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Gemeinderat, 5. Sitzung vom 23.02.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 114

 

mer wieder in Gesprächen mit den Menschen, wie wichtig es ist, dass wir uns zu unseren Werten bekennen. Und für unsere Kinder kann es eine unglaubliche Chance sein, wenn sie unsere Werte des gemeinsamen Europa, der Republik Österreich, der Gleichstellung von Mann und Frau, aber auch des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben als selbstverständlich ansehen. Wenn es für sie eine vollkommen klare Gegebenheit ist, dass sie damit leben können, ist das eine Chance für unsere Kinder. Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

 

„Der Wiener Gemeinderat spricht sich für die verstärkte Wertevermittlung im Unterricht aus, um unsere Werte zu stärken und klarzustellen. Dazu ist die Implementierung einer Werteformel an den Wiener Pflichtschulen vorgesehen, die von allen Schülerinnen und Schülern verinnerlicht und regelmäßig verwendet wird. Die Werteformel soll den folgenden Wortlaut haben:

 

‚Ich bekenne mich zum gemeinsamen Europa, zur Republik Österreich, zu ihrer Verfassung und achte die österreichischen Gesetze und Grundwerte, um die Würde des Menschen, unsere Freiheit und ein friedliches Miteinander zu sichern. Mann und Frau sind in Österreich gleichgestellt, und jeder Mensch hat das Recht, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten.‘“ (Beifall bei der ÖVP.)

 

Was klar sein muss, ist, dass uns kein Kind verloren gehen darf, egal, ob das Kind kein Deutsch kann, egal, ob das Kind von zu Hause nicht gefördert werden kann. Aber auch ein Kind, das Talente hat, darf uns nicht verloren gehen. Das heißt, wir brauchen auch ein Schulsystem, das auf die Wahlfreiheit der Eltern und Kinder eingeht.

 

Dass das Rot-Grün nicht möchte, haben Sie in den letzten Sitzungen ja deutlich gezeigt. Sie haben ja unsere Anträge zur Wahlfreiheit abgelehnt, ebenso wie auch unsere Anträge auf Einbindung der Eltern und der Lehrer bei der Entscheidung, ob eine Schule eine verschränkte Form haben soll oder nicht.

 

Da möchte ich jetzt - und ich bin sehr froh, dass die Stadträtin anwesend ist - eine Sache kurz ansprechen, die mich wirklich irritiert hat. Wir haben an Sie eine schriftliche Anfrage gestellt, in der wir gefragt haben: Wie ist der Plan bezüglich verschränkter Ganztagsschulen? Wie ist, vice versa, der Plan, was die Offenen Schulen betrifft? - Wir wollten einfach nur ganz sachliche Informationen. Wir haben dann von Ihnen die Antwort bekommen, im Schuljahr 2016/17 seien derzeit keine Umstellungen von Offenen Schulen auf Ganztagsschulen geplant. Zwei Stunden später erhalte ich aber interessanterweise einen Bescheid, dass im 9. Bezirk eine Volksschule in eine ganztägige Schulform umgewandelt wird, und zwar ab September 2016.

 

Und da frage ich mich - es geht uns ja nicht darum, irgendein Schulsystem schlechtzureden, das versuchen wir ja immer wieder zu erklären, ich verstehe nur nicht: Warum kann man uns da nicht die Wahrheit sagen? Warum muss man das dann irgendwie so herausfinden? - Das fördert nicht unser Vertrauen zu Ihnen und ist wirklich nicht verständlich. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich will jetzt auch kurz darauf eingehen, warum wir glauben, dass ein differenziertes Schulsystem in Wien die einzige Möglichkeit ist, wie Schulbildung wirklich funktionieren kann. Dazu möchte ich gerne Ihre Vorzeigeländer hernehmen und sie mit den Wiener Gegebenheiten vergleichen, zuerst einmal Nordrhein-Westfalen.

 

In Nordrhein-Westfalen gibt es bei den Gesamtschulen die Klassengröße von 25 Kindern, es stehen dort 2 Lehrer und bis zu 4 Sozialpädagogen in einer Klasse. Jetzt rechnen Sie sich einmal aus, was das, auf die Wiener Schulen umgelegt, ausmachen würde, und da werden Sie erkennen, das würde in Wien schon einmal deshalb nicht funktionieren, weil wir einfach dieses Support-Personal nicht haben. Um überhaupt auf den Durchschnitt der OECD-Länder zu kommen, fehlen uns 4.000 zusätzliche Stellen an Wiener Schulen und Support-Personal. Wie Herr Kollege Schober gesagt hat, es fehlen uns Psychologen, Sozialarbeiter, es fehlen uns aber auch Dolmetscher und es fehlt uns Verwaltungspersonal. Wir haben Pflichtschulen, wo die Eltern mittlerweile einen Kreisel eingerichtet haben, um die Verwaltungs- und Sekretariatstätigkeiten zu machen, damit die Lehrer sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren können, nämlich auf das Lehren und auf das Arbeiten mit unseren Kindern.

 

Wenn wir jetzt noch die aktuellen Zahlen von Nordrhein-Westfalen anschauen, dann sehen wir plötzlich, dass die Anzahl der Förderschulen dort extrem ansteigt. Und da muss ich mich dann fragen, ob das das ist, was wir in Wien wollen.

 

Jetzt möchte ich noch kurz auf Polen eingehen, weil Sie darauf auch immer so sehr als eines Ihrer Vorzeigeländer verweisen. In Polen ist es so, dass die Schulzeit in Wirklichkeit schon mit fünf Jahren beginnt, weil jedes Kind verpflichtend die Vorschule besuchen muss. Das kann in den Schulen stattfinden, das kann aber auch in den Kindergärten stattfinden. Die Kinder in Polen werden mit vier Jahren das erste Mal mit den Buchstaben und der Schreibschrift und dem Lesen konfrontiert. Da muss ich mir jetzt die Frage stellen: Wann dürfen eigentlich unsere Kinder noch Kinder sein? (GRin Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES: … Leistung?!) - Lassen Sie mich ausreden! Ich bin noch nicht fertig. Einfach einmal zuhören!

 

Die andere Sache ist, dass Polen zum Beispiel extrem viele Schulen mit Schwerpunkten hat, dass Polen teilweise ein breiteres Schulangebot hat, als wir es in Wien oder in Österreich haben. Und die Sache ist auch ganz einfach: In Polen in den Gesamtschulen ist Leistung so ein großes Wort und wird so großgeschrieben, dass da wahrscheinlich weder die NEOS mitgehen könnten, und Rot-Grün könnte sowieso nicht mitgehen.

 

Die Geschichte ist nämlich so: Wenn man in Polen auf eine AHS gehen will, muss man Punkte sammeln und braucht einen gewissen Notendurchschnitt, sonst kommt man gar nicht rein. Wenn man diese Punkte nicht hat, hat man Pech gehabt. Aber man hat wenigstens die Möglichkeit, in eine andere Schule zu gehen, denn die haben zum Beispiel Mittelschulen, wo man einen Lehrberuf erlernen kann, und so weiter.

 

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