Gemeinderat, 26. Sitzung vom 07.09.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 68
von politischer Seite kommt. Wenn ich mir diese Karikatur ansehe, dann frage ich mich schon sehr, Herr StR Lasar - ich sehe ihn gerade nicht (GR Heinz Hufnagl: Da sitzt er!) - bitte um Entschuldigung -, was Sie dazu sagen. Ich schätze Sie persönlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie so eine Karikatur gutheißen. Ich sage es Ihnen klar und deutlich, diese Karikatur ist antisemitisch. Für mich, nach meiner persönlichen Einschätzung, nach meinen Kriterien, einfach in seiner Gesamterscheinung, bin ich sofort erinnert worden an die Karikaturen im „Stürmer“ (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Woher kennen Sie die?), an die Karikaturen nationalsozialistischer Machart. Da möchte ich mich jetzt gar nicht auf die Diskussion einlassen, ob das Davidsterne auf den Manschettenknöpfen am Rockärmel des karikierten Bankers sind. Jedenfalls sind es gleichförmige sechseckige Sterne. Ich frage mich schon, warum es zwei Versionen von dieser Karikatur geben muss, wenn keine von ihnen eine antisemitische Assoziation erwecken soll.
Strache sagt, er lehnt Antisemitismus und Rassismus zutiefst ab. Wenn dem so ist, dann müsste er zwei Dinge tun, erstens sich für diese Karikatur entschuldigen, weil sie bei sehr vielen Menschen Beleidigung und Verstörtheit hervorgerufen hat, und man müsste diese Karikatur von der Facebook-Seite entfernen. Das ist bis heute Morgen auch nicht passiert.
Ich sage Ihnen an dieser Stelle sehr deutlich, das Posten einer solchen Karikatur ist nicht zu akzeptieren. Ich möchte jetzt gar nicht darauf eingehen, ob der Sachverhalt eine Verletzung darstellt oder nach dem Verbotsgesetz strafbar ist. Das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft und Sache der Gerichte. Ich habe die Angelegenheit politisch zu beurteilen. Da sage ich Ihnen, so etwas kann man nicht akzeptieren. Ich verurteile dieses Posting entschieden! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und GRÜNEN.)
Aber auch zur Beleidigung des Rabbiners müssen klare Worte gefunden werden. Wir können solche Beschimpfungen nicht akzeptieren, egal, von wem sie passieren, wo sie passieren, ob sie auf Fußballplätzen erfolgen, ob sie auf der Straße erfolgen. Es kann auch nicht akzeptiert werden, dass Juden mit Angst oder zumindest mit unangenehmen Gefühlen auf der Straße unterwegs sein müssen, so wie uns das der Rabbiner gesagt hat.
Es ist natürlich auch völlig inakzeptabel, wenn die Polizei, deren Aufgabe es ist, den Staat zu repräsentieren und Opferschutz zu geben, bei solchen Handlungen wegschaut. Es ist die vornehmste Aufgabe der Polizei, immer einzuschreiten, wenn sie von strafbaren Handlungen Kenntnis erlangt. Ich gehe davon aus, dass der Polizeipräsident die notwenigen Schritte ergreifen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, egal, ob der Antisemitismus von der Straße, von Polizisten oder von Politikern kommt, er darf in keiner Form toleriert werden und man darf sich auch nicht mit ihm abfinden! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Meine Damen und Herren, Kollegen und Kolleginnen, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich nur dazu feststellen, dass ich gemeinsam mit dem Herrn Ersten Vorsitzenden beurteilt habe, dass ein noch nicht angelobter Gemeinderat trotzdem schon mit seiner Amtstätigkeit beginnen kann. Wir haben dementsprechend die Verfassung nicht nur ausgelegt, sondern auch die Literatur dazu gelesen und sind übereinstimmend dazu gekommen, dass Herr GR Dr Van der Bellen, obwohl er noch nicht angelobt ist, schon das Rederecht hat. In diesem Sinne erteile ich Herrn Dr Van der Bellen das Wort.
GR Dr Alexander Van der Bellen (Grüner Klub im Rathaus) : Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
In der Tat bin ich seit 6. Juli, wenn ich mich nicht täusche, vom Herrn Bürgermeister zum Gemeinderat bestellt worden. Aber ich danke für diese Interpretation. Mir war das auch nicht klar, ob ich vor der Angelobung darf oder nicht. Aber das scheint in der Verfassung eindeutig geregelt zu sein.
Also, schönen guten Morgen! Mein erster Tag im Wiener Gemeinderat. Es ist anregend und ein bisschen aufregend. Es ist doch etwas ganz anderes als im Parlament. Einige wenige Gesichter kenne ich schon, teilweise aus dem Parlament, Herrn Jung zum Beispiel. Man kann es sich ja nicht aussuchen, Herr Jung. (GR Heinz Hufnagl: Es gibt unterschiedliche Begegnungen im Leben!) Ich hoffe, Sie werden mir nachsehen, dass ich nicht gar so ein schlechtes Gedächtnis für Gesichter habe, aber es dauert natürlich schon eine Zeit lang, bis ich mir die zugehörigen Namen merke. Ich hoffe, dass wir einigermaßen miteinander auskommen, soweit das im politischen Bereich halt möglich ist.
Zum heutigen Thema: Herr GR Ulm hat schon erwähnt, dass es zwei Anlassfälle gibt, den Antisemitismus heute zu thematisieren. Im Großen und Ganzen kann ich Herrn Ulm in seinen Ausführungen nur beipflichten.
Aber ich habe mir überlegt, wie ich denn reagieren würde oder wie es auf mich wirken würde, wenn ich auf der Straße etwa mit dem Hitlergruß behelligt werde. Was geht da in einem vor? Also, ich kann nur sagen, es gibt zwei Möglichkeiten. Ich kann den Betreffenden als Blödmann sehen, vielleicht auch als vollkommenen Idioten bezeichnen, aber ich kann ihn auch etwas ernster nehmen und mir denken: Was will er mir damit sagen? Im zweiten Fall kann ich den Hitlergruß nur als gefährliche Drohung interpretieren. Das ist nämlich nicht irgendetwas, sondern mit einem Minimum an Geschichtskenntnissen muss man wissen, was damit verbunden ist, die Drohung mit Rechtlosigkeit, mit Gewalt, mit Deportation, mit allen möglichen Dingen. Man muss gar nicht bis in die KZs und in die Vernichtungslager vordringen, um sich hier als gefährdet einzustufen. Also, mit anderen Worten, das ist keine Hetz, das ist kein Witz. Es ist mit Sicherheit kein Kavaliersdelikt, was hier vorliegt. Es fällt auch nicht unter Meinungsfreiheit und auch nicht unter die Freiheit der Meinungsäußerung in Demokratien. (Beifall bei GRÜNEN, SPÖ und ÖVP.)
Insofern ist es zumindest bedrückend, in den Medien zu lesen, dass der eine oder andere Polizist in der Situation mit dem Rabbiner anwesend war, aber sich geweigert hat einzuschreiten, sinngemäß mit dem Argument: „Na, was wollen Sie, es ist Fußballzeit!“ Es ist Fußballzeit. Ich war lang genug Eishockey-Fan, um zu wissen,
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