Gemeinderat, 62. Sitzung vom 29.01.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 76 von 103
kam kein „Ja, realisieren wir die Verluste.“ (Zwischenruf von GR Mag Alexander Neuhuber.) Es kam überhaupt nichts dazu - das muss man tatsächlich einmal sagen - in einer Situation, wo ich es mir erwartet hätte.
Ich kann ja verstehen, dass man politisches Kleingeld auf Kosten aller Wienerinnen und Wiener schlagen will. (GR Mag Wolfgang Jung: ... entschuldigen!) Kollege Jung, weil Sie schon wieder „entschuldigen“ sagen: Hätten wir Ihren Vorschlag gestern, nein, vorgestern befolgt, hätten wir tatsächlich nicht Buchverluste - unangenehm genug -, sondern allein in den letzten 2 Tagen 80 Millionen EUR real realisiert! (GR Mag Wolfgang Jung: Sie wissen genau, dass wir vor zwei Tagen ...) Jetzt steht der Kurs bei 1,04.
Wissen Sie, das ist das Problem an der ganzen Geschichte, und da sehe ich auch den Unterschied zur Spekulation, Kollege Neuhuber. Sie haben Spekulation zitiert: Jemand kauft ein Wertpapier, um es gewinnbringend zu verkaufen; ich vereinfache jetzt.
Die Stadt Wien hat mit ihrer Kreditaufnahme kein Wertpapier gekauft, sie hat Kredite aufgenommen. Weil die Fremdwährungskredite, wie Sie richtig sagen, vor Ihrer Zeit, in Ihrer Zeit und nach Ihrer Zeit in der Regierung stattgefunden haben und im Großen und Ganzen mindestens fast im letzten Jahrzehnt eigentlich fast nur mehr rolliert wurden, zumindest seit unserer Regierungsbeteiligung, das haben Sie selber gesagt, geht es nicht um Kaufen und um Verkaufen möglichst schnell. (GR Mag Wolfgang Jung: Es gibt auch eine Währungsspekulation, Herr Kollege!) Es geht meines Erachtens darum, für die Wienerinnen und Wiener in der Situation tatsächlich das Bestmögliche und Intelligenteste zu machen.
Im Nachhinein sind viele gescheiter, das stimmt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Aber wer traut sich denn heute angesichts der Situation in der Schweiz - und reden Sie bitte mit den unterschiedlichsten Experten, lesen Sie die unterschiedlichsten Zeitungen, lesen Sie dazu vor allen die Schweizer Zeitungen -, wie der jetzige Wechselkurs - und es ist ja nicht nur der Wechselkurs zum Euro, sondern was in der Schweiz stattgefunden hat, war eine allgemeine Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber im Großen und Ganzen allen relevanten Währungen, und zwar ziemlich gleichmäßig um 20 Prozent. Das ändert sich jetzt wieder ein bisschen.
Aber die Folgen und Auswirkungen, und was die Schweiz befürchtet: Nicht umsonst hat die Schweizer Nationalbank den Libor zwischenzeitlich auf -0,9, -1 Prozent gesenkt, was im Übrigen auch - und das sollten Finanzexperten wissen - als Folge hat, dass die Zinsen der Stadt Wien nicht steigen werden trotz 20-prozentiger Kurssteigerung, sondern im Normalfall sinken werden.
Das sollten Sie auch wissen und nicht ständig irgendwelche Märchen erzählen! Dann könnten wir eine sachliche Auseinandersetzung darüber führen, wie es denn sinnvoll ist, die Fremdwährungskredite à la longue abzubauen, eine Auseinandersetzung, die stattgefunden hat. Und immer der Stadt Wien vorzuwerfen, es gäbe keine Strategie, nur weil man am Anfang nur die Hälfte aus dem Bericht über den Abbau der Fremdwährungskredite zitiert hat – na, selbstverständlich war es eine Strategie! Es war eine Strategie, die dem Ausschuss präsentiert wurde.
Jetzt kann man im Nachhinein von mir aus sagen, man hat die Situation falsch eingeschätzt. Ja, das kann man, ich setzte mich damit gerne auseinander. Aber alle relevanten Banken, alle relevanten Experten haben das Gegenteil gesagt. Trotzdem: Ziel muss es natürlich langfristig sein, die Fremdwährungskredite abzubauen. Aber Ziel muss es doch sein für die Stadt Wien, jetzt nicht 300 Millionen oder, wie Sie sagen, 700 Millionen Verlust zu realisieren! Übrigens etwas, was uns gleich zusätzlich noch beim Innerösterreichischen Stabilitätspaket in die Bredouille bringen würde.
Da kommen wir zum Unterschied zu jedem privaten Häuselbauer und auch zur Stadt Linz, die nämlich mit ihren Swap-Geschäften noch ganz andere Risiken gehabt hat und möglicherweise auch deshalb aussteigen musste. Es ist halt ein Unterschied in der Bonität, die die Stadt Wien nach wie vor genießt, weil tatsächlich die Kursänderung vom Franken zum Euro für die Bonität der Stadt Wien genau null Auswirkungen hat.
Das wissen Sie! Jeder, der sich mit Finanzen beschäftigt, weiß, dass bei einem Budgetvolumen von 12 Milliarden EUR die 300 Millionen Kursverluste keinerlei Auswirkung auf die Bonität haben, weil sich die Bonität im Großen und Ganzen daraus berechnet, ob man im Verhältnis von laufenden Einnahmen und laufenden Ausgaben Zahlungen und Tilgungen erledigen kann. Das wissen Sie!
Sie wissen genauso, dass es in der schwierigen Zeit, als wir 500 Millionen EUR Gebarungsabgang hatten, im Jahre 2010/2011, in der Hochblüte der Wirtschaftskrise, wirklich schwachsinnig gewesen wäre, von den 500 Millionen EUR 300 Millionen EUR zu nehmen und den Banken zurückzugeben. Das war mit der Grund, warum wir als GRÜNE gesagt haben, wir tragen es mit.
Dann kommt der Plan des Abbaus, und gleichzeitig passiert in Wien regelmäßig eine Reduktion der Schulden, von 500 Millionen auf 300 Millionen auf 150 Millionen EUR, obwohl die Krise nicht vorbei ist. Das halte ich für unlauter. In diesem Zusammenhang würde ich mir erwarten, wenn wir eine gemeinsame Abbaustrategie entwickeln wollen und wenn Sie mitmachen wollen, dass wir uns gemeinsam dieser Situation stellen und tatsächlich versuchen, das Beste für die Stadt Wien daraus zu machen. - Ich danke sehr. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. - GR Mag Wolfgang Jung: Die Seele verkauft!)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zum Wort gemeldet hat sich GR Dr Aigner. Ich erteile es ihm.
GR Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Meine Damen und Herren!
Ich möchte da gleich anknüpfen: Ich bin eigentlich immer für gemeinsame Aktionen. Aber gemeinsame Aktionen setzen eben auch eine gewisse Einsicht in die Realitäten voraus.
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