Gemeinderat, 61. Sitzung vom 19.12.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 106 von 147
Man könnte den Mieterbeiräten aber auch pro Bezirk eine Möglichkeit geben, sich selbst zu organisieren und Vertreter zu entsenden. Es darf aber nicht der Stadtrat quasi als Vermieter selbst bestimmen, wer jetzt ein Experte ist und wer nicht.
Daher ersuche ich, die Hand gegenüber der Vielzahl an Kritikern auszustrecken, von einem Beschluss im heutigen Gemeinderat mehr oder weniger 5 Minuten vor 12 abzusehen und den Antrag auf Absetzung von der Tagesordnung zu unterstützen. (Beifall bei der FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)
Vorsitzender GR Dipl-Ing Martin Margulies: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Dr Stürzenbecher.
GR Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Das Mitbestimmungsstatut der Stadt Wien wird von uns heute in einer neuen Fassung beschlossen. Ich möchte ganz kurz auf die Geschichte dieses Statuts und auf seine wesentliche Funktion eingehen.
Tatsache ist, dass die Stadt Wien und Wiener Wohnen mit den 220 000 Gemeindewohnungen und den 2 000 Gemeindebauten die einzige Institution beziehungsweise der einzige Wohnungseigentümer in Österreich und in allen vergleichbaren Ländern ist, der eine derart ausgeprägte Mietermitbestimmung und Bewohnermitbestimmung hat. Das ist ein Faktum, das ist einfach eine Tatsache!
Alle anderen vielleicht teilweise vergleichbaren Institutionen und sogar auch die gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften haben das vielleicht in Ansätzen, aber auf deutlich niedrigerem Niveau, und im privaten Bereich gibt es das überhaupt nicht. Diesbezüglich sollte man auch wieder einmal die Kirche im Dorf lassen! Es gibt keine Mietermitbestimmung im privaten Wohnbereich, es gibt eine sehr geringe Mitbestimmung bei manchen Genossenschaften, und die am meisten ausgeprägte Mitbestimmung in der Stadt Wien gibt es eben bei Wiener Wohnen für Mieterinnen und Mieter der Stadt Wien. Das ist etwas, worauf wir in dieser Stadt durchaus stolz sein können! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Die FPÖ ist natürlich immer dagegen. Das ist nichts Neues, das ist für die Opposition vielleicht auch legitim. Es sollte aber doch daran erinnern werden: Dort, wo Sie bei öffentlichem Wohnungseigentum mitzureden hatten, etwa bei der BUWOG, haben Sie nicht auf die Mieter geschaut, sondern haben das auf die schlechteste Art und Weise verscherbelt und den Mietern die Rechte genommen! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Wenn man also wissen will, wie man bei der FPÖ zu Mietern steht, dann muss man sich nur die BUWOG anschauen und weiß schon alles! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Das zur Einleitung. – Weiters ist auszuführen, dass wir 1989 das erste Mietermitbestimmungsstatut – damals hat es noch so geheißen – hatten, das zweite, etwas überarbeitete folgte 2001. Und damit schafft sich ja der Wohnungseigentümer sozusagen von sich aus und bewusst ein Gegenüber, damit es Mitbestimmung gibt.
1989 und 2001 wurden übrigens keine Mietervertreter mit einbezogen, das war erst jetzt das erste Mal der Fall. Aber man braucht nicht zu glauben, dass eine Mietermitbestimmung im Endziel quasi so wie im Staat vor sich geht, dass alle mitentscheiden beziehungsweise letztlich alle alles entscheiden dürfen. Das kann es in diesem Zusammenhang nie geben, sondern es wird immer ein Zusammenwirken auf Basis der geltenden Gesetze geben müssen.
So wird auch vorgegangen, und der Herr Stadtrat hat sich wirklich Verdienste erworben, indem die Mietervertretung in Wien zuerst überhaupt einmal ausgebaut wurde. Wir haben in den letzten sechs bis sieben Jahren sehr viele Fortschritte gemacht, was Mietermitbestimmung real betrifft. Es gibt jetzt viel mehr davon, und das ist ja auch schon besonders wichtig!
Es hat diesbezüglich einen intensiven Prozess gegeben, in welchen sehr viele eingebunden waren, dann hat es ein Ergebnis gegeben, und danach – das stimmt! – ist noch eine Feinjustierung erfolgt. (Ironische Heiterkeit bei GR Mag Günter Kasal.) Durch diese Feinjustierung hat sich aber nichts Wesentliches mehr geändert, und das steht heute zur Debatte und zur Abstimmung.
Man muss auch noch dazusagen, dass es auch darum gegangen ist, das Statut durch eine für alle BewohnerInnengruppen attraktive Beteiligungsmöglichkeit verständlicher zu machen und die Repräsentativität der Entscheidungen zu erhöhen. Das richtet sich an alle BewohnerInnen. Das ist auch ein wichtiger Punkt.
Ein ganz wichtiger Punkt ist natürlich, dass die Kontrollmöglichkeiten, welche die Mieter haben, im Mietrechtsgesetz verankert sind. Und was im Mietrechtsgesetz festgehalten ist, kann natürlich durch ein Mitbestimmungsstatut nicht konterkariert werden! Das Mietrechtsgesetz in Österreich garantiert die Kontrollmöglichkeiten für den Einzelnen. Während die Mietervertretung sozusagen die Gesamtheit der Mieter vertreten sollte, hat jeder Einzelne nach dem Mietrechtsgesetz entsprechende Kontrollmöglichkeiten. Und es gibt sehr viele Vereine und von der Stadt unterstützte Beratungsmöglichkeiten wie die Mietervereinigung, den Mieterbund oder den Mieterschutzverband, die dazu beitragen, diese Kontrollmöglichkeiten, die es laut Mietrechtsgesetz gibt, sicherzustellen. Dafür ist nicht in erster Linie der Mieterbeirat zuständig!
Das ist nicht das Konzept, und deshalb ist es logisch, dass das jetzt klarer formuliert wurde. Im vorigen Statut war diese Trennung, was Mietrechtsgesetz und was Mietermitbestimmung ist, vielleicht ein bisschen unscharf, aber das ist jetzt besser geregelt. Aber damit hat man überhaupt nicht weniger Kontrollmöglichkeiten, das ist natürlich eine vollkommen falsche Interpretation!
Weiters ist festzuhalten, dass die Grenzen der Mitbestimmung dort enden, wo die gesetzlich geschützten Rechte des Einzelnen beginnen. Der Einzelne hat natürlich seine Rechte und seine Privatsphäre, und das muss gewährleistet sein. Die Mietergemeinschaft und deren Mitbestimmung betrifft das Haus als Ganzes wie etwa den Bauzustand oder Gemeinschaftseinrichtungen, aber nicht die einzelne Wohnung. Wir wollen nicht, dass die
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