Gemeinderat, 27. Sitzung vom 04.10.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 70
(Beginn um 9 Uhr.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen!
Ich eröffne die 27. Sitzung des Wiener Gemeinderates.
Entschuldigt während des gesamten Tages sind GR Dadak, GRin Hatzl, GR Dipl-Ing Stiftner. Weitere zwei Kolleginnen und Kollegen sind zumindest für einen längeren Zeitraum entschuldigt, nämlich GRin Korosec ab 12 Uhr und GR Valentin ab 14.30 Uhr. Einzelne Gemeinderätinnen und Gemeinderäte sind für einige Stunden entschuldigt.
Wir kommen zur Fragestunde.
Die 1. Frage (FSP – 03351-2012/0001 - KVP/GM) wurde von Frau GRin Ingrid Korosec gestellt und ist an die Frau amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Gesundheit und Soziales gerichtet. (In den letzten Wochen gab es heftige Diskussionen – ausgelöst durch Äußerungen der Wiener Patientenanwältin Dr Sigrid Pilz – zur Behandlungsqualität von Patienten mit Zusatzversicherung in Privatspitälern beziehungsweise zur Bestrebung der Stadt Wien, den Anteil der Sonderklassepatienten im Wiener Krankenanstaltenverbund von derzeit etwa 5 auf 11 Prozent zu heben. Der KAV konnte diesen Anteil seit Jahren nicht signifikant heben. Muss sich hier die Stadt Wien nicht de facto selbst eingestehen, dass sie auf diesem Gebiet durch jahrelange Versäumnisse den Anschluss an die Privatspitäler verloren hat?)
Bitte, Frau Stadträtin.
Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Korosec!
Sie stellen mir bezüglich der Behandlung von Menschen mit Zusatzversicherungen die Frage – und verbinden damit auch ein bisschen ein Postulat –, ob der Krankenanstaltenverbund und damit die Stadt Wien nicht den Anschluss an die Privatspitäler durch jahrelange Versäumnisse verloren haben. – Dem Grunde nach ist es so, dass die Spitäler der Stadt Wien medizinische Versorgung auf Spitzenniveau für alle Menschen, unabhängig von der Frage, ob sie Zusatzversicherungen haben oder nicht, anbieten.
Die ganz konkrete Aufgabe der Privatspitäler, die ausschließlich dafür geschaffen wurden und betrieben werden, ist es, zusatzversicherten Patientinnen und Patienten mit dem Wunsch nach freier Arztwahl, vor allem aber hinsichtlich einer höheren Hotelkomponente, besseren Essens mit mehr Auswahl, schönerer Vorhänge und so weiter und so fort ein entsprechendes Angebot auf dem Markt zu liefern. Privatspitäler wurden ja ausschließlich dafür gegründet und sind ausschließlich dafür in Betrieb.
Der wesentliche Punkt ist schlicht und ergreifend – und Sie wissen das –, dass die durchschnittliche Bausubstanz der Wiener Krankenanstalten bei 80 Jahren liegt, und Sie wissen auch und vertreten das ja auch mit, dass wir Großinvestitionen vor uns haben und auch die bauliche Struktur sehr stark verbessern werden.
Was mir ganz besonders wichtig erscheint, ist, dass wir – wie soll man sagen? – die Kirche im Dorf lassen und überlegen, was sozusagen das Wichtige und Relevante ist und wofür die Spitäler der öffentlichen Hand eigentlich da sind. – Dazu muss man sagen, dass 95 Prozent unserer Patientinnen und Patienten keine Zusatzversicherung haben und dass es Aufgabe, und zwar primäre Aufgabe, ist, für alle Patientinnen und Patienten die beste Leistung zu erbringen.
Wesentlich erscheint mir auch, hier darzustellen, dass das Vorhandensein von Privatspitälern doch ein Wiener Spezifikum ist. Die Tatsache, dass in anderen Bundesländern in den öffentlichen Spitälern der Anteil an Privatpatienten höher ist, ist einfach auf die andere Struktur zurückzuführen. In einem Flächenbundesland ist das ganz anders als in der Stadt.
Man darf sich aber auch nicht sozusagen von Prozentzahlen täuschen lassen. Man muss sich einmal ansehen, wie viel 5 Prozent im Wiener Krankenanstaltenverbund sind: Die Zahlen des Jahres 2011 sind da, und wir haben demgemäß derzeit 5 Prozent Privatversicherte. Das sind 125 000 Belagstage. Ich habe mir das durchgerechnet: Wenn man die 125 000 Belagstage durch 365 Tage dividiert, dann reden wir von einem Bedarf von rund 340 Betten pro Tag. Das ist die Bettenzahl von 2 bis 3 Privatspitälern. Der gesamte Sektor der Privatspitäler in Wien umfasst 700 Betten. Das heißt, schon jetzt ist die Hälfte aller Privatpatienten – und der Markt ist nicht so groß in Wien – im KAV. 5 Prozent klingt wenig, aber man muss dabei immer fragen: 5 Prozent wovon? Und 5 Prozent von einer großen Zahl ist relativ viel!
Das heißt, 50 Prozent aller Privatpatienten werden derzeit schon im KAV versorgt, und durch alle von uns gemeinsam beschlossenen Umstrukturierungen und auch durch die Anhebung der Hotelkomponente wie zum Beispiel im Krankhaus Nord werden wir noch weitere Möglichkeiten haben. Daher kann ich mir vorstellen, dass wir mit der Investition in die neue Infrastruktur im Krankenhaus Nord den Anteil von 5 Prozent auf 10 Prozent ab Eröffnung des Krankenhauses Nord im Jahr 2015 in den folgenden 10 Jahren erhöhen können werden. Mehr gibt der Markt nicht her.
Außerdem muss man sich auch überlegen – obwohl das meine geringste Sorge ist, wie ich Ihnen ganz ehrlich sage –, ob es, sollten wir alles abschöpfen, dann noch Privatspitäler gibt. Man kann natürlich sagen, dass das nicht unsere Sorge ist, aber vielleicht ist das dann Ihre Sorge! Ich bin nicht ganz überzeugt, ob dann alle beim Wirtschaftsbund ganz glücklich sind!
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke. Die 1. Zusatzfrage stellt GRin Korosec. Bitte schön.
GRin Ingrid Korosec (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Guten Morgen, Frau Stadträtin.
Sie streben 10 Prozent an, und wir sind uns ja durchaus einig, dass das in etwa die Quote sein könnte. – Allerdings war etwas sehr interessant: Sie haben mediale Aussagen gemacht, und einige Tage später hat die jetzige Patientenanwältin in einer sehr populistischen Art und Weise mehr oder weniger gesagt: Geht ja nicht in ein Privatspital, denn da seid ihr eures Lebens nicht
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