Gemeinderat, 54. Sitzung vom 23.06.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 105
mindestsicherung stehen; ja, weil wir trotzdem den Gratiskindergarten wollten; ja, weil wir Mobilität fördern wollten und die Jahreskarte um 365 EUR eingeführt haben.
Die Einnahmen seitens des Bundes sind zurückgegangen. Auf der anderen Seite mussten Mehrausgaben im Sozialbereich getätigt werden, andere Mehrausgaben wollten wir tätigen, wie im Bereich Mobilität, wie selbstverständlich im Bereich Gesundheit und wie selbstverständlich auch im Bereich Bildung. Ich hoffe, dass Sie all diese Ausgaben nicht kritisieren. Genau deshalb ist dieses von Finanzstadträtin Brauner immer wieder erwähnte Delta eine Zeit lang größer geworden, und jetzt wird es wieder kleiner. Was sind denn die 135 Millionen EUR Maastricht-Neuverschuldung im Jahr 2013 im Vergleich zu einem 12 Milliarden EUR Budget? Die Neuverschuldung ist geringer als die Inflation. Was bedeutet es denn, wenn man über die kalte Progression redet? Bei der kalten Progression heißt es dann immer, die kalte Progression frisst das Realeinkommen weg und eigentlich hat man weniger. Das heißt, Realschulden, inflationsbereinigte Realschulden der Stadt Wien sind sogar geringer geworden.
Nur jetzt sage ich, lügen mit Zahlen kann ein jeder. Das ist nicht so schwer, solange man sich auskennt; wenn man sich nicht auskennt, wird man schnell entlarvt. Das war nicht einmal gelogen, sondern das war wahr, dass die 135 Millionen EUR Schuldenzuwachs weniger sind als die Inflationsrate beim Budget von 12 Milliarden EUR. Nichtsdestoweniger ist weder Schuldenmachen noch Sparen Selbstzweck, sondern es geht darum, dass die öffentliche Hand Gelder einnimmt, um sie dann – gemeinsam, wenn es geht, oder letztlich mehrheitlich, wenn es nicht anders möglich ist – bestmöglich im Interesse der Bevölkerung zu verteilen. Und ich will nicht meine Rede von vorher wiederholen. Ich habe das Gefühl, dass die Wienerinnen und Wiener mit der rot-grünen Politik dieser Stadtregierung in den letzten Jahren eigentlich sehr zufrieden sind. (GR Mag Wolfgang Jung: Das merkt man!) Dieses Gefühl habe ich tatsächlich. Ich fühle mich diesbezüglich auch durch die Europawahl ein bisschen bestätigt. Aber wir werden es sehen. Es hat überhaupt keinen Sinn, über Meinungsumfragen zu reden. (GR Mag Wolfgang Jung: Ja!)
Was mich am meisten beeindruckt hat – ich gebe zu, da habe ich sehr lachen müssen –, ist, dass Kollege Neuhuber dem Kollegen Reindl sagt: Wie ist denn das mit der Steuerreform? – Kollege Neuhuber, du hast ja recht, die SPÖ sitzt in der Bundesregierung seit vielen Jahren; aber kontinuierlicher Bremser, was die Steuerreform, insbesondere eine Steuerstrukturreform, betrifft, ist die ÖVP. Die ÖVP sitzt ja nahtlos die letzten 20, 25, keine Ahnung, viele, viele Jahre in der Regierung und bremst eigentlich bei jeder Steuerreform.
Jetzt komme ich zum Schluss, weil ich nicht glaube, dass der Erkenntnisstand hier in diesem Saal, wenn man möglichst lange redet, sehr viel wächst. Was ich für wichtig halte, und ich hoffe, da stimmen mir alle zu: Wir halten uns in einem Punkt ständig gegenseitig auf, nämlich wir, die Politik – in dieser Verallgemeinerung, die ich ganz selten verwende. Wenn die einen sagen, machen wir eine Steuerreform, dann sagen die anderen, nein, machen wir zuerst eine Verwaltungsreform. Wenn die einen sagen, machen wir eine Verwaltungsreform, sagen die anderen, machen wir zuerst eine Steuerreform. Hallo! Trennen wir die beiden Dinge! Sagen wir, das eine ist eine Steuerstrukturreform. Ich habe nichts dagegen, wenn die ÖVP sagt, die Steuerstruktur, wie sie jetzt ist, ist aus Sicht der ÖVP gerecht. Das ist ein Standpunkt, mit dem ich leben kann. Aus unserer Sicht ist die Steuerstruktur, so wie sie jetzt ist, ungerecht.
Nichtsdestoweniger, trennen wir diese zwei Sachen! Sagen wir, das eine ist die Steuerstrukturreform. Da reden wir ausgaben- und einnahmenneutral, vor allem einnahmenneutral, wer letztendlich welche Steuern zu bezahlen hat. Das andere ist, ich bin gerne bereit, über die Verwaltungsreform zu reden; und wenn wir dann Einsparungen bei der Verwaltungsreform erzielen, dann überlegen wir uns, wie wir das auf die Steuerstrukturreform umsetzen. Aber nicht gegenseitig lähmen und in Wirklichkeit verhindern, dass in diesen Bereich irgendetwas weitergeht!
Trotz allem, wir alle erkennen: Wien wächst. Wien ist schon gewachsen, nämlich um so viele Menschen wie in Linz, und in den nächsten zehn Jahren wächst Wien um so viele Menschen wie in Graz. Irgendwann werden wir mit demselben Personalstand nicht mehr alles bewältigen können. Im Kindergartenbereich ist ohnehin schon Schluss, im Bildungsbereich ist auch langsam Schluss, aber selbst bei Bereichen wie Müllabfuhr wird irgendwann einmal Schluss sein. Wenn die Stadt um 10 Prozent oder 15 Prozent größer ist, werden dort mehr Menschen arbeiten müssen. Dessen müssen wir uns bewusst sein und dazu sollten wir stehen, denn gut geführte öffentliche Dienstleistungen machen einen der zentralen Bestandteile des Wohlfühlcharakters der Stadt aus. In diesem Sinne die große Bitte: Trennen wir Verwaltungsreform und Steuerstrukturreform, damit man sich nicht immer auf das eine oder das andere ausreden kann! Das eine hat mit dem anderen zunächst einmal noch überhaupt nichts zu tun.
Ein zweiter Punkt zum Abschluss, für alle, die immer sagen, wie arm die wirklich Reichen sind, weil sie nicht wissen, wie sie ihr Vermögen bewerten sollen: Das muss man sich einmal vorstellen: Jeder Unternehmer/jede Unternehmerin muss alles bewerten, was er oder sie hat. Und das können sie auch. Große Unternehmen bis hin zu kleinen Ein-Personen-Unternehmen, die alle können ihr Vermögen bewerten. Was ich mir aber anhören muss, ist das Beispiel von jemandem, der 2 Millionen EUR oder 3 Millionen EUR hat. Wer so viel Geld hat, weiß nicht einmal, wieso er so viel Geld hat, weiß nicht, wie er es bewerten soll. Und weil dieser arme Mensch, der möglicherweise 1, 2, 3 oder 10 Millionen EUR hat, nicht weiß, wie er sein Vermögen bewerten soll, sagt ihm die ÖVP: Weil du es nicht weißt, sollst du auch keine Steuern zahlen.
Da bitte ich darum, dass wir das irgendwann einmal versachlichen und davon weggehen. Im Zeitalter, wo Computer in Millisekunden Millionen von Rechenoperationen lösen können, wo mittlerweile jeder einzelne Öster
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