Gemeinderat, 5. Sitzung vom 23.02.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 36 von 114
Wenn man dann auf die Uni will, braucht man ebenfalls eine Gesamtpunkteanzahl, die man in der Schulzeit zusammengesammelt hat und die für die Bewerbung an der Uni total wichtig ist. Und die außerschulischen Aktivitäten, mit Musik und Sport zum Beispiel, bringen auch extra Punkte.
Wenn man sich dann anschaut, wie viel Zeit zum Beispiel 15-jährige Schüler in Polen für Hausaufgaben verwenden, so sind das 6,6 Stunden. In Österreich sind es 4,5 Stunden. Aber wir wollen ja jetzt auch die Hausaufgaben abschaffen. Also das sind Dinge, wo ich mir denke: Wie soll dieses Gesamtschulsystem funktionieren?
Was in Polen noch der Fall ist - und das ist etwas, wo ich mir gedacht habe, das kann nicht das sein, was wir wirklich wollen -: Unter den sechs OECD-Staaten, in denen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind studieren wird, mit Abstand am stärksten vom Bildungsabschluss der Eltern abhängt, liegt Polen auf Platz 2. Das kann nicht das sein, was wir für unsere Kinder haben möchten.
Dann möchte ich noch gerne auf Finnland eingehen, weil Sie darauf auch immer so gerne verweisen. In Finnland ist es so, dass die Schulen ganz autonom die Lehrpläne jedes Jahr ändern dürfen und an ihre SchülerInnen anpassen können - ganz autonom. Und in Finnland - und das ist es, was ich jetzt endlich einmal hier aufklären möchte - lebt man die äußere Differenzierung in einem Schulgebäude. Und zwar gibt es dort Leistungsklassen, Begabtenklassen, Förderklassen, Schwerpunktklassen und einiges mehr. Da wird nicht Inklusion betrieben, sondern das ist eine äußere Differenzierung in einem Schulgebäude! (Beifall von GR Mag. Wolfgang Jung.) Und das ist genau jenes Land, auf das Sie immer verweisen und sagen, dort funktioniere Gesamtschule wunderbar.
Wir waren in Wien auf einem ganz guten Weg, die Wiener Mittelschulen als wirkliche Alternative zum Gymnasium zu etablieren. Wir hatten wunderbare Geschichten wie die DKS, wir haben die WMS, und wir sehen ja auch, dass die Schwerpunktschulen mit Sport und Musik einen unglaublichen Run erleben. Jetzt frage ich mich: Warum wehren Sie sich so sehr dagegen, die Mittelschule als eine gute Alternative zum Gymnasium zu positionieren? Und warum kann das Gymnasium in seiner langen Form nicht die Kinder auf die universitäre Laufbahn vorbereiten? Warum geben Sie den Kindern nicht die Möglichkeit, ihren Begabungen und Interessen entsprechend eine weitere Schulform vorzufinden? Mit uns würde das nämlich gehen, denn da würde man der Wahlfreiheit der Kinder entgegenkommen.
Nochmals zu Finnland: Wenn man sich einmal die Arbeit macht und einen Geburtenjahrgang beobachtet, wie er diese ganzen Tests durchläuft - es gibt den Test TIMSS und den Test PIRLS in der 4. Klasse Volksschule -, dann sieht man, wir sind da extrem schlecht und liegen hinter den PISA-Ergebnissen der 15-Jährigen. Am gleichen Geburtenjahrgang zeigt sich, dass wir in PISA ein bisschen aufholen, aber immer noch schlecht sind.
Und schauen wir uns dann den PISA-Test für die Erwachsenen an - das sind die von 16 bis 65 -, so sieht man an der Altersgruppe 16 bis 29, dass wir plötzlich vor Finnland liegen! Was zeigt uns denn das? - Unser differenziertes Bildungssystem macht schon Sinn!
Eine Zahl möchte ich Ihnen noch von einem UNICEF-Bericht mitteilen: Der Anteil der SchülerInnen, die sich von der Schule belastet fühlen, liegt in Österreich bei den 11-Jährigen bei 12 Prozent und in Finnland bei 27 Prozent. Bei den 13-Jährigen beträgt er 21 Prozent und in Finnland 45 Prozent, und bei den 15-Jährigen sind es 27 Prozent und in Finnland 61 Prozent. - Wenn wir das wollen, eine Schule, die unsere Kinder belastet, dann machen Sie bitte so weiter! (Beifall bei der ÖVP.)
Ich sage Ihnen, die Zahlen zeigen es ganz deutlich, die Gespräche mit den Lehrern zeigen es, die Gespräche mit den Eltern und auch mit den Kindern und den Jugendlichen zeigen es deutlich: Wir müssen in den Volksschulen ansetzen, und wir müssen die Mittelschulen aufwerten. Wir müssen Lehrerdienstposten mit Lehrern besetzen, und wir müssen dafür sorgen, dass Volksschulen und Mittelschulen autonom auf die Kinder reagieren können. Und wir dürfen auch die Noten nicht einfach abschaffen. Leistung ist wichtig, denn unsere Kinder werden in Zukunft unsere Stadt am Laufen halten, und Leistung kann wirklich Freude machen.
Bezüglich dieser Diskussion über die Abschaffung der Noten und die allein verbale Beurteilung gebe ich nur zu bedenken, dass wir in Wien viele Familien haben, die Deutsch weder lesen noch sprechen können. Wie die anhand einer verbalen Beurteilung ihrer Kinder dann erkennen sollen, welchen Förderbedarf die Kinder haben, das würde ich gerne verstehen. Aber hier setzen wir eben auch auf Wahlfreiheit, denn wir sind der Meinung, es soll die Entscheidung über die Form der Beurteilung in den Volksschulen autonom gemeinsam mit Lehrern und Eltern getroffen werden, und es soll auch beides möglich sein. Daher bringen wir folgenden Antrag ein:
„Der Wiener Gemeinderat spricht sich dafür aus, dass die Entscheidung über die Form der Beurteilung in den Volksschulen autonom am jeweiligen Standort durch die Eltern und Lehrer getroffen wird, um auch weiterhin die Vergleichbarkeit sicherzustellen sowie eine gewisse Leistungskomponente beizubehalten.“ (Beifall bei der ÖVP.)
Ich kann nur noch einmal betonen: Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Mittelschulen aufwerten. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir bei den Volksschulen ansetzen. Und ich glaube, dass es auch wichtig ist, das Gymnasium in seiner langen Form zu behalten, um die Kinder auf die universitäre Karriere vorzubereiten. Ich glaube, dass wir auf die Mittelschulen wirklich endlich einmal das Augenmerk legen sollten, das sie sich verdienen, denn die Lehrer dort machen einen verdammt guten Job, und wir müssen den Kindern eine Alternative bieten können, die als gleichwertig zum Gymnasium angesehen wird.
Bildung ist ein wichtiges Gut in Wien und in Österreich, und ich bekenne mich zum gemeinsamen Europa, zur Republik Österreich, zu ihrer Verfassung und achte
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