Gemeinderat, 65. Sitzung vom 25.03.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 96
Gegen den Willen der Bevölkerung soll ein Teil des Neustifter Friedhofs verbaut werden. (GR Franz Ekkamp: Falsch!) Dass es sich hier um einen planungspolitischen Willkürakt handelt, ist durch mehrere Fakten eindeutig belegt worden. (GR Franz Ekkamp: Falsch!) Die betreffende Fläche des Neustifter Friedhofs ist Teil des Biosphärenparks Wienerwald. Das Wiener Biosphärenparkgesetz aus 2006 regelt eindeutig den Umgang mit den zu erhaltenden Flächen. Die Ziele sind, wenn man die Anerkennung durch die UNESCO sieht, zu erlangen, dass biologische Vielfalt erhalten bleibt und der Schutz von Ökosystemen. Gesetzlich ist nämlich dezidiert festgelegt, dass bei einer Änderung der Flächenwidmung auf die Zielsetzung des Wiener Biosphärenparkgesetzes Bedacht zu nehmen ist. Das sieht der vorgelegte Entwurf, meine Damen und Herren, einfach nicht vor und widerspricht sogar dieser Zielsetzung.
Hier hat eine vorgenommene Prüfung der relevanten Gesetzesbestimmung eindeutig ergeben, dass der Entwurf eben auf die Zielsetzungen und damit die geltende Gesetzeslage nicht hinreichend Bedacht nimmt. Umso unerklärlicher ist es uns, wenn auf Bezirksebene Rot-Grün dieser Verbauung bereits zugestimmt haben. Hier wird geltendes Recht extrem überdehnt ausgelegt, was fatal an die Wahlrechtsreform erinnert, die wir voraussichtlich am Freitag diskutieren werden. Nur in diesem Fall ziehen Rot und Grün an einem Strick.
Das Tüpfelchen auf dem i ist aber auch noch die Behandlung der Petition gegen die Verbauung der Neustifter Friedhofsgründe. In der diesbezüglichen Sitzung des Petitionsausschusses haben es die roten und grünen Vertreter abgelehnt, zusätzliche Stellungnahmen von der Architektenkammer, der MA 22, der UNESCO, der Umweltanwaltschaft und auch des Verfassungsdienstes einzuholen. Diese Petition wurde von der Bürgerinitiative „Rettet den Neustifter Friedhof“ eingebracht. Es ist praktisch die Bürgerinitiative nicht einmal zu Wort gekommen. Gleichzeitig wurde ein Antrag der SPÖ, diese Petition zu beschließen, von den GRÜNEN unterstützt. Damit wurde diese Petition gleich in die Rundablage befördert. So geht man mit der Demokratie, meine Damen und Herren, nicht um! (Beifall bei der ÖVP.)
Übrig bleibt, dass die SPÖ und die GRÜNEN das Vorhaben gegen alle Widerstände aus der Bevölkerung durchboxen wollen. Es bleibt nur der Schluss, dass Schutz von wertvollem Grünland und eine gelebte BürgerInnenbeteiligung einfach der Agenda der rot-grünen Stadtregierung entgegenstehen. Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass der Neustifter Friedhof der erste Wiener Umweltfriedhof ist. Neben Feuersalamandern, Springfröschen, Fledermäusen, Blindschleichen gibt es auch Europas größten Falter, das sogenannte Wiener Nachtpfauenauge, mit bis zu 14 cm Flügelspannweite. Ich habe das selbst gar nicht gewusst. Ich finde, das ist ein ganz toller Lebensraum für die Tiere. Übrigens erinnert diese Vorgangsweise sehr frappant an die Vorgangsweise beim Hörndlwald. Hier hat man ebenso die Petition, die von rund 7 000 Menschen aus Wien unterschrieben worden ist, einfach negiert. Man sieht, wie sich die Bilder gleichen.
Anstatt, wie es selbst einer Bürgerbeteiligungsstadträtin anstehen würde, für eine breite Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung einzutreten, ist man hier Erfüllungsgehilfe der Mehrheitsfraktion, in der Hoffnung, weiter die Koalition durchführen zu können. Aber die GRÜNEN müssen sich selbst darüber im Klaren sein, dass sowohl der Koalitionspartner als auch die Wähler dieses Manöver durchschauen. Vor allem, dass die grüne Bürgerbeteiligungsstadträtin einfach drüberfährt, lässt uns sehr nachdenklich werden. Auf jeden Fall wird die grünpolitische Doppelmoral in dieser Legislaturperiode erkennbar, die darin besteht, auf der einen Seite als ökologisches Zünglein an der Waage in diese Koalition, aber ich könnte noch sagen, ökologisches Feigenblatt in diese Koalition, gegangen zu sein und auf der anderen Seite permanent Grünlandverbauungen selbst zu fordern, wenn nicht tatenlos zuzuschauen und zu akzeptieren. Hier wird diese Schizophrenie deutlich sichtbar. Es ist sicher keine Empfehlung für die Zukunft.
Besser, meine Damen und Herren, wäre es gewesen, keine vollendeten Tatsachen beim Neustifter Friedhof zu schaffen, sondern in Abstimmung mit den Bürgerinnen und Bürgern eine entsprechende Lösung zu finden, um einen Kompromiss darzustellen. Kollege Taucher, Kollege BV Nevrivy, sie haben auch davon gesprochen, dass Politik ein Kompromiss ist. In diesem Sinne sehe ich keinen Kompromiss. Wir lehnen daher den vorliegenden Flächenwidmungsplan ab! (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Mag Chorherr. Ich erteile es ihm.
GR Mag Christoph Chorherr (Grüner Klub im Rathaus): Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Sehr geehrte Damen und Herren!
Noch einmal: Worum geht es bei diesem Geschäftsstück? Auf einer ehemaligen Friedhofsgärtnerei beim Neustifter Friedhof, die nicht mehr benötigt wird, stellt sich die Frage: Was sollen wir dort tun? Angesichts heftiger Diskussionen im 23. Bezirk, im 21. Bezirk, im 22. Bezirk, im 10. Bezirk, in sehr vielen Bezirken, wo wir auch argumentieren müssen, warum der soziale Wohnbau dort seinen Platz hat (GR Mag Wolfgang Jung: Jetzt habt ihr gerade die Watschen gekriegt!), steht diese rot-grüne Koalition dazu, dass es nicht Bezirke in Wien gibt, die sagen, wir wollen keinen sozialen Wohnbau mehr. (GR Mag Wolfgang Jung: Das sagt eh niemand! Aber nicht diesen!)
Schauen wir uns an, wie die Bevölkerungsprognose ausschaut. (GR Mag Wolfgang Jung: Bezirksvertretungsbeschluss vorige Woche, Herr Kollege!) Schauen Sie sich an, wie im 22. Bezirk Zuwächse sind, wie im 23. Bezirk Zuwächse sind, wie in all diesen Bezirken Zuwächse sind. (GR Mag Wolfgang Jung: Da haben die ÖVP und die SPÖ dagegen gestimmt, Herr Kollege.) Es gibt einige wenige Bezirke, wo es kaum Bevölkerungszuwachs gibt. (GR Mag Wolfgang Jung: Sie wissen es genau!) - Sind Sie jetzt fertig? (GR Mag Wolfgang Jung: Haben Sie begriffen, was ich Ihnen gesagt habe! Sie waren die Einzigen!) Was Sie argumentieren werden, bin ich mit Sicherheit nicht.
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