Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.05.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 75
sehr wohl auch schon der soziale Aufstieg gelungen! Wir wissen, dass es noch immer keine vollständige Gleichstellung dieser Menschen gibt, aber sie sind ein selbstverständlicher Teil dieser Stadt. Ein Wien ohne sie wäre in Wirklichkeit nicht mehr denkbar.
Wenn ich auf die Geschichte reflektiere, dann schaue ich auch darauf, dass man sagen muss: Wir lernen auch aus dieser Geschichte. Diese Stadt, die Stadt Wien, hat sehr wohl aus der Geschichte gelernt, nicht nur die Politik, sondern auch die Institutionen.
So ist die Stadt Wien, nachdem sie gemerkt hat, dass dieses Denkmodell - die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, die Menschen kommen, aber sie gehen wieder zurück - nicht funktioniert hat, daraufhin eben hergegangen, hat sich dem Thema der Integration auch institutionell gewidmet und hat 1992 den Wiener Integrationsfonds ins Leben gerufen. 1996 gab es die erste Integrationsstadträtin, und vor zehn Jahren, 2004, hat die Stadt ihre Integrations- und Diversitätspolitik so weiterentwickelt, dass eine eigene Magistratsabteilung gegründet wurde, die MA 17.
Das alles war damit verbunden, dass wir in unserer Stadt die Erkenntnis gewonnen haben, dass wir nicht nur einzelne Integrationsmaßnahmen setzen können, sondern dass es wirklich eine Inklusionspolitik braucht, die die Menschen einbezieht, die diese Vielfalt anerkennt und aus dieser Vielfalt letztendlich auch einen Wert macht, einen Wert, den es zu handeln gilt und der immer unter dem Ziel der Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit steht.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke sehr für die Beantwortung. Wir kommen zur 1. Zusatzfrage. Sie wird gestellt von GR Akkilic. - Bitte.
GR Senol Akkilic (Grüner Klub im Rathaus): Guten Morgen, Frau Stadträtin!
Vielen Dank für die ausführliche Antwort und dafür, dass Sie am 3. September die Menschen dazu einladen, einen Anerkennungstag zu begehen.
Die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass wir in der Migrations-, Integrations- und Inklusionspolitik einige Fehler begangen, aber auch sehr viel Gutes getan haben. Auf grundlage dieser Verfehlungen und guten Sachen sind ja neue Institutionen entstanden, wie zum Beispiel das Forum wien.welt.offen. Das Forum wien.welt.offen macht eine sehr gute Grundlagenarbeit.
Sie haben gestern einige Ergebnisse präsentiert. Können Sie uns ausführlicher erzählen, welche Ergebnisse uns in Zukunft begleiten werden?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Stadträtin.
Amtsf StRin Sandra Frauenberger: Nun, das Forum wien.welt.offen ist eine nur logische und konsequente Folge der Wiener Zuwanderungskommission. Warum logisch und konsequent? Weil wir gemerkt haben: In der Auseinandersetzung hat uns die Zuwanderungskommission, die vormalige Zuwanderungskommission sehr stark geholfen, einen entsprechenden Beitrag zur Versachlichung der Debatte zu leisten.
Wir haben mit dem Forum wien.welt.offen schon viele Projekte umgesetzt. Wir haben Empfehlungen dieser ExpertInnenkommission umgesetzt, wie zum Beispiel im Expat Center der Stadt, oder auch das Öffnen für EU-BürgerInnen von unserer großartigen integrationsbegleitenden Maßnahme „Start Wien“.
Wir haben aber heute zum Beispiel auch das Sommerprogramm auf der Tagesordnung, wo wir uns eben im Sommer mit Schülerinnen und Schülern auseinandersetzen, die wir in ihrer Sprachenkompetenz noch mehr stärken wollen, wenn sie im September wieder in die Schule zurückgehen. Aber nicht nur das: Es geht ja auch um Selbstbewusstsein, um eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und all das, was wir da anbieten.
Wir haben uns gerade im letzten Jahr sehr, sehr intensiv mit dem Thema der Mehrsprachigkeit auseinandergesetzt, auch der Förderung der Mehrsprachigkeit. Deutsch ist der Schlüssel zur Integration. Es werden in Wien 250 Sprachen gesprochen. Diese Sprachen so gut zu nutzen, dass sie auch dem Standort Wien nutzen, das ist ein Ziel. Dafür werden wir mit den Communities Erstsprachenzentren entwickeln.
Wir haben uns aber auch mit der Frage der Partizipation auseinandergesetzt: Wie gehen wir um in einer Gesellschaft, wo 25 Prozent der Menschen im wahlfähigen Alter kein Partizipationsrecht haben? Wie können wir hier als Kommune trotzdem mit den Menschen in BürgerInnenbeteiligungsverfahren et cetera auch partizipativ arbeiten?
Ein Beispiel, das wir ganz aktuell diskutieren, ist zu sehen: Wenn wir 50 Jahre Gastarbeiterinnengeschichte/Gastarbeitergeschichte schreiben und wenn wir wissen, dass knapp die Hälfte der Wienerinnen und Wiener eine Migrationserfahrung haben - das heißt, wie vielfältig diese Stadt ist -, dann ist nicht mehr die Frage der örtlichen Herkunft wesentlich für die Zukunft der Menschen in dieser Stadt, sondern es ist die Frage der sozialen Herkunft.
Um den sozialen Aufstieg für alle garantieren und eine tatsächliche Chancengleichheit herstellen zu können, geht es natürlich auch stark darum, zum Beispiel in Schulen, einer sozialen Indexierung nachfolgend, den Kindern entsprechende Mittel und Unterstützungen zu geben, damit sie tatsächlich den sozialen Aufstieg schaffen können, sodass es nicht mehr so ist, dass die Kinder den Bildungsstand und den sozialen Status der Eltern automatisch sozusagen weitertragen, weitererben. Das ist unsere große Herausforderung. Es muss unser Ziel sein, dass wir genau hier ansetzen und in Zukunft wirklich Chancengleichheit für alle erreichen.
Noch einmal: Wenn 50 Prozent der Menschen in dieser Stadt Migrationserfahrung haben, dann können wir es uns gar nicht leisten, auf 50 Prozent der Menschen sozusagen zu verzichten, weil wir nicht in ihre Zukunft investieren.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 2. Zusatzfrage stellt GR Blind. - Bitte.
GR Armin Blind (Klub der Wiener Freiheitlichen): Guten Morgen, Frau Stadträtin!
Ich danke einmal für Ihre Ausführungen, möchte mich aber von dem Loblied, das Sie jetzt auch hier abgesungen haben, ein wenig wieder der Realität zuwenden,
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