Gemeinderat, 45. Sitzung vom 19.11.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 73
der ganz großen Problemressorts in dieser Stadt ist. Ich spreche der Frau Stadträtin die Bemühungen nicht ab, aber wie Sie aus Personalbeschreibungen wissen, ist „bemüht“ halt nicht die ideale Beschreibung. Es genügt nicht, „bemüht“ zu sein. Das ist noch lange nicht genug. (GR Armin Blind: Man muss etwas machen!)
Man muss etwas machen, man muss etwas weiterbringen und darf nicht nur „bemüht“ sein, und Sie tun etwas, das in die falsche Richtung geht, Frau Stadträtin! Sie nehmen sich nämlich, wie wir vorher gehört haben, genau nur um diese Personengruppen an und nicht um die breite Mehrheit der Frauen und Mädchen bei uns in Wien. Sie wenden sich an diese antiheteronormativen Randgruppen mit Binnen-I, Unterstrich und Sternchen. Das dürfte allerdings nicht die Hauptzielgruppe der Arbeit Ihres Ressorts sein! Familie ist überhaupt ein Wort, das in Ihrem Ressort schon fast verpönt ist! – Auf den Frauenbereich wird dann noch jemand anderer bei uns eingehen.
Beim Personal gibt es das nächste Problem: Sie jammern jetzt gerade in der Bundesregierung über die Frühpensionen. – Na, wie schaut es denn bei uns in Wien aus? – Hier sind wir fast Weltmeister in Frühpensionieren und auch im Verteilen von Versorgungsposten.
Aber kommen wir zum Hauptproblem, nämlich zur Frage der Integration, die seit Jahren beziehungsweise jetzt fast schon seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner in Wien ist. Sie reklamieren für sich in diesem Bereich ganz tolle Leistungen, liegen aber, wie wir heute auch schon gehört haben, auf Platz Nummer 72, und zwar nicht in einem Ranking der Freiheitlichen, sondern in einer Studie der Europäischen Union.
Ich werde dieses Thema jetzt in weiterer Folge an einem Pressedienst von Ihnen, Frau Stadträtin, abarbeiten. Die Überschrift dieses Pressedienstes war: „Lasse mir erfolgreiche Wiener Integrationspolitik nicht schlecht machen.“ – Und was steht da? – „Frauenberger: Wien steht seit mehr als 15 Jahren für eine sehr erfolgreiche Integrations- und Diversitätspolitik, die mittlerweile in vielen europäischen Städten“ – den Spruch haben wir heute auch schon einmal gehört – „als Best-Practice-Beispiel gilt.“ – Ihre Redenschreiber suchen sich anscheinend nur die Pressedienste bei der SPÖ zusammen!
Ich zitiere weiter: „Dieser Politik ist es zu verdanken, dass“ – hören Sie sich das einmal an! – „es in Wien weder soziale Konflikte noch verschärfte Ghettoisierungstendenzen gibt.“
Dazu zitiere ich Ihnen jetzt den „Standard“ vom Juli 2008, und die Situation hat sich seither wesentlich verschärft: „Im Gemeindebau sind ein Drittel der Bewohner Ausländer oder haben Migrationshintergrund. Das kann man auch vom ‚Bau’ auf dem Friedrich-Engels-Platz behaupten.“
In diesem Zusammenhang sagt Wohnen-Chefin Daniela Strassl im Gespräch mit dem „Standard“: „Standard: Was halten Sie von der Aussage der ÖVP, dass die Stadt in der Wohnpolitik versagt hat und sich Ghettos gebildet haben? Strassl: Hier muss man wahrscheinlich diskutieren, wie man den Begriff Ghetto definiert. Wenn man darunter nur versteht, dass sich bestimmte Volksgruppen auf bestimmte Gebiete konzentrieren, dann gibt es das sicher auch hier.
Standard: Eine Studie der Akademie der Wissenschaften besagt, dass es einen Ghettoisierungsprozess in Wien gibt und dass die Generation der Gastarbeiter teilweise noch immer in Substandardwohnungen lebt.“
Vor zwei Jahren haben Sie versucht, die Probleme in diesen Ghettos zu lösen. Man hat die Wiener Hausordnung erfunden und eingeführt, und der Bürgermeister hat diese in den höchsten Tönen gelobt. – Der Herr Bürgermeister, der den Erfolg lobt, sollte einmal ins Schöpfwerk oder in ähnliche Bauten in Wien gehen, dann wird er sehen, wie es dort wirklich ausschaut, meine Damen und Herren! Dort verelenden und verdrecken ganze Bereiche, der Müll stapelt sich in den Gängen, und die Wände sind beschmiert. Und es gibt es noch viel ärgere Plätze.
Wer nur in Ansätzen, meine Damen und Herren, Bürgernähe aufweist, kennt Hunderte solcher Beispiele für die massiven Probleme in diesen Vierteln, aus denen die ursprünglichen Bewohner, soweit sie es sich leisten können, stetig hinausziehen. Das ist auch einer der Gründe für die vielen Wohnbauten im Speckgürtel und am Stadtrand von Wien: Wer fliehen kann, flieht aus diesem Bereichen hinaus, und auf der Strecke bleiben die Älteren und die Ärmeren, die es sich nicht leisten können.
Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Sie mit diesen Problemen und Klagen nicht befasst wurden. Ich höre nämlich von SPÖ-Mitgliedern und wir hören von Mietervertretern, dass das so ist. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie das nicht zu hören bekommen! Sie wollen das halt nicht wahrhaben, Sie leugnen es.
Ich halte Ihnen einen guten Spruch vor: „Alle große politische Aktion besteht im Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.“ – Das hat Lassalle gesagt und nicht Wolfgang Jung. Und Sie sind genau diejenigen, die bemänteln und verschweigen und dadurch auf den Kern der Probleme gar nicht kommen und diese somit auch nicht lösen können. Sie sind zu feige, den Tatsachen ins Auge zu sehen, oder Sie wollen nicht darüber sprechen.
Sie kennen dieses berühmte Bild: Nichts sehen, nichts hören und nicht darüber reden. – Ich glaube, diese Wesen sollten nicht Vorbild für Sie sein!
Weiter im Pressedienst: „Sie, Frauenberger, sei von Beginn an für ein breites Bündnis für Integration und gegen Fremdenfeindlichkeit eingetreten. Dieses Bündnis ist jedenfalls in Wien von Erfolg getragen. Sie stehen nach wie vor dazu, dass es nicht darum gehe, Probleme im Zusammenleben zwischen jenen, die schon seit Generationen in dieser Stadt leben, und den ZuwanderInnen schönzureden.“
Wir hören doch dauernd, wie wunderbar es ist und wie toll es funktioniert. Dann haben wir aber die Studie vor uns, wonach wir die 72.-schlechteste Stadt sind. Das ist Realität!
Ja. Wir haben diese Hausordnung, und wir haben
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