Gemeinderat, 27. Sitzung vom 04.10.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 70
muss getan werden?
Ein besonderes Hemmnis für die Unternehmensansiedlung, und wir wissen das seit langer Zeit, sind nun einmal die administrativen Barrieren. Das heißt, als erster Schritt gehört die Dauer der Betriebsansiedlungen verkürzt. Sie beträgt in Wien 90 Tage, im Vergleich dazu, in Oberösterreich 40 Tage. Das ist sicherlich ein großes Hemmnis für eine Ansiedlung.
Es gibt außerdem zu wenig Gründerzentren und Technologieparks.
Es muss in Forschung und Entwicklung investiert werden.
Die Arbeitskosten sind zusätzlich sehr hoch für wenige qualifizierte Arbeitskräfte. Da sprechen wir schon sehr lange davon, es gehört dringend in Bildung investiert.
Es gibt eine schlechte Verkehrsanbindung in die EU-Staaten. Ich würde sagen, es liegt nahe, zu sagen, legen wir den Fokus auf wirtschaftsorientierte Infrastruktur und nicht auf Radwege oder Radfahrbeauftragte, die einen Job bringen im Vergleich zu vielen Jobs. (Beifall bei der ÖVP.)
Ganz kurz, weil es mir als Frauensprecherin am Herzen liegt: Wie schaut es aus mit der Frauenbeschäftigung in Wien? Auch nicht viel besser, eigentlich dramatisch. Die Frauenarbeitslosigkeit liegt bei 8,4 Prozent. Wir sind auch hier wieder Schlusslicht. Wir haben in der Erwerbstätigenquote 68,7 Prozent. Das ist das drittschlechteste Ergebnis im Bundesländervergleich. Bei der Armutsgefährdung in Österreich haben wir in Wien die höchste mit 18,3 Prozent.
Es ist mir angesichts dieser Zahlen und Tatsachen unverständlich, dass Sie die Wirtschaftsförderung kürzen und auch die nachfragewirksamen Ausgaben kürzen.
Ein weiteres Thema ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Rahmenbedingungen fehlen noch immer. Ich bin hier seit über acht Jahren. Es hat sich nichts geändert. Die Bundesschulen haben zum Beispiel eine Nachmittagsbetreuung von 98 bis 100 Prozent, Wien nach wie vor eine Nachmittagsbetreuung von 30 Prozent. Wie, bitte, soll eine Frau, die berufstätig ist, aus dem Dilemma der Vereinbarkeit herauskommen mit dieser geringen Betreuungsquote? Wir sehen es auch an den Wiedereinstiegszahlen. Nur jede zweite Frau schafft den Wiedereinstieg, was, wie wir auch wissen, bekanntlich in die Altersarmut führt. Auch hier ist Wien Spitzenführer.
Das heißt, die Situation ist alles andere als erfreulich. Wien braucht dringend eine aktive Wirtschaftspolitik. Ich darf Sie bitten, meine Damen und Herren, nehmen Sie diese wirtschaftspolitische Entwicklung nicht auf die leichte Schulter, entbürokratisieren Sie die Rahmenbedingungen für Wirtschaftstreibende und investieren Sie in die Zukunft dieser Stadt! - Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren des Gemeinderates nur ein Mal zum Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist. Als nächste Rednerin hat sich Frau GRin Dr Vana gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.
GRin Dr Monika Vana (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ein klein wenig wundere ich mich über die Aktuelle Stunde der ÖVP heute schon, vor allem über den Titel. „Wien am absteigenden Ast“, da frage ich mich, wovon Sie eigentlich sprechen, wenn Sie hier heraußen stehen. Sprechen Sie von Wien, einer der wirtschaftlich stärksten Städte in Europa, einer der Städte mit der höchsten Produktivität und den bestqualifiziertesten und motiviertesten Arbeitskräften?
Das glaube ich nicht. Ich glaube, ich kann es nur so deuten, auch diesen Titel, den die ÖVP gewählt hat, als Ablenkungsmanöver der ÖVP von eigenem wirtschaftspolitischen und arbeitsmarktpolitischen Versagen im eigenen Verantwortungsbereich, denn Sie selbst haben zum Beispiel Oberösterreich und andere Bundesländer zitiert. Oberösterreich ist das Land mit dem zweitstärksten Anstieg an Arbeitslosigkeit. Niederösterreich ist das Land mit dem stärksten Anstieg an Arbeitslosigkeit. Niederösterreich, Kärnten, Tirol: Schuldenverdoppelung in den letzten Jahren, die sogar der Rechnungshof als wirtschaftliches Versagen kritisiert hat. Also, ich habe Verständnis für Kritik an der Regierung, wir haben das aus der Oppositionsbank heraus auch sehr oft geübt, gerade auch an der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, aber diesmal, Frau Kollegin Feldmann, und gerade mit diesem Titel „100 Prozent Ahnungslosigkeit“, „absteigender Ast“, schießen Sie wirklich eindeutig über das sachliche Ziel hinaus.
Ich habe heute auch nicht sehr viel Neues von Ihnen gehört. Also, die Aktuelle Stunde hat keinen sehr hohen Innovationsgrad. Die Plakate mit dem Slogan der Aktuellen Stunde hängen seit Wochen auf Straßenbahnhaltestellen. Ich orte eigentlich eine gewisse Rat- und Konzeptlosigkeit bei der ÖVP. Sie fordern hier heraußen Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik, Impulse für die Wiener Wirtschaft, neue Konzepte, mehr Geld. Wahnsinnig interessanter Vorschlag, stimmt. Sie fordern mehr Geld für Bildung, Forschung, Wirtschaftsförderung, Infrastruktur. Interessant. Sagen Sie uns bitte auch, wie viel mehr Geld und woher es kommen soll. (StR Mag Manfred Juraczka: Umschichtung!) Ich vermisse diese Vorstöße der ÖVP, von Ihren Vertreterinnen und Vertretern des Beirats der Wirtschaftsagentur, im Kuratorium des WAFF, wo wir uns genau über solche Fragen des Wirtschaftsstandortes und des Arbeitsmarktes in Wien austauschen. Das ist eigentlich sehr schade.
Wenn man sich anschaut, Sie werfen uns 100 Prozent Ahnungslosigkeit vor. Bei der Frage nach der Ahnung, welche Ahnung haben denn einzelne Exponenten oder ehemalige Spitzenfunktionäre der sogenannten Wirtschaftspartei vom Wirtschaften? Zweifelhafte Kompetenz. Ich denke, sie haben Kompetenz im Geldscheffeln, in der Verurteilung wegen Untreue, in Bestechlichkeit, in Lobbyismus, Stichwort: „Vorwurf Geldwäsche an Graf Mensdorff-Pouilly.“ Das ist allerdings eine zweifelhafte Kompetenz und sicher keine Wirtschaftskompetenz.
Auch Ihre arbeitsmarktpolitische Kompetenz, meine Damen und Herren von der ÖVP, ziehe ich stark in Zwei
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