Gemeinderat, 56. Sitzung vom 25.09.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 48 von 88
Vergaberechtlich ist anzumerken, dass auf ein formelles Vergabeverfahren nach dem Bundesvergabegesetz verzichtet werden konnte. Auch hier handelt es sich – wir haben es heute schon einmal gehabt – um eine klassische In-House-Vergabe, das heißt, auch hier wird dieses Gremium ausgeschaltet.
Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, Wien verpulvert Millionen in Eigenwerbung, Werbung und Marketing, während die Schulden explodieren. Im jüngsten Rohbericht des Rechnungshofes gab es, wenig überraschend, ein sehr ernüchterndes Bild. 2014 wird der Schuldenstand der Stadt Wien auf rund 4,6 Milliarden steigen. Das bedeutet 100 Millionen EUR an jährlicher Zinslast; das sind rund 270 000 EUR pro Tag nur für Zinsen. Und 100 Millionen, meine sehr geehrten Damen und Herren, investieren Sie alljährlich auch in Marketing, Eigenwerbung und Inserate. Der Song Contest macht es möglich. Er ist das Feigenblatt für die 60-Prozent-Erhöhung auf die nächsten 8 Jahre.
Wie war das bei dem für die städtische PR-Arbeit zuständigen Presse- und Informationsdienst vor 10 Jahren? Wissen Sie es noch? Vor 10 Jahren hat der PID 28,2 Millionen EUR zur Verfügung gehabt, 2013 waren es bereits 53,3 Millionen, also eine Steigerung von 89 Prozent in nicht ganz 10 Jahren. Der Bürgerdienst der Stadt – nur zum Vergleich – hat ein jährliches Budget von 370 000 EUR. Das ist sogar um 6 000 EUR weniger als 2004. Also großzügig sind wir von Seiten der rot-grünen Regierung bei der Eigenwerbung. Was die Bürger betrifft und das Service am Bürger, zeigen wir weniger, wie groß unsere Spendierhosen sind. (Beifall bei der ÖVP.)
Schauen wir uns die Inseratenleistung der Stadt an. Aktuelle Zahlen, 2. Quartal 2014: Die Stadt Wien gab knapp über 10 Millionen EUR aus. Das ist doppelt so viel wie alle anderen Bundesländer zusammen. Das ist ein Betrag, der beachtlich ist und der uns zu denken geben sollte. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe es vorhin schon gesagt, 100 Millionen geben Sie über Presse- und Informationsdienst, Stadt Wien Marketing, diverse Extrakampagnen aus den Einzelressorts, Bohmann-Verlag, und so weiter, und so fort alljährlich für Öffentlichkeitsarbeit aus. Das ist einmalig! Das finden Sie auf der ganzen Welt nicht. Ich versuche seit fünf Jahren, irgendjemanden, irgendeine Stadt, irgendeine Kommune zu finden, das gibt es nirgends. Das ist ein trauriges Alleinstellungsmerkmal, dass Eigenwerbung das oberste Gebot ist, dem scheinbar alles untergeordnet wird. Auf Hochglanz statt auf sanierte Finanzen zu setzen, gibt ein jämmerliches Bild ab, vor allem aber es geht auf Kosten der nächsten Generationen. Wir werden daher der Erhöhung der Kosten für das Stadt Wien Marketing nicht zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)
Und jetzt zum zweiten Akt, den ich nicht mitgenommen habe, weil nichts drinnensteht, den sogenannten Song-Contest-Akt. Wir haben, Herr Stadtrat – er ist jetzt nicht mehr da –, im zuständigen Ausschuss einen Antrag erhalten bar jeder Detailinformation. Die Informationen an die Journalisten, die im Rahmen der Pressekonferenz gegeben wurden, waren detaillierter. Ich persönlich erachte das als Missachtung der Mitglieder des Gemeinderates. Einem Akt zuzustimmen, bedarf auch beschlussfähiger Unterlagen, und diese Unterlagen gibt es bis heute nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschließen heute auf Basis einer Power-Point-Präsentation für die Medien und ohne dass bis dato ein gültiger Vertrag zwischen der Stadt Wien und dem ORF vorliegt, eine Kapitalzufuhr von knapp 9 Millionen EUR. Ich ersuche Sie daher dringend, ja, ich fordere sie auf, dieses Gremium hier wertzuschätzen und in Zukunft auch ernst zu nehmen. Kein Aufsichtsrat auf der ganzen Welt – und in Wahrheit ist der Gemeinderat so etwas Ähnliches wie ein Aufsichtsrat – würde solche Beschlüsse fassen. (Beifall bei der ÖVP.)
Und wir beschließen die Kapitalzufuhr von knapp 9 Millionen EUR auf Pump. Es werden wieder neue Schulden gemacht. Meine sehr geehrten Damen und Herren von Rot-Grün, wenn Sie ein Quartal auf Ihre Werbeeinschaltungen verzichteten, bräuchten wir nicht auch noch zusätzlich Schulden zu machen. Wir werden daher auch dem Antrag der FPÖ zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Dipl-Ing Martin Margulies: Ich danke. – Zu Wort gemeldet ist Frau GRin Dr Kickert.
GRin Dr Jennifer Kickert (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Berichterstatterin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich werde es genau umgekehrt machen wie meine Vorrednerin. Ich werde zum zweiten Akt, nämlich zum Eurovision Song Contest sprechen, nicht, weil ich dafür in irgendeiner Weise eine Expertin bin noch bin ich im entsprechenden Ausschuss gewesen, aber ich habe mir nicht erspart, mir anzusehen, was dieses Ereignis ist, welche Möglichkeiten es für die Stadt Wien bringt und wie im Großen und Ganzen andere Städte mit diesem Ereignis in finanziellen Fragen umgegangen sind. Ich finde, das ist eine der spannendsten Herausforderungen, Gemeinderätin zu sein, sich auch in Materien zu vertiefen, die man möglicherweise nicht von vornherein auswendig kennt.
Der Song Contest ist ein spannendes jährliches Ereignis, das ich zugegebenermaßen nicht jedes Jahr verfolge, aber bei meiner Suche nach Informationen darüber habe ich feststellen müssen, dass es tatsächlich ein Großereignis ist. Ein Großereignis, das kaum mit anderen zu vergleichen ist, maximal noch mit sportlichen Großereignissen. Dieses Ereignis erreicht manchmal sogar mehr als 190 Millionen ZuseherInnen weltweit, nicht nur in Europa – und wenn ich von Europa spreche, dann meine ich ganz Europa, weitestes Europa –, aber auch zum Beispiel in Australien, Neuseeland und in zunehmendem Maße sogar auch schon in Asien, China oder Japan.
Wir haben hier etwas, was aus meiner Sicht vergleichbar ist mit einer Europameisterschaft oder sogar einer Fußball-Weltmeisterschaft. (Zwischenruf von StR Mag Manfred Juraczka.) Ja, von den Zuschauerzahlen vor dem Fernseher sehr wohl. (Neuerlicher Zwischenruf von StR Mag Manfred Juraczka.) Dann sagen wir bei der
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