Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 63 von 86
meine Damen und Herren, begreifen. Aber das Unbehagen bei den Leuten wächst.
Das Griechenland-Thema brauchen wir gar nicht mehr lange zu behandeln, denn das wissen Sie selber, dass das am Kochen und vor der Explosion ist. Das gute Geschäft der Frau Ministerin Fekter – nicht mehr Ministerin in der Zwischenzeit – hat sich längst als katastrophale Fehlleistung gezeigt. Schlimm ist nur, dass die Frau Fekter das damals auch gewusst hat. Wie alle anderen. So wie Sie heute von jedem Wirtschaftsfachmann hören, Grexit oder der Austritt Griechenlands aus dem Euro, was die vernünftigere Variante wäre, ist zu verzögern, aber nicht mehr aufzuhalten. Verzögern heißt, wir zahlen noch eine Zeit lang mehr dazu, und dann explodiert die Geschichte doch.
Heute haben wir vom Herrn Kollegen Leichtfried wieder gehört, man kann nicht aus dem Euro austreten. Na, da sind die anderen Staaten schon ganz anderer Meinung in der Zwischenzeit, aber vielleicht hat er zu wenig Wirtschaftsberichte gelesen und nicht aufgepasst, weil er mehr im Flugzeug und in Wartesälen der diversen Flughäfen gesessen ist, als sich mit parlamentarischer Arbeit zu befassen. Das ist unrealistisch, und das wissen alle Fachleute. Deutschland bereitet sich auf den Grexit oder den Austritt Griechenlands vor. Unserer Regierung wird das, wie man merkt, passieren, und die Folgen werden auch entsprechend schwerwiegender für uns sein.
Was ist die Realität bei all diesen Geschichten, die man uns da heute erzählt, bis hin zu dem Märchen von der Friedensunion? Na, wie viele Kriege hat denn die Schweiz ohne Europäische Union geführt? Wie viele Kriege haben wir bis zum Beitritt vor 20 Jahren geführt? Das ist doch völliger Unsinn. Man hat den Begriff Friedensunion aufgenommen, weil der Bereich der Wirtschaftsunion nicht mehr gezogen hat, und jetzt versucht man, mit diesem Bereich hier die Bevölkerung einzulullen. Nur, es geht nicht mehr, sondern im Gegenteil, es ist eine gefährliche Entwicklung im Gange.
In sehr vielen Ländern, vor allem auch in wichtigen Ländern wie in Deutschland, aber genauso auch in Österreich und in anderen Staaten, ist der Zwiespalt zwischen der Meinung der Bevölkerung und der Politik enorm groß. Das äußert sich dann leider auch in radikalster Form, wo die Leute dann im Internet oder sonst wo ihre Meinung hinauslassen. Gott sei Dank, glaube ich, ist nicht jeder der Meinung, das tun zu müssen, was da drinnen geschrieben wird, aber schauen Sie sich die Mails, schauen Sie sich die Leserbriefe in den Zeitungen, schauen Sie sich die Postings an. Hier kocht es in der Bevölkerung, und wenn wir hier nicht vernünftige Gegenmaßnahmen treffen, wird das ausgesprochen kritisch werden.
Da trägt in Wirklichkeit unsere Politik die Verantwortung, nämlich die Politik bei uns im Land, dass man darauf hört, was bei der Bevölkerung läuft, dass man nicht versucht, ihr Märchen zu erzählen. In den Bereichen, wo man realistisch helfen kann, hilft es aber nicht, Versprechungen zu machen, die man nicht einhalten kann, nur weil sie sich gut anhören. Ich frage Sie noch einmal, Herr Kollege Margulies: Wie viele Flüchtlinge haben Sie aufgenommen in der Zwischenzeit? (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Woller. Ich erteile ihm das Wort.
GR Ernst Woller (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Damen und Herren!
Immer wenn es um Diskussionen zu Krieg und kriegsähnlichen Entwicklungen geht, dann lebt der Herr General auf, dann gehen sein Herz und sein Mund über. Ich möchte mich an dieser Kriegsdiskussion gar nicht beteiligen, aber eines muss schon gesagt werden, Herr Kollege Jung. Wir können über alles reden, was in der EU schlecht ist und was man besser machen kann, aber das Einzige, was ja wohl unbestritten ist: Die Geschichte Europas war eine Geschichte von Kriegen. In regelmäßigen Abständen hat es einmal dort einen Krieg gegeben und einmal da einen Krieg, vom Mittelalter über den 30-jährigen Krieg herauf. Aber in großen Teilen Europas hat es nie so eine lange Phase des nachhaltigen Friedens gegeben wie in dem Europa, in dem wir leben, und in vielen Ländern rund um uns (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.), wie seit der Gründung der Europäischen Union und ihrer Vorläuferorganisation. Das muss man an dieser Stelle schon einmal sagen, wenn man jetzt da alles wirklich nur schlechtredet.
Ich möchte jetzt ganz jemanden anderen zu Wort kommen lassen: „Europa ist für mich wie eine große Familie, die in einem Haus gemeinsam lebt! Man akzeptiert und respektiert sich, man macht gemeinsame Dinge, löst gemeinsam Probleme und doch hat jeder seine eigene Persönlichkeit, seine eigene Wohnung und seine Privatsphäre!“ Das sagt Virginia Ernst. Ich habe sie bis vor Kurzem auch nicht gekannt, aber sie ist eine 24-jährige österreichische Sängerin und Songwriterin, die gerade mit ihren Songs „Rockin“ und „Soldier“ die heimische Musikwelt erobert. Virginia Ernst ist am 28.4. zu Gast im Haus der Europäischen Union zum dort regelmäßig stattfindenden Europadialog. Das nur zur Frage, wie man Europadiskussionen auch führen kann.
Virginia Ernst kennt wie beispielsweise meine fünf Kinder und alle anderen jungen Menschen in Österreich, in Wien, in Europa nichts anderes als die Europäische Union und Österreich als Teil dieser Europäischen Union. Für sie ist es selbstverständlich, und zwar alternativlos selbstverständlich, und das ist auch gut so, weil es tatsächlich alternativlos ist. Auch für uns ist die Frage, dass wir Teil einer starken, friedlichen Union sind, eine Selbstverständlichkeit, und wir im Wiener Gemeinderat und Landtag haben uns mit der Frage immer sehr positiv beschäftigt und dazu auch immer die europäischen Fragen diskutiert und ernst genommen.
Es ist daher kein Zufall, dass es bereits vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union eine Europakommission gegeben hat, die wir jetzt aufgewertet haben zu einem Gemeinderatsausschuss für europäische und internationale Angelegenheiten, im vollen Bewusstsein, dass europäische Fragen für das Leben jedes Einzelnen in Wien besonders wichtig sind. Wir werden in dieser sehr konstruktiven Arbeit dieses Gemeinderats
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