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Gemeinderat, 54. Sitzung vom 24.06.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 65 von 81

 

drei Tage – Wien – und so weiter. Das ist ungerecht. Diese Riesenunterschiede sind ungerecht.

 

Was ist des Weiteren ungerecht? – Die vielen Zäsuren im Bildungssystem. Es ist nämlich so, immer wenn es einen Übergang von einer Bildungsinstitution zur nächsten gibt, fallen ziemlich viele heraus. Interessanterweise fallen vor allem die heraus, die aus bildungsfernen Familien kommen. Das nennt sich in der Soziologie Bildungstrichter. Deswegen sind wir gegen diese Zäsuren. Deswegen sind wir für die gemeinsame Schule der 6- bis 15-Jährigen. Deswegen und aus einer anderen Ungerechtigkeit heraus: Es ist nämlich so, dass es zu wenig individuelle Förderung gibt. Und das sogenannten differenzierte Schulmodell – dem gerade der Herr Kollege Nepp das Wort geredet hat –, das ist ein bisschen paradox, ist eigentlich das gleichmacherische Schulmodell. Warum? – Weil es Kinder in Schubladen steckt, und zwar genau in zwei: in AHS und Restschule. Und wenn man einmal in der Gleichmacherei drinnen ist, ganz früh in einer dieser Schubladen ist – und diese Entscheidung passiert in Österreich im Alter von neun Jahren –, dann ist es gegessen. Dann ist man in sogenannten leistungshomogenen Gruppen, wo Kinder eben nicht individuell gefördert werden können, wo es darum geht, in einer Art von Konkurrenz einfach bis zum Schluss in der Schublade zu bleiben. Und das ist kein Ernstnehmen von Leistung, von Begabung oder von Können. Es ist schlicht und einfach eine Fortschreibung der Ungerechtigkeit. Und deshalb werden wir nie aufhören, für eine gemeinsame Schule zu kämpfen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Alles andere ist nämlich dumm. Das hat jedes europäische Land, außer Albanien und ein paar deutsche Bundesländer erkannt. Die FPÖ nicht, egal. Es ist ein Match, das „on the long run“ nach 100 Jahren vielleicht einmal gewonnen werden kann, zumal es in dieser Frage auch immer mehr kluge Köpfe in der ÖVP gibt.

 

Eine weitere Ungerechtigkeit ist, dass so viel des schulischen Erfolges davon abhängt, was am Nachmittag passiert. Es ist so: Eine Halbtagsschule entlässt Kinder mit einem Packen offener Arbeit, mit einer bummvollen Schultasche, mit offenen Aufgaben. Und es gibt dadurch unterschiedliche Situationen – Unterschiede zwischen Kindern, die Eltern haben, die ihnen bei diesen Aufgaben helfen können, und Eltern, die das nicht können; Unterschiede zwischen Eltern, die das Geld haben, Kinder in Nachhilfeunterricht zu schicken, weil die eben mit dem Packen an diesen notwendigen Dingen, die sie tun müssen, nach Hause kommen; und Eltern, die sich das nicht leisten können.

 

Es sind 118 Millionen EUR, die Österreichs Familien für Nachhilfe ausgeben, 118 Millionen EUR. (GR Dominik Nepp: Der Fehler ist, dass man Nachhilfe braucht!) Das ist eine Ungerechtigkeit, und der Herr Kollege Nepp hat gerade jetzt erkannt, es ist auch ein Fehler, dass man Nachhilfe braucht. Warum braucht man Nachhilfe? – Weil wir Halbtagsschulen haben und zu wenig Ganztagsschulen, deshalb brauchen wir flächendeckende Ganztagsschulen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.) Uh, ein Heureka hat stattgefunden. Solange es diese flächendeckenden Ganztagsschulen nicht gibt, solange die Kinder mit diesem Rucksack nach Hause gehen, brauchen sie Unterstützung – insbesondere jene, die diese Unterstützung zu Hause nicht haben. (GR Mag Dietbert Kowarik: Die Welt ist so einfach!)

 

Deshalb gibt es das Modell Förderung 2.0 als eines von vielen Beispielen, dass wir nicht nur mit dem Finger auf den Bund zeigen, sondern in Wien Reformschritte gehen. Natürlich, die großen Reformschritte sind auf Bundesebene zu heben. Ich bin zuversichtlich, dass da nach 90 Jahren Stahlbeton Bewegung herrscht, und ich bin auch erfreut darüber, dass es auch jetzt hier zum Beispiel engagierte Vorschläge gibt. In dem Antrag, den die Frau Kollegin Leeb noch vergessen hat, der sicher noch kommt, ist zum Beispiel die Rede von einer indexbasierten Schulfinanzierung. Eine ganz zentrale Fragestellung. Es ist ungerecht, dass Schulen, die deutlich anspruchsvollere Aufgaben zu meistern haben – zum Beispiel, wenn an einen Schulstandort ganz viele Kinder aus sozial schlechter gestellten Familien kommen oder wenn sehr viele Sprachen an diesem Schulstandort gesprochen werden –, gleich viel Mittel haben, wie andere Schulen. Das ist eine weitere Ungerechtigkeit im österreichischen Bildungssystem. Ich würde mich total freuen, wenn es gelänge, diesen Drive aus Wien auf Bundesebene mitzunehmen. Dort haben nämlich die SPÖ-Verhandler versucht, die indexbasierte Schulfinanzierung in das Regierungsprogramm hineinzubringen, es war aber kein klares Bekenntnis von Seiten der ÖVP möglich. Aber das ist ein Weg, den wir gehen wollen.

 

Auch der Antrag schulautonome Tage ist ein guter Ansatz. Ich glaube, wir können uns da in vielem treffen. Ich persönlich bin für schülerautonome Tage. Wenn es für ArbeitnehmerInnen zumutbar ist, dass sie mit ihrem Arbeitgeber ausmachen, wann sie ihren Urlaub in Anspruch nehmen, dann können das Schüler mit Eltern gemeinsam auch. Schauen wir einmal, wie weit wir da kommen. In den letzten Tagen hat sich bundespolitisch sehr viel bewegt.

 

Zu Türkisch als Maturafach – weil wir gerade bei Anträgen sind: Am entlarvendsten war heute eigentlich der Kollege Aigner – ich weiß nicht, wer zugehört hat am Vormittag –, der gesagt hat, er sei eh dafür, dass Leute Türkisch studieren oder maturieren, aber in der Türkei. – Das ist wirklich großartig. Mit dieser unglaublichen Logik lässt sich die Dummheit relativ schnell erfassen, die dahintersteckt: Englisch nach England, Französisch nach Frankreich. – Also toi toi toi für diese Bildungspolitik, es ist keine Bildungspolitik, die Potenziale hebt, es ist Bildungspolitik der fortgeschrittenen Dummheit. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Jedenfalls Frust oder Freude auf Bundesebene hin oder her. Wir warten nicht auf eine bessere Zeit. Wien setzt einen klaren Schwerpunkt auf Bildung, das sieht man auch in diesem Rechnungsabschluss. Ein paar Blitzlichter darauf, nachdem Förderung 2.0 bereits angesprochen ist – das ist zwar in die Zukunft schauen und nicht Rechnungsabschluss: In dem vergessenen Antrag, der noch kommt, schreibt die ÖVP, es sei ein Problem, dass an Schulen gießkannenartig 20 Millionen EUR

 

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