Gemeinderat, 69. Sitzung vom 01.07.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 94
Grund dieser Stärken handeln. Dabei dürfen wir uns nicht dreinreden und dreinlobbyieren oder uns Verträge einreden lassen. Ich bin zum Beispiel bekannterweise kein TTIP-Freund per se, aber man muss darüber nachdenken, was auch uns gut tut. Das ist für mich ein Selbstbewusstsein, an dem wir noch arbeiten können. Denn wer kann mir jetzt ganz schnell sagen, was Europa besser als die USA oder als China kann? – Ich habe darüber nachgedacht: Wir sind kreativ, wir sind flexibel, wir sind sicherlich sehr innovationsfähig, wir sind gut in der Forschung, und all das gehört gefördert, und mit diesem Selbstbewusstsein können wir auch wirtschaftlich bestehen.
Drittens wünsche ich mir ein mitfühlendes Europa. Das brauchen wir, denn wir haben nichts von einer Finanzkonstruktion, in deren Rahmen die einen Nettozahler sind, die immerhin ihre erarbeiteten Steuergelder hergeben. Das vergisst man ja oft: Die Gelder kommen ja nicht aus irgendwelchen Töpfen, sondern wurden von den Menschen beziehungsweise Steuerzahlern erarbeitet. Diese haben ihre Lebenszeit hergegeben, obwohl sie sich ja auch vielleicht in eine Wiese legen oder Zeit mit ihren Kindern verbringen können hätten. Sie haben ihre Lebenszeit jedoch für Arbeit hergegeben, von dieser Arbeit zahlen sie Steuern, und mit diesen Steuern unterstützten sie andere Länder und Wachstum.
Aber ich möchte auch Fairness den Empfängerländern gegenüber. – Ich möchte jetzt einen kleinen Konstruktionsfehler nennen: Ein EU-Kandidat, Albanien zum Beispiel, bekommt jetzt einmal Geld, um die Kriterien zu erreichen. Der Staat wird dann vielleicht aufgenommen, und dann bekommt er Geld für Förderungen. Diese muss er jedoch mit 50 Prozent mitfinanzieren, das Geld ist jedoch nicht vorhanden, und deshalb müssen Kredite aufgenommen werden, doch die Banken haben auch nicht genug Geld, daher rückfinanzieren sie es zum Beispiel in Deutschland, und irgendwann haben sie einfach im Hinblick auf diese Förderungen zu viele Kredite aufgenommen.
Es müssen also andere Finanzierungssituationen geschaffen werden! Zuerst muss die Bonität geprüft werden, und ich glaube, es muss am Beginn auch viel bei der Verwaltung geholfen werden.
Dennoch glaube ich an dieses Europa, an eine Weiterentwicklung und dass wir unseren zukünftigen Generationen etwas hinterlassen können, was tatsächlich eine Zukunft bietet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich GR Mag Jung, und ich erteile ihm das Wort.
GR Mag Wolfgang Jung (Klub der Wiener Freiheitlichen): Danke, Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren!
Kollege Van der Bellen hat, ausgehend von hier und heute, mit der Kanonade von Valmy begonnen, also einem sehr kriegerischen Ereignis im Jahr 1792, nämlich der ersten großen Beschießung einer Stadt. Das ist ein interessanter Anfang! In der Fortsetzung beziehungsweise in seiner Analyse hat er – erstaunlich! – vom Bereich der Krim gesprochen, wobei ich auf etwas hinweisen möchte: Sicherlich ist das, was in der Ukraine vor sich geht, eine überaus problematische Geschichte, aber auf beiden Seiten. Und ich glaube, es ist falsch, dass wir uns in der EU einen Kurs verordnen lassen, der einseitig von Interessen eines anderen Kontinents, nämlich der USA, teilweise bestimmt wird. (Beifall bei der FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)
Der Herr Kollege hat also einige durchaus interessante Punkte in seiner Analyse gebracht, im Hinblick auf welche wir seine Ansicht teilen. Ich weiß allerdings nicht, ob Kollege Maresch und Margulies ganz teilen, was da gesagt wurde.
Was mir aber gefehlt hat, war eine Folgerung aus dem Ganzen. Um in der Antike und bei den Klassikern zu bleiben: Schiller sagt: „‚Was tun?‘ spricht Zeus.“ – Das haben Sie uns nicht erklärt, Herr Kollege!
Und nun zum Thema der heutigen Aktuellen „Europa, eine Vision“: Man ist sehr versucht, in diesem Zusammenhang Kanzler Vranitzky zu zitieren. Sie kennen das berühmte Zitat: „Wer Visionen hat, braucht einen Arzt.“ (GR Ernst Woller: Das hat er nie gesagt!) Natürlich! – Na ja, auf diese Debatte mit Ihnen lasse ich mich jetzt nicht ein! Aber die Aussage des Ganzen ist nicht ganz unrichtig! Denn genau diese Träumereien und Visionen, die uns dauernd vorgegaukelt werden, haben uns in das gegenwärtige Problem beziehungsweise in diese griechische Tragödie hineingeführt! (Beifall bei der FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)
Was ist eine Tragödie? – Sie ist eine griechische Erfindung. Nach der Definition geht es um den schicksalhaften Konflikt der Hauptperson und deren Situation, die sich unaufhaltsam verschlechtert bis hin zur Katastrophe. Und dabei gibt es zwei Grundbegriffe, nämlich „eleos“ und „phobos“, Jammer und Schaudern. Jammer und Schaudern will man den Zuschauern einprägen. – Und genau das tut man bei uns! Wir haben es ja gehört! Man sagt: Der Euro zerbricht Europa! Ohne Griechenland zerfällt die Union! Und so weiter.
Mittlerweile beginnt man schon zurückzurudern, und sagt, es geht auch ohne Griechenland. Traurig ist halt – und da empfehle ich, den heutigen „Falter“ zu lesen! –, wie man die Realität wegreden will und uns weiter auf den Knien rutschen lässt. Wir sind es nämlich – schauen Sie sich die gestrigen Meldungen an! – die dauernd auf den Knien rutschen und sagen, bitte, bitte, liebe Griechen, nehmt doch unser Geld.“ – Es ist geradezu lächerlich, was wir hier aufführen! Es ist Zeit, da einen Schlussstrich zu ziehen.
Es geht nicht um den Schuldenschnitt, denn das Geld ist eh schon längst weg! (GR Ernst Woller: Das ist so wie in Kärnten!) Das Geld, das wir gegeben haben, werden wir nie wieder sehen! Unsere lieben Regierungspolitiker, vor allem auch bei uns in Österreich, wagen jedoch nicht, das zu sagen, denn dann müssten sie sagen, dass sie Österreich damit weitere 8 Milliarden EUR Schulden durch Haftungen aufs Auge gedrückt haben. Und zu unserem heutigen – schauen Sie in die Zeitungen! – Rekordbudget, das diese Republik noch nie gehabt hat, nämlich einem Allzeit-immer-Hoch an Schulden, kommt jetzt das auch noch dazu! Dazu kommt auch
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