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Gemeinderat, 66. Sitzung vom 24.04.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 59 von 86

 

chen der Vergangenheit zu reden, weil damit die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass es in der Zukunft wieder zu solchen Verbrechen kommt. Wenn man sich jetzt auseinandersetzt mit solchen Verbrechen in der Vergangenheit, sie beim Namen nennt und darauf aufmerksam macht und das ächtet und verurteilt, dann sinkt ganz einfach die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung. Daher ist es natürlich unsere Pflicht, auf solche entsetzlichen Dinge aufmerksam zu machen. Ich glaube daher, dass es wichtig ist, darüber zu reden, dass man den Dialog sucht, dass man die Versöhnung fördert und dass man alles unterstützt, was zu einer Verbesserung der türkisch-armenischen Beziehungen beitragen kann.

 

Der Resolutionsantrag schließt damit, dass auch die Resolution des Europäischen Parlaments vom 15. April 2015 begrüßt wird. Ich freue mich, dass es zu diesem Antrag kommen konnte, und hoffe, dass wir mit dieser Initiative einen ganz kleinen Beitrag dazu leisten können, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich solche Dinge wiederholen, reduziert wird. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich GR Dipl-Ing Margulies. Ich erteile es ihm.

 

15.13.33

GR Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrtes Mitglied des Europaparlaments, Frau Dr Monika Vana, die leider als Einzige noch verblieben ist von allen vieren! Aber es freut mich trotzdem ganz besonders, dass Sie wirklich der ganzen Debatte folgen.

 

Ich möchte in diesem Zusammenhang dort beginnen, wo Klaus Werner-Lobo in seiner Rede aufgehört hat: bei der Flüchtlingstragödie im Mittelmeer, beim Umgehen damit und dass Herrn Gudenus ein Satz eingefallen ist, der symptomatisch für die gesamte Politik der Freiheitlichen ist und für die Heuchelei, die dahintersteckt: Es ist wirklich traurig, dass Menschen umkommen, aber … – In diesem Zusammenhang gibt es kein Aber! Es ist traurig, es ist eine Katastrophe, es ist der Politik geschuldet, dass Menschen im Mittelmeer zu Tausenden ertrinken. Und das ist eine Schande für die Europäische Union, das ist eine Schande für die einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dass so etwas zugelassen wird. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Während es mit „Mare Nostrum“ gelungen ist, tausende Flüchtlinge zu retten, ist dies mit Frontex nicht gelungen, weil Frontex eine ganz andere Aufgabe hat. Frontex hat die Aufgabe, vor Einwanderung zu schützen, und nimmt billigend in Kauf, dass Menschen ersaufen. Das ist letztklassig, und dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Deshalb ist es wichtig, dass die Seenothilfe nicht von „Triton“ oder Frontex irgendwie geleistet wird, sondern „Mare Nostrum“ oder etwas Ähnliches wie „Mare Nostrum“ wieder ins Leben gerufen wird. (GR Mag Wolfgang Jung: Von Frontex wird genauso Hilfe geleistet!)

 

Ich komme zu einem zweiten Punkt. Auch da denke ich, dass Klaus Werner-Lobo in seiner ausgesprochen lehrreichen und interessanten Rede recht hat, und ich denke, wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie sozusagen vielleicht auch einiges verstehen können. (Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und SPÖ.) Ich warte nur darauf, dass einfach wieder ein bisschen Ruhe einkehrt. Danke. Auch die FPÖ hat sich wieder beruhigt. (GR Mag Wolfgang Jung: Es hat auch der Baxant gesprochen!) Kollege Jung, Sie sind nicht immer angesprochen, und es wird nicht immer erwartet, dass Sie sofort eine Rückmeldung geben. Ich glaube, so geht es nicht nur mir, so geht es eigentlich fast jedem, der hier steht. (Heiterkeit. – Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung. – Neuerliche Heiterkeit.) Quod erat demonstrandum.

 

Nichtsdestoweniger, wenn Klaus Werner-Lobo darauf hinweist, dass eigentlich Länder wie Österreich gar nicht so reich sind, so reich an Bodenschätzen wie viele, viele andere Länder, von denen wir sagen, das sind lauter arme Länder, und in diesem Zusammenhang Ausbeutung anspricht, dann ist das etwas, was wir tatsächlich alle miteinander zur Kenntnis nehmen sollten und über das, was unter dem Schlagwort „that’s capitalism“ bekannt gewordenen ist, einmal darüber nachdenken sollten, welche Rolle und welche Funktion unter anderem die Europäische Union auch heute noch übernimmt und welche Verantwortung sie heute noch für die Fluchtgründe von Menschen aus Afrika, aus Asien, aus Kriegsstaaten, et cetera liefert. Und ich glaube, deren gibt es viele.

 

Wenn mit Waffen zumeist der europäischen, amerikanischen, russischen Rüstungsindustrie in den Kriegsgebieten aufeinander geschossen wird und eine Vielzahl von syrischen Flüchtlingen etwa keine einzige andere Chance mehr sieht, als zu versuchen, über den Seeweg nach Europa zu kommen, dann beginnt die Verantwortung der Europäischen Union und Europas schon ganz woanders. Wenn zugelassen wird, dass in vielen afrikanischen Staaten Regime gefördert und unterstützt werden, die Menschen unterdrücken, Demokratie abschaffen, et cetera, dann ist es die Verantwortung der Europäischen Union, dass Menschen flüchten.

 

Und ich sage Ihnen noch etwas: Bevor Menschen ihre Familie nicht mehr ernähren können, ist es legitim zu flüchten und zu versuchen, irgendwo einen neuen Anfang zu setzen. Das ist das, was Sie immer als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnen. Ich sage, es ist legitim. Wenn ich keine Möglichkeit finde, wenn ich mir aussuchen kann, verhungern meine Kinder oder nicht, dann darf ich – egal, ob es Ihnen recht ist oder nicht und Sie mich als Flüchtling anerkennen – versuchen, irgendwo anders meine Chance zu finden. Und das ist es, was ganz viele Menschen machen.

 

Deshalb ist der Begriff „Wirtschaftsflüchtling oder nicht“ ein Begriff, der bewusst von Leuten wie Ihnen ins Leben gerufen wurde, um Menschen auseinanderzudividieren. Es gibt Fluchtgründe, und da gehört Verhungern meines Erachtens tatsächlich dazu. In diesem Sinne glaube ich auch nicht – weil das oft kommt –, dass es etwas bringt, wenn wir sagen, machen wir doch eine endgültige Abklärung in den Ursprungsländern, machen wir eine Abklärung an der Küste.

 

Deshalb ist es auch notwendig, die Zuwanderungspolitik tatsächlich zu verändern. Denn was glauben Sie, wenn Menschen, die flüchten, die für sich selbst jeden

 

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