Gemeinderat, 45. Sitzung vom 19.11.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 60 von 73
ihr die Bustrasse durch die Neubaugasse legt oder sonst irgendeinen Blödsinn anstellt, ohne die Bevölkerung einzubinden.
Da ist nicht einmal irgendeine Informationsveranstaltung vonstatten gegangen, gar nichts. Manchmal macht ihr, bevor ihr das Parkpickerl ausweitet, eine Informationsveranstaltung, wo rote und grüne Funktionäre das Publikum geben; und dann sagt ihr, wir haben die Bevölkerung eh mit eingebunden. – Nichts! Das ist einfach beschlossen worden, die Leute gehen auf die Straße.
Wir sagen: Diese Linienführung muss aufgelassen werden! Bindet die Bürger ein! Findet einen Konsens! Und hört endlich auf, Wien verkehrstechnisch in Geiselhaft zu nehmen. Die Verkehrspolitik ist ein einziger Torso. Wir lehnen das Budget natürlich ab. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster ist GR Dipl-Ing Al-Rawi zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm und stelle die Uhr auf 15 Minuten ein.
GR Dipl-Ing Omar Al-Rawi (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Herr Vorsitzender! Frau Stadträtin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Es kommt die Ära der Städte. Das sagt und prophezeit der Politikwissenschaftler und Clinton-Berater Benjamin Barber. Er propagiert einen Umbruch der politischen Ordnung. Nationen sind überholt, genauso wie die Grenzen dazwischen, den Städten gehört die Zukunft. (GR Mag Wolfgang Jung: Ist eine Horrorvorstellung!) Wir wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass 1950 noch 29 Prozent aller Menschen in Städten gelebt haben, mittlerweile sind es schon über die Hälfte; und die Prognose sagt, dass bis 2050 schon 70 Prozent der BewohnerInnen in einer Stadt leben werden.
Das heißt, dass es eine fortschreitende Verstädterung der Weltbevölkerung gibt. Das wirft natürlich neue Probleme und Chancen gleichermaßen auf. Dass die Urbanisierung auch weiterhin unterschiedlich sein wird, ist eh klar. Dass Wien auch keine Megacity sein wird, wissen wir alle. Trotzdem gehört Wien zu jenen Städten, die seit 13 Jahren gewachsen sind. Wir wissen, dass in den letzten 13 Jahren 200 000 Menschen mehr in Wien leben und dass dieser Trend weiterhin fortschreiten wird, nämlich mit einem Plus von 25 000 Menschen pro Jahr, wie wir im Laufe dieser zweitägigen Budgetdebatte schon mehrmals gehört haben.
Mit den Städten steigen auch die sozialen und ökologischen Herausforderungen – Klimawandel zum Beispiel, denn 80 Prozent des CO2-Ausstoßes werden in Städten verursacht. Zwei Drittel der Gesamtenergie werden in Städten konsumiert, Migration betrifft in erster Linie die Städte. Städte leiden auch überproportional am Klimawandel. Bestimmte Bereiche wie etwa die Gesundheitsversorgung werden durch die Urbanisierung allerdings auch leichter gemacht.
Man darf aber auch nicht vergessen, dass jetzt über 70 Prozent der technischen Innovationen, wissenschaftlichen Errungenschaften und Initiativen davon ausgehen und in Städten stattfinden. Städte sind Horte der Innovation, des Fortschrittes, sie spornen an zu Veränderungen und zu Entwicklung. Städte und Innovation, das sind für mich Synonyme, sagt auch Benjamin Barber in diesem Interview.
Wer also auf diese Entwicklung und Dynamik nicht rechtzeitig reagiert, ihr keine Richtung gibt, nicht plant, der verschläft auch die Zukunft. Daher ist es immens wichtig, dass der Gemeinderat am 29. September 2011 den Magistrat beauftragt hat, den Stadtentwicklungsplan inklusive gesamtstädtischer Verkehrsfragen zu überarbeiten und bis 2014 zur Beschlussfassung vorzulegen. Es ist schließlich auch die Leitlinie für die Stadt und ihre Handlungen.
Wie wir mit diesem Thema und diesem Prozess in der Stadt umgegangen sind, war vorbildlich. Alle Akteurinnen und Akteure der Stadt, alle VertreterInnen der Bezirkspolitik, ExpertInnen, VertreterInnen der Wirtschaft, der Region und der Stadtgesellschaften waren eingebunden.
Der Forscher Boyd Cohen, Begründer des Smart-City-Index, hat jüngst in Wien hinweisend gesagt: „Oft müssten Politikerinnen und Politiker die ‚richtigen’ Entscheidungen treffen, auch wenn sie nicht dem Willen der Bürgerinnen und Bürger entsprächen, zum Beispiel beim Thema Stadtentwicklung.“
Meine Damen und Herren, genau das betrachten wir als einen vollkommen falschen Ansatz. Wer glaubt, richtige Ideen bedürften nicht der Zustimmung durch die BürgerInnen, sitzt am falschen Dampfer. Wir brauchen diesen Zwiespalt nicht. Nicht umsonst heißt unsere Geschäftsgruppe ja Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung. Wir glauben, die richtigen Ideen zu haben und wollen unsere Bürgerinnen und Bürger dafür gewinnen, indem wir die Prozesse transparent machen und sie daran teilhaben lassen.
Es gibt nirgends eine derartige Querschnittsmaterie, die alle Bereiche der Stadt einbindet und beinhaltet wie die Erarbeitung beziehungsweise Erstellung eines Stadtentwicklungsplanes. Da geht es um Lebensqualität, leistbares Wohnen, Zusammenkunft der Generationen, Kulturen und Religionen, eine funktionierende Infrastruktur, Arbeits- und Bildungsplätze, Freiräume und Grünraum, Kultur und Wissenschaft, Energieversorgung, leistungsfähige Mobilität. Wirtschaftsstandort und Gesundheitsversorgung, um nur einige davon zu nennen.
Nirgends spielen die Entscheidungen der Politik eine so wichtige Rolle wie bei der Stadtentwicklung, und nirgends sind auch Menschen so leicht zu motivieren, zu begeistern – aber leider auch zu emotionalisieren –, mitzumachen, wie bei der Stadtentwicklung. Wien ist bisher diesen Weg sehr erfolgreich gegangen, und wir werden die Herausforderungen der Zeit, der Zukunft mit Innovation, Weltblick und Weitsicht, Mut und Verantwortung gehen.
Wien ist lebendig, aufstrebend, attraktiv und prosperierend. Es erhält Wertvolles, erneuert Verbrauchtes und transformiert Überholtes. Zum Antrag des Kollegen Mahdalik auf Aufnahme der Otto-Wagner-Gründe in die UNESCO-Liste: Ist Mahdalik noch da, oder nicht mehr? Also ich weiß nicht, ob wir wirklich die Zukunft und die Entwicklung dieser Stadt weiterhin an andere auslagern
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