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Gemeinderat, 41. Sitzung vom 26.06.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 6 von 65

 

nicht nur die Jugendwohlfahrt – einfach immer wieder überprüfen.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. – Die 1. Zusatzfrage stellt Frau GRin Ing Leeb. – Bitte.

 

9.20.25

GRin Ing Isabella Leeb (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Stadtrat, ich glaube, dass sich nicht nur Institutionen selbst überprüfen müssen, sondern in diesem Fall auch wahrscheinlich Parteien. Die Tageszeitung „Die Presse“ bringt am 16. Juni einen Bericht unter dem Titel: „Kinderheime: Der Sündenfall des roten Wien“: „Die historische Schuld bringt das Selbstbild einer Partei ins Wanken, die sich seit ihrer Gründung den Kampf für die Schwächsten der Gesellschaft auf ihre Fahnen geschrieben hat. Denn spätestens seit dem Bericht von Irmtraut Karlsson Anfang der 70er Jahre lagen alle Fakten auf dem Tisch. Die damalige Beamtin der Stadt und spätere SP-Nationalratsabgeordnete untersuchte die Wiener Kinderheime, stellte gravierende Missstände fest und sprach wörtlich von ‚Kindergefängnissen‘.“

 

Es gab dann noch andere Verantwortliche aus den Reihen der SPÖ, die im Endbericht ja auch namentlich genannt sind, wie Maria Jacobi oder Gertrude Fröhlich-Sandner. Ich würde das noch um den langjährigen Leiter des Jugendamtes, Walter Prochaska, erweitern, der 1992 noch die Julius-Tandler-Medaille bekommen hat.

 

Herr Stadtrat, wie groß ist das politische Interesse in Ihrer Partei, jetzt, heute, 2013, nachdem die Fakten unleugbar auf dem Tisch sind, das Vergangene ehrlich aufzuarbeiten, sich aus der heutigen Sicht vielleicht etwas multipleren Biographien offen und ehrlich zu stellen und sich da auch einer ernsthaften Aufarbeitung anzunehmen?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat!

 

Amtsf StR Christian Oxonitsch: Ich denke, die gesamte Arbeit der letzten drei Jahre, die die Stadt, die die Wiener Jugendwohlfahrt, die wir als politisch Verantwortliche geleistet haben, steht genau unter diesem Gesichtspunkt der ehrlichen Aufarbeitung. Es war von Anfang an, zu einem Zeitpunkt, als von vielen Opfern die Frage nach Entschädigungszahlungen, nach Unterstützung durch Therapie noch gar nicht zur Diskussion gestanden ist, einer der zentralen Punkte und in diesem Zusammenhang auch meine zentrale Zusage: Wir werden in Wien diese Zeit lückenlos aufarbeiten.

 

Schaut man sich die Unterlagen durch, sieht man, dass sowohl die Untersuchung von Prof Sieder als auch die Untersuchungen der Wilhelminenberg-Kommission sowie die Pflegeheimstudie, deren Ergebnisse ja präsentiert wurden – die Studie wird in den nächsten Wochen entsprechend vollständig vorliegen – dieses Bemühen eindrucksvoll zeigen. Gerade auch im Vergleich mit anderen Bundesländern kann ich sagen, dass wir eine Form der Aufarbeitung gewählt haben, die durchaus auch international Beachtung findet. Ich denke, es führt kein Weg daran vorbei, zu diesem dunklen Kapitel auch zu stehen. Es ist geschehen. Man muss hier den Opfern eine Stimme geben. Man muss hier entsprechend überprüfen. Denn das ist ein ganz wesentliches Ersuchen. Und deshalb gibt es ja auch in den nächsten Wochen die Einladung an die Opfer, in die MA 11 zu kommen und sich davon zu überzeugen, mit welchen Standards, unter welchen Vorgaben, unter welchen Ausbildungsrahmenbedingungen die Menschen heute im Bereich der Jugendwohlfahrt tätig sind. Um hier auch diesem Wunsch zu entsprechen: Ihr könnt das eh nicht wiedergutmachen, was uns widerfahren ist, aber sorgt dafür, dass das nicht passiert. – Das ist personenunabhängig zu sehen, und bei der Aufarbeitung dieses Bereiches gibt es keine Grenzen.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. – Die 2. Zusatzfrage stellt Frau GRin Hebein. – Bitte schön.

 

9.24.09

GRin Birgit Hebein (Grüner Klub im Rathaus): Guten Morgen, Herr Stadtrat!

 

Ich würde mir so eine lückenlose Aufklärung in allen Bundesländern wünschen, auch bei der katholischen Kirche. Aber meine Frage bezieht sich auf den erschütternden Bericht. Da wird ja auch klar, dass es, obwohl es immer wieder Medienberichte gegeben hat, kaum politische Diskussionen dazu gab – von niemandem – und dass auch in der Gesellschaft das Bild vorgeherrscht hat, die Kinder sollen schon dort verwahrt bleiben. Wie ist da Ihre Einschätzung?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat!

 

Amtsf StR Christian Oxonitsch: Ich denke, Sie weisen richtig darauf hin, dass es wichtig und notwendig ist – ungeachtet der Tatsache, dass die Stadt als verantwortlich für die Institution der Vergangenheit steht –, eine gesellschaftliche Debatte zu führen. Und dieser Debatte kann sich auch niemand entziehen, nicht nur politische Parteien und Institutionen, sondern auch andere Bereiche, auch die Medien. Es kommt ja auch hier im Bericht sehr deutlich zutage, dass es, obwohl es in den 70er Jahren in kritischen Magazinen bereits entsprechende Berichte gegeben hat – damals vielfach fast diffamiert unter dem Motto „linke Magazine“, die es im ORF gibt –, weder eine gesellschaftliche noch eine politische Debatte hier im Haus gegeben hat. Also auch hier muss man feststellen, es hat hier letztendlich auch die gesamte Gesellschaft einen Bereich der Verantwortung zu tragen, entsprechende politische Diskussionen nicht rechtzeitig zu führen. Ich denke, hier unterscheiden wir uns alle – Gott sei Dank, so unangenehm das für politisch Verantwortliche ist –, dass, wenn es Probleme gibt, die an die Öffentlichkeit treten, auch eine entsprechende demokratische Kontrolle stattfindet, im klassischen Spiel zwischen Opposition und Regierung. Auch diese Kontrolle hat versagt. Ich denke, auch das zeigt der Bericht sehr eindrucksvoll. Und deshalb war es ja im Zuge dieser Aufarbeitung auch immer sehr wichtig, durchaus auch – und das hat nichts mit dem Delegieren von Verantwortung zu tun, die entsprechende Verantwortung im Bereich der Politik ist relativ klar und festgelegt – auf die gesellschaftlichen Dimensionen aufmerksam zu machen. Wie war die Stellung des Kindes in den 50er und 60er Jahren? Man könnte auch noch Personen ergänzen bei den Namen, die die Frau Abg Leeb genannt hat. In den 1950er Jahren war Vizebürgermeister Weinberger zuständig. Wie waren die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen damals gearbeitet wurde?

 

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