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Gemeinderat, 51. Sitzung vom 24.03.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 61 von 80

 

Mitgliedern des Europäischen Parlaments hier wirklich die Zeit gestohlen, indem Sie uns 20 Minuten irgendwelche schwachsinnigen Geschäftsordnungsdinge erzählt haben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Unter uns gesagt: Sie haben uns tatsächlich hier nichts zu sagen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.) Aber ich wollte gerade der Frau Kollegin Feldmann etwas Wichtiges sagen, und da könnten Sie ausnahmsweise einmal zuhören. Luft anhalten, zuhören!

 

Also wir haben keinen Ausschuss für Europa, aber wir haben einen Ausschuss für europäische und internationale Angelegenheiten. Und das ist gut so, weil wir so unsere außenpolitische Sicht der Stadt Wien haben. Wenn Sie das besonders schlecht finden, dass das „europäische und internationale Angelegenheiten“ heißt (GR Mag Wolfgang Jung: Es ist irreführend!), dann frage ich Sie, warum Ihr Bundesminister Sebastian Kurz auch der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ist.

 

Also wir sind hier sehr wohl sehr gut akkordiert, und wir haben immer gesagt, wir sind eine internationale Stadt, wir sehen europäische Politik als eine Kernaufgabe unserer Stadtpolitik an. (GR Mag Wolfgang Jung: Deswegen ist die Frau Stadträtin nicht da, möglicherweise! Wo ist sie denn?) Daher hatten wir schon eine Europakommission, noch bevor wir der Europäischen Union beigetreten sind. Wir haben seit 20 Jahren einen Ausschuss für Europa und jetzt einen Gemeinderatsausschuss für europäische und internationale Angelegenheiten. Europäische Politik und internationale Politik sind eine Querschnittsaufgabe, und daher ist es durchaus richtig, dass man das in einem Querschnittsausschuss, der voll gleichberechtigt mit allen anderen Gemeinderatsausschüssen ist, behandelt. (GR Mag Wolfgang Jung: Nein, das stimmt nicht! Er hat kein Budget!)

 

Nun, dass die ÖVP zwei Vollmitglieder und zwei Ersatzmitglieder, also vier sitzungsteilnahmeberechtigte Mitglieder im Gemeinderatsausschuss für europäische und internationale Angelegenheiten hat und es nicht schafft, dass auch nur einer anwesend ist während der Sitzung, das ist schon ein Zeichen von völliger politischer Ignoranz. Das müssen Sie sich leider sagen lassen. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Kollege Mölzer hat heute hier eine Missachtung des Wiener Gemeinderats demonstriert. Ich bin sehr für das Rederecht der Abgeordnete des Europäischen Parlaments – wir haben uns von Beginn an dafür eingesetzt, und wir werden das auch in Zukunft tun –, aber wenige Minuten vor seiner Rede hier herzukommen und im Moment des Endes seiner Rede wieder hinauszugehen, das ist ein Missbrauch des Rederechts. Denn das Mindeste, was man sich erwarten kann, ist, dass man sich die Rednerinnen und Redner vorher und nachher anhört, und das hat er nicht getan. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Er konnte nicht vorher! Was soll das?) Das hat er nicht getan. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. – GR Mag Wolfgang Jung: Er war entschuldigt! Lesen Sie das Protokoll! Das ist ja unglaublich!)

 

Wenn Abg Karas vor wenigen Tagen gesagt hat, Mölzer ist ein Wolf im Schafspelz, dann muss er offensichtlich gewusst haben, wovon er spricht. Denn dass Herr Kollege Mölzer sich heute hier hergestellt und kein Wort der Entschuldigung zu seiner Aussage, die in den Zeitungen transportiert worden ist, getroffen hat, das ist eine wirkliche Unterlassung, das ist ein Skandal. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Und diese skandalösen Redebeiträge, die er bei der Buchpräsentation von Barbara Rosenkranz geliefert hat ... (GR Mag Wolfgang Jung: Waren Sie dort!) Dort hat er das gesagt, und es wurde bisher nicht widersprochen. Wenn er es nicht gesagt hätte, dann hätte er ganz sicher in den letzten zwei Wochen irgendwann eine Entgegnung bei den Zeitungen verlangt oder eine Klarstellung gemacht. Er hat auch heute hier keine Klarstellung getroffen. Er ist offensichtlich nach wie vor der Meinung, dass die EU mit dem Dritten Reich verglichen werden kann. Und das ist ein wirklicher Skandal! Es ist beschämend für Österreich, es ist beschämend für Wien, dass ein Abgeordneter des Europäischen Parlaments aus Österreich so über die Europäische Union spricht und das so falsch und verharmlosend darstellt. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Ich komme zurück zum eigentlichen Thema Europäische Union, und da das heute ja doch eine Debatte im Rahmen eines Kulturaktes ist, darf ich doch einmal auch ein kulturelles Thema ansprechen. Ich zitiere: „Wenn man auf einer Europakarte alle politischen Grenzen, die es im Laufe der geschriebenen Geschichte je gegeben hat, mit einem schwarzen Stift einzeichnet, dann liegt am Ende über diesem Kontinent ein so engmaschiges schwarzes Netz, dass es fast einer geschlossenen schwarzen Fläche gleichkommt. Wenn man auf dieser Karte für jeden Krieg, der in Europa je stattgefunden hat, mit einem roten Stift eine Linie zwischen den kriegführenden Parteien zieht, Schlachtfelder und Frontverläufe markiert, dann verschwindet das Netz der Grenzen völlig unter einem rot gefärbten Feld.“

 

Das sind die einleitenden Sätze eines Romans von Robert Menasse, den ich nur empfehlen kann, des Romans „Der Europäische Landbote“, der vor Kurzem erschienen ist. Er spricht damit den wesentlichen Erfolg der europäischen Integration in den letzten 60 Jahren an, nämlich die Tatsache, dass 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs und 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wir nun in einem Europa leben, in einer Europäischen Union, wo es seit 60 Jahren Frieden gibt. Es hat nie so eine lange Phase des Friedens in Europa gegeben wie in diesen 60 Jahren, und es ist ein Verdienst dieser Europäischen Union, dass wir nun seit 60 Jahren innerhalb der Grenzen der Europäischen Union nie Krieg hatten. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Wenn man noch so sehr und immer wieder die hohen Beträge kritisiert, die die Europäische Union für irgendetwas aufwendet, egal, was auch immer – Rettungsbeiträge für Regionen, für Länder –, dann sind alle diese auch noch so hohen Rettungsbeiträge und Budgetposten der Europäischen Union so minimal verglichen mit den Kosten der Kriege und der Zerstörung, die es immer wieder in Europa gegeben hat, und sie sind insbesondere vernachlässigbar klein, wenn man noch das unsagbare Leid und die unsagbare Zerstörung berücksichtigt, die

 

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