Gemeinderat, 29. Sitzung vom 20.11.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 53 von 79
hier ein Arbeitskräftereservoir an technischen Absolventen haben, an dem wir ja angeblich – das lese ich jedenfalls jeden Monat in der Zeitung – höchst interessiert sind.
Frau Leeb! An den 9 Bundesuniversitäten allein arbeiten nach Recherchen des WWTF rund 18 000 Beschäftigte, die Hälfte davon allein an der Universität Wien. Damit ist schon allein die Universität Wien neben der Stadt selbst und den Stadtwerken einer der größten Arbeitgeber in der Stadt! Wie viele Unternehmen haben wir hier in Wien, die mehrere Tausend Beschäftigte haben? – Das sind sehr wenige! Ich traue mich zu wetten, dass, wenn es ein Unternehmen mit 9 000 Beschäftigten so wie die Universität Wien gäbe, dieses Unternehmen von der Stadt ganz anders hofiert werden würde als die Universität Wien! Man muss sich einmal vergegenwärtigen, welche Wertschöpfung, welche Einkommen und welche Arbeitsmöglichkeiten hier existieren. – Ich finde, das ist immer noch unterbelichtet.
Was könnte Wien tun oder mehr tun? – Ich kann nur ein paar Punkte hier skizzieren.
Ein Punkt, der mir sehr am Herzen liegt, ist, dass Wien mehr für die Planungssicherheit in jenen Bereichen tun sollte und könnte, in denen sich die Stadt Wien finanziell engagiert. Mit Planungssicherheit meine ich, dass die betreffende Institution – sei es eine außeruniversitäre oder andere Institution – weiß, womit sie in welchem Jahr zu rechnen hat.
Frau Leeb hat darauf hingewiesen, dass es keinen Subventionsbericht und jedenfalls zu wenig Informationen darüber inklusive der jeweiligen Zielvereinbarungen gibt. – Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich finde auch, dass das wichtig ist. Aber ich wäre schon zufrieden, wenn es überhaupt Verträge gibt, selbst ohne Zielvereinbarung! Man muss sich das einmal vorstellen: Es geht da um zum Teil größere Institute, an denen Dutzende von Menschen arbeiten. Diese müssen ihr Budget ja planen und können nicht auf das Wohlwollen angewiesen sein, dass die Stadt im sogenannten „Dezember-Fieber“, wenn sie immer noch Geld hat, etwas vergibt und sonst eben nicht.
Mir sind auch Fälle bekannt, in denen die Stadt mündliche Vereinbarungen eingegangen ist, diese Vereinbarungen dann aber nicht eingehalten wurden.
Meine Damen und Herren! Das gilt, nebenbei gesagt, auch für den Kulturbereich. Auch diese Institutionen brauchen ein Minimum an Planungssicherheit, nämlich Verträge, die meiner Meinung nach mindestens über drei oder besser über fünf Jahre laufen müssten.
Zweiter Punkt: Internationalität, Diversität. – Frau Brauner hat gestern gesagt, ich habe mir das notiert: „Wien lebt von Internationalität und Weltoffenheit, fragen Sie“ – gemeint waren die Oppositionsparteien – „die Unternehmen in dieser Stadt.“ – Ja eh! Man muss aber auch die Universitäten und andere Forschungsinstitutionen in dieser Stadt fragen. Für diese ist es absolut trivial, dass Forschung entweder international ist oder den Namen nicht verdient.
StR Mailath-Pokorny veranstaltete vergangene Woche einen Empfang im Wiener Rathaus, zu dem 250 oder 300 Leute gekommen sind: Es sollten einmal ausländische Forscher in Wien sozusagen ein Welcome erhalten, und soweit mir bekannt ist, war das Echo ausgesprochen positiv. Man empfand offenbar: Schau her! Die Stadt nimmt uns wahr! – Das war auf der symbolischen Ebene meines Erachtens eine sehr gute Sache.
Nebenbei gesagt: Dabei geht es nicht irgendwie um ein Gutmenschentum, Kollegen von der FPÖ! Schauen Sie sich zum Beispiel den letzten „Economist“ an! Englisch ist ja kein Problem, auch nicht für Deutsch-Nationale, oder? (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Es handelt sich nicht um den Artikel „The time Bomb at the heart of Europe“, und es geht auch nicht um Österreich oder um die Muslime in Europa.
Ich möchte Sie auf diesen Artikel mit ohnedies nur einer Seite mit der Überschrift „Liberalizing migration could deliver a huge boost to global output“ aufmerksam machen." – Darin geht es darum, wie sehr Immigration im Speziellen ... (GR Mag Wolfgang Jung: Wer?) Selbst wenn Ihnen wurscht ist, wie es in den Entsendeländern ausschaut: Es ist ganz klar, dass die empfangenden Länder einen Vorteil im Output, im Sozialprodukt und damit bei den Einkommen haben. (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Mein Gott! Sie wissen alles schon, bevor Sie den Artikel gelesen haben! Lesen Sie doch wenigstens den Artikel, und debattieren wir dann weiter! Aber Sie wissen ... (Weiterer Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Nein! Sinnlos! Provinzler! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Damit wäre ich drittens auch bei dem Punkt: Wien sollte mehr Druck auf den ...
Vorsitzender GR Godwin Schuster (unterbrechend): Sehr geehrter Herr Professor! Eine einzige Minute steht jetzt noch zur Verfügung, dann ist das gesamte Kontingent der GRÜNEN aufgebraucht. – Darauf wollte ich nur hinweisen!
GR Dr Alexander Van der Bellen (fortsetzend): O je, die Redezeitbeschränkung war doch keine gute Idee! (Heiterkeit bei den GRÜNEN.)
Okay, dann sage ich nur: Wien hat sehr gute Chancen, zu einer Forschungsmetropole zu werden. Aber Chancen können auch vertan werden. Arbeiten wir doch gemeinsam daran, dass hier etwas daraus wird! – Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Unger. Ich erteile es ihm und stelle die Uhr auf 5 Minuten.
GR Christian Unger (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseher hier im Haus – es sind noch ein paar da – und über das Internet!
Ganz kurz zu meinem Vorredner: Ich habe Herrn Prof Van der Bellen eigentlich immer für einen recht honorigen Professor gehalten. Ich bin erstaunt, wie schnell es geht, dass man sich von einem honorigen Professor der Würde dieser Fraktion anpasst! Und ich meine das jetzt nicht im Positiven. (Beifall und Heiterkeit bei der FPÖ.) Danke.
Ganz kurz auch zu meinem Vorredner Woller: Sie
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