurde, die die Auswirkungen dieser Abkommen auf die Daseinsvorsorge behandelt. Wir haben sie in unserem letzten Ausschuss diskutiert, im VÖWG diskutiert. Sollte sie jemand noch nicht haben und Interesse haben, stellen wir sie sehr gerne zur Verfügung.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, es darf keine Sonderklagsrechte für Investoren und Investorinnen geben. Die Wiener Position zu CETA und TTIP fordert die Streichung dieses Investitionskapitels. Diese Forderung kann ich gar nicht oft genug stellen. Die ordentliche Gerichtsbarkeit hochentwickelter Rechtssysteme bietet Investoren einen ausreichenden Rechtsschutz. Hier eine andere Struktur zu schaffen, halte ich für demokratiepolitisch und rechtspolitisch ganz falsch. Es ist schärfstens abzulehnen! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Aber, und damit kommen wir jetzt auch schon in die österreichische Tagespolitik, auch eine vorläufige Anwendung solcher Abkommen ist striktest abzulehnen! Es ist undemokratisch, wenn Bürger und Bürgerinnen sowie Parlamente durch die vorläufige Anwendung vor vollen
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