Gemeinderat, 30. Sitzung vom 21.11.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 54 von 70
Und der nächste wird gerade mit Vollgas in Angriff genommen: der Umbau des Parlaments.
Es ist wie das Amen im Gebet. Anscheinend gerät hierzulande jeder öffentliche Auftrag zum finanziellen Desaster. Reflexartig ist sofort von Korruption, Fehlplanung und Mauschelei die Rede. Doch die Hauptursache für die Serie an Baukatastrophen in diesem Land ist viel banaler: Es ist die Feigheit der Politik vor der Wahrheit.
Denn es sind Politiker, die mit völlig unrealistischen Zahlen an die Öffentlichkeit gehen. Die 420 Millionen EUR für den Hauptbahnhof waren von Beginn an ohne jeglichen Bezug zur Realität. Da wurde etwa vergessen, die Umsatzsteuer dazuzurechnen, da wurde auf die Inflation vergessen. Vergessen? Selbst bei den ÖBB wäre genügend Sachverstand vorhanden, um realistische Zahlen auf den Tisch zu legen. Doch diese will keiner sehen. Schon gar nicht Politiker. Lieber hanteln sie sich von einer Wahrheit, sprich, Kostensteigerung, zur nächsten und hoffen, auf dem Weg dorthin selbst umsteigen zu können. Etwa vom Verkehrsministerium ins Bundeskanzleramt. Hier werden Steuerzahler bewusst für dumm verkauft.
Rein PR-technisch ist das natürlich eine ziemlich dämliche Taktik. Statt gleich zu Beginn mit der Kostenwahrheit herauszurücken, lässt sich die Politik lieber schön scheibchenweise bei jeder neuen Preissteigerung von den Medien und der Opposition geißeln. Warum das niemand überzuckert? Wenn man von Anfang an sagen müsste, dass der Hauptbahnhof mehr als eine Milliarde kosten wird, käme man am Ende womöglich darauf, dass man sich das, was man will, gar nicht leisten kann.
Das ist keine österreichische Spezialität. Der Bau des Berliner Flughafens zeigt, dass uns die Deutschen um nichts nachstehen. Dass es aber auch anders gehen kann, bewies der Bau des neuen Flughafenterminals in Zürich. 134 Millionen EUR hat dieser umgerechnet gekostet. Als eine österreichische Delegation das Prunkstück bestaunte, kam natürlich sofort die Frage: ‚Wie hoch waren die geplanten Kosten?' Entgeisterte Antwort: ‚So hoch wie die tatsächlichen.'
In Österreich münden die falschen politischen Versprechen direkt in unseriöse Vergabeverfahren." – Und da ersuche ich Sie, sehr genau zuzuhören. – „Baufirmen werden bei Ausschreibungen in einen gnadenlosen Preiswettbewerb getrieben. Ergebnis: Um die Aufträge an Land zu ziehen, legen die Konzerne scheinbar ruinöse Angebote. Nicht nur bei Bauaufträgen. Überall, wo die öffentliche Hand Aufträge vergibt.
Ab dem Zeitpunkt des Zuschlags sind die Unternehmen nur noch bedacht, die Lücken und Schwächen der Ausschreibung gnadenlos auszunutzen.", um so die Kosten decken zu können. „Großkonzerne leben von ihrem ‚Claim-Management', also vom geschickten Aufstöbern diverser Nachforderungen. Nur so ist zu erklären, warum sich öffentliche Aufträge während der Planungs- und Umsetzungsphase wie ein riesiger Germteig ausbreiten. Das Ergebnis hat oft mit dem ursprünglichen Auftrag nichts zu tun. Siehe Skylink, siehe Hauptbahnhof. Ja, und siehe Stadthallenbad.
Dass diese unglückselige Konstruktion aus billigen politischen Versprechen und unseriösen Kalkulationen ein Nährboden für Freunderlwirtschaft und Korruption ist, muss nicht extra erwähnt werden. Doch aller Übel Anfang ist schlicht und einfach die Feigheit der Politiker davor, die Wahrheit offen auszusprechen. Verloren geht am Ende wie immer deren Glaubwürdigkeit." (Beifall bei der ÖVP.)
Ich habe Ihnen den Artikel heute mitgebracht, weil er sehr schön aufzeigt, woran es auch liegt, dass in den vergangenen Jahrzehnten, natürlich nicht nur in Wien, die Politik an Großprojekten gescheitert ist. Wir machen halt nun mal Politik in Wien, wir alle haben Verantwortung in Wien, und deswegen sprechen wir über das Stadthallenbad und über die verpfuschte Sanierung heute einmal ganz speziell und im Genaueren.
Im gegenständlichen Fall ist alles falschgelaufen, was falschlaufen kann. Ich habe Ihnen den Artikel auch deshalb mitgebracht, weil wir heute ganz bestimmt noch ein Mehr an Ausreden hören werden. Ich selbst habe in den letzten vier Jahren schon einiges zu hören bekommen, wenn etwas schiefgelaufen ist: vom Papstbesuch bis zum Wind, vom Denkmalschutz bis zum Wohle der Publikumsschwimmer wie beim Stadthallenbad. Alles Schutzbehauptungen der Verantwortlichen.
Am 31. Oktober 2012 wurde der Kontrollamtsbericht zur Sanierung des Wiener Stadthallenbades veröffentlicht. Und obwohl ich mich mit dem Thema wirklich schon seit Monaten intensiv auseinandersetze, dieser Bericht hat meine kühnsten Erwartungen übertroffen, obzwar – und das möchte ich hier auch in aller Deutlichkeit sagen – ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass der Bericht auch ein plumper Versuch ist, die politisch Verantwortlichen seitens der Stadt, namentlich auch Einzelpersonen, reinzuwaschen. Nichtsdestotrotz zeigt der Bericht in einer ganz gewaltigen Dimension auf, wie die Stadt nicht in der Lage ist, Großprojekte umzusetzen. Gerade die Sanierung des Stadthallenbades ist ein Lehrbeispiel dafür, denn am Ende des Tages, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden bei diesem Projekt alle draufgezahlt haben: der Steuerzahler, alle beteiligten Unternehmen und, Herr Stadtrat, auch die Politik. Denn dass Sie seit Monaten leugnen und abstreiten, spielt der Politikverdrossenheit direkt in die Hände.
Die missglückte Sanierung des Stadthallenbades ist aber auch ein Lehrbeispiel dafür, wie die Stadt mit ihren technischen und wirtschaftlichen Ressourcen umgeht, nämlich dass alle Beteiligten von Beginn an in Ketten und Fesseln gelegt werden, und wenn die Sache dann aus dem Ruder läuft, wenn gar nichts mehr funktioniert, dann erst spielt Geld keine Rolle mehr, denn es ist ja auch das Geld der anderen.
Ich habe mich in den letzten Monaten sehr viel mit Recherche beschäftigt, ich habe sehr viele Unterstützer gefunden, ich habe sehr viele Gespräche geführt, sehr viel Material zusammengetragen, und deswegen möchte ich mich heute auch einmal – wir haben es in den letzten Tagen gehört, man hat sich bei Beamten bedankt – bei meinen Klubmitarbeitern dafür bedanken, dass sie mich so vorbildlich unterstützt haben, namentlich bei Florian Mauthe und Lukas Kandelhofer. (Beifall bei der ÖVP.)
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