Gemeinderat, 68. Sitzung vom 29.06.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 49 von 140
wollen ja nicht in eine Situation gelangen, in der wir dann letztendlich vielleicht noch Zwangszuteilungen bekommen, weil jemand zu viel Wohnraum zur Verfügung hat. Da muss man also schon auch die Kirche im Dorf lassen. (GRin Dr Jennifer Kickert: Das würde ich Ihnen auch vorschlagen!) Man darf die sehr, sehr große Hilfsbereitschaft der Österreicher, die sich schon über Jahrzehnte immer wieder bewährt haben und sehr großzügig sind, nicht überstrapazieren. Es ist sicher notwendig, dass man jenen Menschen, die zu Recht zu uns kommen, und so weiter, auch ein entsprechend menschenwürdiges Dasein garantiert, aber man muss schon signalisieren, es kann nicht sein, dass wir die Probleme von Somalia, Eritrea, Syrien, Irak, Libyen bis nach Afghanistan lösen. Das können wir nicht, und das würde uns bei Weitem überfordern. (Beifall bei der FPÖ.)
Ein weiteres Thema: Mit der Bilanzierung der Stadt ist es natürlich so, dass die rein privatwirtschaftlichen Bilanzierungsmethoden bei öffentlichen Körperschaften nicht immer der Weisheit letzter Schluss sind, was etwa die Bewertung der Aktiva betrifft. Ich würde halt so sagen: Die laufenden Einnahmen und Ausgaben müssen sich einigermaßen in der Balance halten. Wenn es langfristige Infrastrukturinvestitionen gibt, dann sind Kreditfinanzierungen überhaupt kein Problem, denn da werden wirklich nachhaltig Werte geschaffen. Eine neue U-Bahn, eine neue Autobahn, die kann und muss ich nicht aus der Portokassa finanzieren. Dort ist das nicht drin, aber den laufenden Betrieb sollten wir eigentlich mit unseren hohen Steuern und Gebühren schon auch finanzieren können.
Wenn man jetzt einfach hergeht und sagt, wir taxieren das Rathaus und schreiben das dann in die Aktiva hinein, und dann kommt einer und sagt, das ist 300 Millionen wert, da haben wir nichts davon, denn wir wollen es ja nicht verkaufen. Dem Toni Faber ist auch nicht geholfen, wenn es heißt, der Stephansdom ist 1 Milliarde EUR wert (Beifall von GR Mag Wolfgang Jung.) und jetzt zahlen wir halt die Priestergehälter oder die Pfarrkindergärtner sozusagen mit Schulden, denn wir haben ja 1 Milliarde in der Hinterhand. Ich glaube, das bringt einfach nichts. Und das sehen ja auch die EU-Vorgaben vor, dass das strukturelle Defizit sozusagen um gewisse Investitionen bereinigt wird - da kann man wahrscheinlich noch nachschärfen, dass wirklich Investitionen, wo nachhaltig Werte geschaffen werden, auch besser behandelt werden -, dass die teilweise herausgerechnet werden, aber der laufende Betrieb sollte eigentlich bei unserer Steuer- und Abgabenbelastung schon im weitesten Sinn auch finanziert werden und finanzierbar sein.
Und wenn es heißt, wir haben ja nur 6 Prozent vom Bruttoregionalprodukt an Schulden und wir könnten ja 60 Prozent machen, dann kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen, denn die 60 Prozent sind ja die Grenze für den gesamten Staat, für alle Körperschaften. Wenn jetzt jede Körperschaft die 60 Prozent ausnützt, dann könnten sich die Bezirke im Ausmaß von 60 Prozent des Bezirksregionalprodukts verschulden und dann kommt die Stadt Wien und legt etwas drauf und der Bund und die Sozialversicherungen. Also die 60 Prozent, an die wir uns ohnedies nicht halten, beziehen sich auf den Gesamtstaat inklusive der Sozialversicherungsträger und inklusive ausgegliederter Einrichtungen wie ÖBB, wie ASFINAG, und so weiter - und da sind wir drüber. Und da haben wir keine 60 Prozent als Stadt und Land Wien. Ich glaube, das müsste man auch richtigstellen.
Ein letztes Wort zu den Wiener Stadtwerken: Auch da wird natürlich sehr viel Gutes gemacht, sehr viel gute Arbeit geleistet. Es hat mich ein bisschen befremdet, als ich dann gehört habe, dass die nächste U-Bahn-Generation keinen Fahrer mehr hat. Also wenn man immer Arbeitsplatzsicherheit, und so weiter vor sich herträgt, dann weiß ich wirklich nicht: Müssen das wirklich Roboter-U-Bahnen sein, oder sind wir nicht auch gut gefahren mit dem Straßenbahnfahrer, mit dem U-Bahn-Fahrer, mit dem Autobusfahrer? Ich weiß nicht, ob das wirklich so viel bringt - der Schaffner ist ohnedies schon weg. Ich würde das noch einmal hinterfragen wollen. - Danke. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Dipl-Ing Martin Margulies: Ich danke. - Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Niedermühlbichler. – Bitte.
GR Georg Niedermühlbichler (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Herr Vorsitzender! Frau Vizebürgermeister! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wenn es nach dem Kollegen Aigner gehen würde, dann hätten wir wahrscheinlich auch noch die Schaffner in der Straßenbahn. (Zwischenrufe bei der FPÖ, darunter GR Ing Udo Guggenbichler, MSc: Euch sind die Arbeitsplätze wurscht, oder?) Ich kann deine Angst insofern beruhigen, Kollege Aigner, weil es natürlich - und das wurde auch von der Frau Vizebürgermeisterin klargestellt - Zugbegleiter geben wird. Aber ob der vorne sitzen muss oder dann vielleicht besser bei den Passagieren durchgeht – was da die bessere Lösung ist, sei dahingestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade aus den Aussagen der Freiheitlichen, aber auch des Kollegen Aigner hört man die pure Angst - die pure Angst vor Menschen, die nach Wien kommen, die pure Angst vor Zuwanderung und auch die pure Angst vor Menschen, die Hilfe brauchen. (GR Mag Wolfgang Jung: Die pure Angst habt ihr vor dem 11. Oktober!) Wir Wiener Sozialdemokraten sagen ganz deutlich: Wir stellen eine Politik der Menschlichkeit in den Vordergrund und in den Fokus, und Menschen, die Hilfe brauchen, bekommen bei uns selbstverständlich jede Art von Hilfe. Dafür steht Wien, dafür stehen wir, dafür steht auch die rot-grüne Stadtregierung, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Wir haben - und wir reden ja über den Rechnungsabschluss 2014 – im vergangenen Jahr zwei wesentliche Herausforderungen gehabt, und die werden uns auch in Zukunft begleiten: einerseits natürlich die Finanz- und Wirtschaftskrise, die wir ja nicht verschuldet haben, aber wir müssen damit umgehen, und die Frau Finanzstadträtin macht das in hervorragender Art und Weise. Und es ist halt einfach so: Wenn uns, wie etwa auch vom Kollegen Neuhuber, vorgeworfen wird, wir haben höhere
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